Vergangene Woche startete das Schuljahr 2020/2021 in Rheinland-Pfalz. Eine kritische Situation, da erstmals seit dem Corona-Ausbruch wieder weitestgehend alle Schüler gleichzeitig beschult werden sollen. Außerdem herrschen weiterhin unterschiedliche Auffassungen über die Infektionsrisiken durch Kinder. Kurz vor Schulbeginn verschickte das rheinland-pfälzische Bildungsministerium einen 17-seitigen Hygieneplan (5. überarbeitete Fassung). 5VIER.de hörte bei Lehrern und Mitarbeitern an verschiedenen Schulen nach, wie die Umsetzung gelingt. Die Bewertungen fielen dabei unterschiedlich aus.
Trier/Bitburg-Prüm/Gerolstein/Bernkastel-Wittlich. Der Schulbeginn 2020 verlief wie nie zuvor. Unter ungewohnten Bedingungen musste ein Schulalltag vorbereitet werden, wofür es keine Präzedenzfälle gibt. Zudem gibt es ganz unterschiedliche Forderungen, wie dieser Schulalltag aussehen soll. Unterm Strich gab es nach diversen Konferenzen, Beratungen und Sitzungen Hygienepläne von den Bildungsministerien der Bundesländer.
Wir haben bei Lehrern und Mitarbeitern aus der Region nachgehakt, wie es läuft. In den Landkreisen Bitburg-Prüm, Vulkaneifel, Bernkastel-Wittlich und Trier sammelten wir Stimmen, wie der Einstieg ins Schuljahr läuft. Dabei gingen wir verschiedene Punkte durch.
Abstand bei Schulbeginn
Im Hygieneplan wird gefordert, dass Abstand gehalten werden soll. Umarmungen, Händeschütteln oder sonstige Berührungen sollen unterlassen werden. Keine so tolle Vorstellung, wenn man seine Freunde seit etlichen Wochen nicht mehr gesehen hat. Doch die Schüler halten sich zum größten Teil daran. Diese Aussage trafen alle befragten Mitarbeiter, egal ob am Gymnasium, Gesamtschule, Förderschule oder Realschule Plus.
„Es hat ein bisschen gedauert, bis sich alles eingespielt hat. Der Hygieneplan der Schule musste kurzfristig durch den Hygieneplan des Ministeriums umgeschrieben werden. Das hat zwei, drei Tage gedauert. Die Schüler sollen sich möglichst wenig unter den Klassen mischen. Sie halten sich meistens daran, vor allem die jüngeren achten da selber sehr drauf. Das funktioniert überraschend gut“, erzählt Frau Schuh* vom Gerolsteiner Gymnasium. Allerdings sei es an mehreren Orten schlicht nicht möglich, trotz diverser Vorkehrungen wie „Rechtsverkehr“ in den Fluren, wirklich Abstand zu halten. Daher soll auch darauf geachtet werden, dass zum Beispiel Pausen etwas zeitlich versetzt beginnen sollen, damit die Situation auf den Gemeinschaftsplätzen entzerrt werden kann.
Im Kollegium ist zwar nicht jeder mit den Abstandsregelungen glücklich, da nicht mehr alle Lehrer gleichzeitig ins Lehrerzimmer können. Insgesamt aber befolgen sie die Regeln. Schwieriger ist die Umsetzung in einer Schule mit Förderschwerpunkt ganzheitliche Entwicklung. Herr Möller* berichtet dazu: „Viele unserer Schüler sind nicht in der Lage, den Abstand zu wahren. Auch die Masken können nicht alle tragen. Allerdings muss man sagen, dass auch eher die Mitarbeiter das Risiko für die Schüler darstellen, als umgekehrt. Insgesamt wird aus meiner Sicht gut auf die Einhaltung geachtet, wo es umsetzbar ist.“
Mund-Nase-Bedeckungen (MNB)
Die MNB sind seit dem Schulbeginn verpflichtend zu tragen. Hier gibt es ebenfalls Ausnahmen. Am jeweiligen Arbeitsplatz oder in pädagogisch begründeten Situationen dürfen die Masken abgenommen werden. Auch hier, erzählen die Lehrer, achten die Kinder und Jugendlichen in aller Regel sehr gut darauf. Dienen gar als Vorbilder für die Lehrer. Denen fällt es bisweilen selber schwer, sich zu 100 Prozent an die Vorgabe zu halten. Herr Schmitt* von einer Gesamtschule im Kreis Bernkastel-Wittlich ist ehrlich und sagt, dass auch er manchmal vergisst die MNB anzuziehen. Zudem empfindet er es auch als unangenehm, so lange mit Stoff im Gesicht rumlaufen zu müssen.
Herr Schneider* von einer weiterführenden Schule im Eifelkreis findet, dass die Lehrkräfte nicht immer ein gutes Vorbild abgeben: „Es gibt einige, die darauf achten, aber auch einige, die die Masken zu früh ausziehen. Ich ärgere mich schon darüber. Selbst die Schulleitung trägt häufiger die Maske nicht richtig.“
Herr Schneider ist selbst Risikopatient. Er fühlt sich nicht ausreichend geschützt. Als im zweiten Schulhalbjahr die Klassen halbiert wurden und weitere Maßnahmen getroffen wurden, blieb er die meiste Zeit zu Hause und unterrichtete auf digitalem Weg. Mittlerweile sind alle Kollegen wieder voll im Dienst, auch die Risikogruppen. Herr Schneider fände es sinnvoll, wenn die Klassen generell kleiner wären. Allerdings hat er Verständnis, dass das für Familien eine (zu) große Herausforderung darstellen würde, wenn die Kinder wieder nur alle zwei Wochen zur Schule gehen würden.
Lüftung
Ein entscheidender Punkt des Hygieneplanes ist die Lüftung der Klassenzimmer. Mindestens alle 20 Minuten soll stoßgelüftet werden, damit ein Luftaustausch stattfinden kann. In Gerolstein scheint das zu funktionieren. „Die offenen Fenster stören bislang überhaupt nicht während des Unterrichts. Wie das im Herbst und Winter funktionieren wird, müssen wir dann sehen“, sagt Frau Schuh.
In der Schule im Eifelkreis Bitburg-Prüm soll das anders aussehen. Herr Schneider: „Wir haben ein neues Belüftungssystem, das aber nicht richtig funktioniert. Das war schon vor Corona so. Mittlerweile haben wir Schlüssel für die Fenster bekommen, um sie ganz öffnen zu können. Das sind meistens zwei kleine in einem Raum. Vor Corona konnten man sie nur kippen.“
Digitalisierung
Durch das zwischenzeitliche Homeschooling wurde das Thema Digitalisierung (wieder einmal) zu einem großen Thema. Aus Sicht vieler Betroffenen kam durch Corona endlich Bewegung in die Sache, allerdings viel zu spät. Herr Möller dazu: „Die Lehrer und Erzieher hätte man schon früher schulen müssen in diesem Bereich. Der Umgang mit den Medien ist für manche Kollegen immer noch fremd. Es ist wichtig, dass es da Fortbildungen und einheitliche Programme gibt, die genutzt werden können.“
Eines dieser Programme heißt Moodle. Prinzipiell scheint die Lernplattform als praktisch angesehen zu sein. Es gab jedoch auch Kritik. Moodle selbst war häufiger überlastet und somit nicht nutzbar. Zusätzlich kämen auch einige Lehrer damit nicht zurecht. Lehrer, die selber Kinder im Schulalter haben, haben häufiger diese Erfahrungen machen müssen.
Herr Schmitt spricht positiver über den Bereich Digitalisierung: „Bei uns war das gut geregelt. Als es akut war, haben wir einfach die Materialien über die Schul-Homepage zugänglich gemacht. Uns war klar, dass wir auf die Schnelle kein großes Programm auflegen können. Sukzessive wurde dann auf Moodle umgestellt. An unserer Schule fand ich das gut geregelt und kommuniziert.“
Herr Schneider findet es „unverantwortlich, dass die Digitalisierung auf die Lehrer abgewälzt wird.“ Seit Jahren würde es in diesem Bereich nicht vorwärts gehen. „Natürlich müssen wir uns da fortbilden. Aber wir haben zum Glück zwei, drei Mitarbeiter, die affin für das Thema sind und in den letzten Jahren das Zepter in die Hand genommen haben. Sowas darf nicht dem Zufall überlassen werden. Moodle haben wir mit unseren privaten E-Mailkonten und über unsere privaten Geräte genutzt. Da reicht es nicht, dass man das später von der Steuer absetzen kann.“ Aus Sicht von Herr Schneider hätte man zudem die Sommerferien für verpflichtende Teilnahmen an Fortbildungen nutzen müssen. Allerdings habe man dafür keine gezielten Angebote erhalten.
Pädagogik
Schule bedeutet pädagogisches Arbeiten. Derzeit sind die Bedingungen dafür aber schwieriger als sonst. Frau Schuh findet es schade, dass man weder Versuche noch Gruppenarbeit anbieten soll: „Gerade in den wissenschaftlichen Fächern, besonders bei den Kleineren, fällt es schwer die Motivation aufrechtzuhalten, wenn alles auf theoretischer Ebene bleibt. Innerhalb der Klassen müssen und können die Abstände nicht eingehalten werden. Warum kann man dann dort nicht auch Gruppenarbeiten tätigen? Die Masken tragen sie während des Unterrichts ja auch kaum. Ich hoffe, dass sich das bald öffnet. Die Regelung gilt zunächst für drei Wochen. Aber ich bin nicht so optimistisch, dass sich das schnell ändert.“
Die MNB sind außerdem hinderlich für die Arbeit mit den Schülern, so Herr Schneider: „Für den Job braucht es Mimik, sonst funktioniert das nicht richtig. Die nonverbale Kommunikation fällt weitgehend weg. Ich möchte damit aber nicht sagen, dass die Masken nicht genutzt werden sollten. Eine Kabine oder ein transparenter Schutz wie in der Gastronomie müssten wir privat organisieren. Zusätzlich sollen wir jetzt wieder stark auf Frontalunterricht setzen. Das galt in den letzten Jahren mehr und mehr als verpönt. Nun wird es wieder gefordert.“
Anfahrt zu Schulbeginn
„Die Anfahrtssituation ist nach wie vor eine Katastrophe“, macht wieder Frau Schneider deutlich. „Was bringen die ganzen Maßnahmen in der Schule, wenn die Schüler auf den Hin- und Rückfahrten zusammengepresst in den Bussen sitzen?“ Das wurde auch von zahlreichen Eltern kritisiert. Nach anfänglichen Schuldzuweisungen versuchen das Ministerium und die Kommunen, die für den Transport der Schüler zuständig sind, mehr Busse einzusetzen. Wie schnell die Besserungen greifen, bleibt abzuwarten.
Fazit: Die Bewertungen des Schulbeginns fallen unterschiedlich aus. An einigen Standorten ist man insgesamt zufrieden, welche Maßnahmen beschlossen wurden und wie sie umgesetzt werden. An anderen fällt das Urteil kritischer aus. Was alle eint, dass die meisten Dinge, die im Argen liegen, schon vor Corona Probleme darstellten. Nun muss man die Not zur Tugend machen und die Corona-Zeit nutzen, um nachhaltig Lösungen für den sicheren und modernen Schulbetrieb zu finden.
*Alle Namen auf Wunsch der Befragten geändert
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