Viel wurde in der 5vier-Redaktion diskutiert, über Weinköniginnen, über die Definition eines Luxusschlittens, über einen harmlosen Audi A1. Und die Resonanz auf den Artikel „Luxusschlitten für Weinkönigin: Ist das wirklich nötig?“ bei Facebook hat gezeigt, dass diese Diskussionen nicht nur intern stattfanden.
Trier. Wer was von Auto versteht, zuckt sofort irritiert die Augenbrauen: Ein Audi A1 ein Luxusschlitten? Da passt doch was nicht in der Überschrift! Um die neutrale Position eines Schreiberlings zu verlassen: auch ich habe bei der Überschrift meiner werten Kollegin aufgehorcht. Aber in einer Welt, wo laut Stiftung Warentest rund 70 Prozent der deutschen Autos faktisch noch den Banken gehören, sollte man das eigene Welt- bzw. KFZ-Bild vielleicht nochmal überdenken. Was ist überhaupt Luxus? Der Duden definiert das Wort wie folgt:
„kostspieliger, verschwenderischer, den normalen Rahmen (der Lebenshaltung o.Ä.) übersteigender, nicht notwendiger, nur zum Vergnügen betriebener Aufwand; Pracht, verschwenderische Fülle“
Im Vergleich zu einer Mercedes S-Klasse, einem Porsche, einem Ferrari wirkt der Audi A1 der Weinkönigin geradezu mickrig und nicht der Rede wert. 16.150 Euro kostet die Basisversion des Kleinwagens. Wer den kleinen Flitzer aus Ingolstadt so richtig über die Autobahn jagen will, bekommt für 26.300 Euro beeindruckende 192 PS unter der Motorhaube zur Verfügung gestellt. Mit ein bisschen Extras hier und da fällt dann auch schnell die 30.000 Euro-Marke – für einen Kleinwagen mit 4 Ringen auf dem Kühlergrill.
Setzt man das in Relation zum durchschnittlichen Netto-Einkommen der deutschen Haushalte entspricht das ziemlich exakt dem Jahreswert. Knapp über 32.000 Euro hat der durchschnittliche deutsche Haushalt netto zur Verfügung, real bleiben davon durchschnittlich 16.140 Euro übrig…also 1345 Euro im Monat. In studentischen Haushalten muss mit einem Netto-Durchschnittseinkommen von 1039 Euro ausgekommen werden, Rentner liegen mit 1961 Euro auch deutlich unter dem Durchschnitt. Was der ein oder andere lapidar als nicht nennenswerten Kleinwagen abtut, ist für den deutschen Durchschnitts-Haushalt ein heftiger Brocken, der ein gewaltiges Loch ins Finanzpolster schlägt und für den erstmal viele Monate gearbeitet werden muss.
Die Bewohner Gambias, der kleinste Staat des afrikanischen Festlandes, lachen über derartige Rechenexempel. Selbst für die Basisversion des Audi A1 geht der durchschnittliche Gambianer 557 Monate arbeiten, also 46 Jahre…natürlich sofern er jeden Monat sein gesamtes Einkommen auf sein Sparbuch packt. Will er auf den Schotterpisten seines Landes mit der 192 PS-Version so richtig Gas geben, hat er 1034 Monate Arbeit vor sich…oder 86 Jahre. Das die durchschnittliche Lebenserwartung in Gambia bei 58,61 Jahren liegt, macht das Sparziel „Audi A1“ nicht gerade einfacher. Für den durchschnittlichen Gambianer ist der kleine Flitzer aus Ingolstadt durchaus ein „kostspieliger, verschwenderischer, den normalen Rahmen übersteigender, nicht notwendiger, nur zum Vergnügen betriebener“ Gegenstand. Und ein Blick auf die weltweiten Jahreseinkommen macht recht schnell deutlich, dass dies nicht nur für Gambia gilt.
Man kann sich zweifellos darüber streiten, ob „Luxusschlitten“ die korrekte Klassifikation für einen Audi A1 ist, aber was sagt es über eine Gesellschaft aus, wenn ein PKW, für den eine 5-stellige Summe fällig wird, nicht als Luxus bezeichnet und hinterfragt werden darf? Schon für den durchschnittlichen Deutschen ist ein solches Auto zumindest rein rechnerisch Luxus, für die meisten Menschen in Afrika, Asien und Südamerika stellt es gar ein vollkommen unerreichbares Ziel dar, welches sie nicht mal nach einem ganzen Arbeitsleben erreichen können.
Zum Vergleich: 3,3 Millionen Euro kostet der Lamborghini Veneno Roadster. Dafür würde der durchschnittliche Deutsche etwa 86 Jahre arbeiten gehen. Ist das dann ein Luxusschlitten? Der Vergleich mag weit hergeholt erscheinen, verdeutlicht aber, dass Luxus in erster Linie eine Frage der Perspektive ist….oder doch des Neids?
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