Der eine engagiert sich mit seiner Organisation in Kapstadt im Kampf gegen Aids, der andere leitet im bolivianischen El Alto eine Pfarrei mit rund 80.000 Menschen: Während ihr Arbeitsalltag sich sehr unterscheidet, eint die beiden Bistumspriester Stefan Hippler und Konrad Lisowski ihre Herkunft und ihr Auftrag aus dem Bistum Trier.
Völlig neue Herausforderungen durch die Corona-Pandemie
El Alto/Kapstadt – Derzeit gibt es aber noch mehr Gemeinsamkeiten der beiden katholischen Geistlichen mit ihren Amtsbrüdern im Bistum: Durch die Corona-Pandemie sehen sie sich vor völlig neue Herausforderungen gestellt – und arbeiten im Homeoffice. Im Interview haben die beiden vor Ostern erzählt, wie sich die Corona-Krise in ihren jeweiligen Wahlheimaten auf die Menschen und ihre Arbeit auswirkt.
Kapstadt – Südafrika
Der aus Bitburg stammende Bistumspriester Stefan Hippler lebt und arbeitet seit 16 Jahren in Kapstadt in Südafrika. Zunächst war er Pfarrer der deutschsprachigen katholischen Gemeinde und baute ab 2000 die Hilfsorganisation „HOPE Cape Town“ auf, die sich im Kampf gegen Aids und für die armen Menschen in den so genannten „townships“ (Armenvierteln) engagiert.
Derzeit organisiert er die Arbeit seiner Organisation von seinem Homeoffice in einem Vorort Kapstadts aus, zwei Kilometer entfernt vom berühmten Bloubergstrand. Südafrika hat am 26. März einen „Lockdown“ erlassen – eine sehr strenge Ausgangsbeschränkung, wie Hippler erzählt. „Hier gibt es oft nur schwarz oder weiß, keinen Mittelweg. Die Menschen müssen in ihren Häusern oder Hütten bleiben und dürfen diese nur zu bestimmten Zwecken verlassen. Militär und Polizei kontrollieren an wirklich jeder Ecke und die Regularien sind taff.“
So schreibe die Regierung beispielsweise vor, was die Menschen im Supermarkt noch bekommen, was also „notwendig“ sei; Alkohol und Zigaretten dürften nicht mehr verkauft werden und Hunde dürften nicht ausgeführt werden. Zudem sei der Lockdown ausgerechnet an jenem Tag verkündet worden, als die Arbeiter ihren Wochenlohn ausgezahlt bekamen und Lebensmittel kaufen wollten. „Das hat hier schon zu unschönen Szenen geführt mit Soldaten, die nicht darin trainiert sind, Menschenmengen zu dirigieren. Da geht es direkt ans Eingemachte“, so der Pfarrer.
Menschen aus 30 Nationen in ärmlichen Blechhütten
Das Leben der Menschen in den townships, den Armenvierteln Kapstadts, sei denkbar ungeeignet für die strengen Regelungen: Menschen aus 30 Nationen leben hier mit bis zu zwölf Leuten in ärmlichen Blechhütten auf 18 Quadratmetern, bis zu 50 Menschen teilen sich eine Toilette. Hunger und Armut sind ständige Begleiter. Nun sollen sie an sieben Tagen in der Woche 24 Stunden lang eng eingepfercht aufeinander sitzen – Hippler hält das für kaum aushaltbar.
„Ich finde das deutsche Modell da viel besser, sonst gibt es irgendwann Rebellion. Man muss natürlich abwägen, aber man muss die Menschen auch mitnehmen auf dem Weg.“ Hipplers alltägliche Arbeit geht indessen weiter, nur unter erschwerten Bedingungen: „Eine meiner Sozialarbeiterinnen, die im township lebt, schmuggelt Lebensmittel hinein, weil die Organisationen offiziell noch nicht das „go“ haben. Für die meisten Kinder ist das Schulessen die einzige warme Mahlzeit am Tag. Wenn die ausfällt, ist das schon schlimm.“ Die Ärzte und Gesundheitsmitarbeiter von „HOPE“ seien weiterhin normal im Dienst, so der 59-Jährige, der täglich eine Videokonferenz abhält und rund um die Uhr über soziale Medien und Messenger-Dienste erreichbar ist.
„Eine Lektion in Demut und Bescheidenheit“
Hippler wirkt pragmatisch, vielleicht auch, weil er die Aids-Pandemie in Südafrika hautnah miterlebte, als er nach Afrika kam. Jeden Tag infizieren sich derzeit noch rund 1.300 junge Menschen im Alter von 14 bis 24 an HIV. Hipplers Organisation betreut im Jahr 200.000 Patienten. Ob man aus dieser Pandemie etwas für die Corona-Pandemie lernen kann? „Ich merke, dass man etwas gelassener wird und man versucht, realistisch zu schauen, was man am besten von Tag zu Tag tun kann.“ Für ihn sei das Geschehen derzeit auch „ein Weckruf und eine Lektion in Demut und Bescheidenheit. Menschen lernen gerade, dass sie Teil eines größeren Ganzen sind, und nicht die Herren der Dinge. Ich hoffe, dass am Ende nicht nur technische und medizinische Fragen gelöst werden, sondern auch die Frage gestellt wird, was das alles für das Miteinander, das Leben und den Glauben bedeutet.“
El Alto – Bolivien
Hipplers Bistums-Kollege Konrad Lisowski aus Koblenz ist seit sechs Jahren Pfarrer in El Alto, der zweitgrößten Stadt Boliviens. Seine Pfarrei umfasst 80.000 Gläubige und ein Gebiet mit Höhenunterschieden von bis zu 1.000 Metern. Normalerweise betreut Lisowski viele Gruppen in seiner Gemeinde – von den Senioren des „Ewigen Frühlings“ bis hin zu den Kommunionkindern oder auch einer Caritasgruppe, die sich um die Ärmsten kümmert.
Seine Jugendgruppe habe für Palmsonntag eigentlich eine große Prozession mit Gitarrenmusik und Palmzweigen geplant – die müsse wegen Corona nun ausfallen. Ähnlich wie in anderen Ländern sei die Ausgangssperre in Bolivien drastisch – zumindest auf dem Papier, berichtet er. So dürfen die Menschen das Haus nur einmal in der Woche verlassen – und zwar nach der Endziffer ihrer Ausweisnummer. Polizei und Militär seien angewiesen, streng zu kontrollieren, es gebe auch Verhaftungen und Bußstrafen von umgerechnet 250 Euro – das entspreche einem guten Monatsgehalt. „Aber ganz ehrlich – hier bei uns im Viertel gibt es nur ein Polizeiauto und ich habe Berichte aus anderen Stadtteilen gesehen, wo es auf dem Markt zuging wie an ganz normalen Wochentagen. Und wir haben zu wenig Tests“, erklärt der Lisowski. Das Leben der Menschen spiele sich viel mehr auf der Straße ab und viele seien nicht so diszipliniert, sich an die strengen Regeln zu halten.
„Wenn nichts mehr geht – Gott geht immer“
Er selbst gehe an seinem „Ausgangstag“ haltbare Nahrung kaufen, wie Reis, Nudeln, Mehr, getrocknete Bohnen und Kartoffeln. „Viele Menschen hier in El Alto leben von den Einnahmen ihrer kleinen Straßenstände. Wenn die wegfallen, haben sie nach ein paar Tagen schlichtweg kein Geld mehr und damit nichts mehr zu essen. Ich bin sicher, dass sie bald auch an meine Tür klopfen werden. Dann will ich vorbereitet sein.“
Und noch eine andere Sorge plagt Lisowski: Das Problem der Gewalt in Familien sei in den ärmeren Vierteln verbreitet; auch Alkoholismus spiele eine Rolle. „Wie auch in anderen Ländern befürchtet man, dass sich solche Tendenzen eher noch verstärken. Und hier war das Problem schon vorher groß.“
Doch er sieht auch Zeichen, dass beispielsweise der Glaube den Menschen hilft. „Polizisten haben aus ihrer Kapelle die Statue der Muttergottes herausgeholt und auf einem Fahrzeug installiert, um damit am Palmsonntag als Zeichen des Segens durch die Stadt zu fahren. Auch viele Menschen aus meiner Gemeinde wenden sich an mich mit der Bitte um ein Gebet.“ Außerdem sei er in mehreren Gruppen über die sozialen Medien mit seinen „Schäfchen“ verbunden und gestalte täglich kleine geistliche Impulse. „Ich habe auch Berichte von Ärzten aus Italien gesehen, die sagten, wir waren Atheisten, aber es hat sich bei uns etwas verändert, wir sind zum Glauben gekommen. Weil es doch etwas ist, was Hoffnung schenkt und Kraft gibt. Wenn nichts mehr geht – Gott geht immer.
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