1984 – Kindergeburtstag. Der heisse Scheiß war damals unter Anderem „Reise nach Jerusalem“, ein Spiel bei dem man zur Musik um einen Stuhlkreis läuft, und beim Erlöschen der Musik muss jeder zulangen um sich einen Stuhl zu ergattern. Und einer bleibt übrig – der Verlierer. Der der keinen Stuhl abbekommen hat. Dann wird ein Stuhl rausgenommen und die ganze Nummer geht von vorn los mit einem Mitspieler weniger. Ich denke mal Sie wissen eh wie es geht.
Gewinnerseite
Ich finde dass dieses Bild recht gut in die heutige Zeit passt. Immer noch versuchen wir dazuzugehören, einen Stuhl zu finden auf dem wir fest sitzen, und immer noch versuchen wir diejenigen zu stigmatisieren die keinen Stuhl haben. Man denkt dass diese bedauerlichen Mitmenschen das „Reise nach Jerusalem“ des Lebens verloren haben. Was nicht ins Raster passt kann nicht gut sein und schon gar nicht auf der Gewinnerseite.
Bequem
Dabei muss ich sagen dass es sich zwischen den Stühlen doch recht bequem sitzt – zwar manchmal einsam, denn letztlich gibt es keinen zweiten der diesen Platz mit einem teilt, jedoch gibt es dafür umso mehr Schnittmengen zu den unterschiedlichsten Sitzplätzen anderer Menschen. Ich wage also mal zu behaupten dass wer zwischen den Stühlen sitzt seinen Hintern an mehr Stühlen gleichzeitig reibt. Genug Stuhlbilder jetzt.
Paradox
Will sagen: müssen wir es denn immer noch seltsam finden wenn Menschen nicht in eine Kategorie passen, wenn ihnen Eigenschaften verschiedener Gruppen anhaften und dies sogar im ersten Moment paradox wirkt, weil diese Gruppen absolut gegensätzlich sind? Solche Menschen fangen in der Regel gleich an sich irgend wie zu titulieren und Gleichgesinnte zu suchen zur Bildung einer neuen Gruppierung – aus lauter Angst davor nicht in eine Schublade zu passen bauen sie eine. Das Resultat sind dann vegan-queere Amish-Hipster-Nazis und vergleichbarer Krempel.
Koexistenz
Seltsam wie sehr wir noch Herdentier sind. Dabei ist Individualismus doch was feines, man muß sich doch nur an die Grundregel der friedlichen Koexistenz mehrerer Meinungen und Lebensmodelle halten. Ich weiß nicht wieso aber wenn ich zurückdenke in meiner bescheidenen Biografie dann spielt dieses „Nicht-Dazu Gehören“ eine große Rolle. Ich war schon immer derjenige, der irgend wie mit allen gut klar kam, und muss mir seit der frühen Jugend bis heute auch viele Vorwürfe anhören weshalb ich eben auch mit Leuten klar komme die man mal nicht so prall findet, weswegen auch immer. Ich glaube das nennt man dann Toleranz – oder ist es Harmoniesucht? Ich weiß es nicht. Wäre auch zu selbstreferenziell das jetzt hier mit mir auszudiskutieren.
Surf and Turf
Ich möchte eigentlich nur eine Lanze brechen für die, die sich in keine Form pressen lassen, die, die in keinem Fanblock mitgrölen können und für die, die sich auch die Argumente der Gegenseite in Ruhe abwägend anhören anstatt sie einfach an sich abprallen zu lassen. Abgrenzung als Zeichen der Zugehörigkeit. Komische Welt in der wir da leben. Wenn jemand „kein Fisch und kein Fleisch ist“ dann gibt es eben Surf and Turf. Wenn jemand es zwischen den Stühlen bequem findet dann ist das doch gut. Ich jedenfalls fühle mich da sau wohl und will dort bleiben!
Euer Senf hierzu interessiert mich natürlich sehr – also kommentiert was das Senfglas hergibt! Mehr Senf von mir gibt es hier!
Mehr Sempf und weitere Themen von Johannes‘ bekommt ihr in seinem Podcast „Discöföx“, in dem er zusammen mit Philipp Godart das Weltgeschehen kommentiert. „Schier sein Podcast“ ist schier gut. Weitere Infos findet ihr zudem auf den Websites der Boys:
Jöhännes www.johanneschier.de
Philipps: www.philippgodart.de
Karin Melchert meint
Da ist was dran an den Worten. Und wenn man etwas weiter philosophiert beim Jerusalemspiel, dann kann man sogar behaupten: Es gäbe noch einen zusätzlichen Platz für einen Neuankömmling, wenn sich alle zwischen die Stühle setzen würden, und einer sich mit einem halben Stuhl begnügt … Viel Spaß beim überlegen 🙂 PS: Ich kenne das Jerusalemspiel übrigens hauptsächlich von Hochzeiten 🙂 🙂