Im Großherzogtum ist die Sprachendebatte ein gängiges Thema, doch seit letztem Sommer hat die Debatte um die „Nationalsprache“ Aufschwung genommen. Wie handhabt das kleine Land diese großen Kommunikationsprobleme?
„En français s’il-vous plaît.“ (Auf Französisch bitte) Ist ein fast rythmischer Satz in der Geschäftswelt der Hauptstadt Luxemburg’s. Wer allerdings glaubt dass der Dienstleistungsbereich, der überwiegend von französisch-sprachigen Arbeitnehmern besetzt ist, alles über die Luxemburger Sprachsituation erklärt, liegt falsch. Herauszufinden in welcher Sprache man in einer Bar in Luxemburg einen Kaffee bestellt ist mitunder kompliziert: Obwohl in der Hauptstadt und im Süden des Landes die meisten Französisch sprechen, muss man sich in den klassischen Irish-Pubs oft auf eine englischsprachige Kundschaft einstellen, und damit zur der zugehörigen Bedienung. Wer an der Mosel oder im Norden des Landes einen Wein genießen will, der wird hingegen öfters auf Luxemburgisch oder Deutsch stoßen. Dabei ist nichts hiervon ein Absolut: Die Mixität der Sprachen in Luxemburg variiert ständig. Es gibt keine Sprachenviertel oder Grenzen, höchstens Präfärenzen.
Kein Grund zur Sorge
Obwohl die Diskussion um die Sprachsituation in Luxemburg – besonders bei einem Ausländer-Anteil von über 40% und abertausenden Pendlern, und im Vergleich zu Belgien – sehr friedlich abläuft, ist sie nicht minder umstritten.
Liebhaber der luxemburger Sprache und Nationalisten finden sich unglücklicherweise auf der selben Seite in ihrer Romantik um die Muttersprache der Luxemburger. Dabei gibt es wenig Grund zur Besorgnis: Im Jahr 2013 fand das luxemburgische Statistikinstitut Statec dass über 70 Prozent der Einwohner Luxemburgisch als Alltagssprache verwenden. Bemerkenswert ist diese Zahl, wenn man den Ausländeranteil dazu betrachtet: Etwa die Hälfte der in Luxemburg lebenden Deutschen sprechen Luxemburgisch in ihrem Alltag. Luxemburgisch ist populärer den je: die Anzahl an luxemburgischen Büchern und Musiker steigt, und die Kenntnis der sehr rezenten Grammatik wird durch freiwillige Projekte wie www.spellchecker.lu verbreitet.
Der luxemburgische Sprachenwissenschaftler Fernand Fehlen, der im Mai dieses Jahres einen 30-seitigen Bericht über die luxemburgische Mehrsprachigkeit veröffentlichte, meint dass die luxemburger Sprache noch einen weiten Entwicklungsweg vor sich hat, doch dass Forderungen nach verwaltungstechnischer Förderung der Sprache nicht helfen. Auch eine Alphabetisierung auf Luxemburgisch hält er für nicht unbedingt sinnvoll.
„Die Politik könnte die Sprachendebatte nicht ausklammern, und der Soziologe [Fernand Fehlen] ist sich sicher dass Sprachen ein Thema bei der nächsten Wahl sein werden.“
Petitions-Ärger
Fehlen spricht damit die neulich entflammte Sprachendiskussion an, die durch zwei Online-Petitionen ausgeslöst wurde. Nachdem eine Petition, die verstärkte Verwendung von Luxemburgisch in der Verwaltung, wie auch die Übersetzung von Gesetzestexten forderte, fast 15 000 Unterschriften bekam, hat eine Gegenpetition die das Konzept von „Luxemburgisch als Amtssprache“ ablehnt, mit über 4 500 Unterschriften die vom Parlament verlangte Grenze für eine öffentliche Debatte mit den Abgeordneten ebenso erreicht. Beide sollen in einer gemeinsamen Sitzung im Januar diskutiert werden.
Trotz allem kann dieses Thema im Großherzogtum mitunter heiß diskutiert werden. Luxemburgs größter Nachrichtensender RTL reagiert auf den eigenen Kommentar bereich mit Sarkasmus:
„Wir haben festgestellt dass der Ton [im Kommentarbereich der Webseite] immer rauer wird… warum eigentlich? Bevor jetzt falsche Schlüsse gezogen werden […], wäre es gut sich zu informieren um „en connaissance de cause“ (im Bild), upps das war jetzt Französisch, zu sein.
[…]
Bitte informieren sie sich und differenzieren sie, und verzichten sie bitte auf unzulässige Verallgemeinerungen und falche Unterstellungen.“
.@marcspautz An et muss och net op Franséisch gesonge ginn. 🙂
Schéine Weekend!— Claude Meisch (@MeischClaude) 2. Dezember 2016
Bildungsminister Claude Meisch reagierte vor kurzem auf Twitter auf eine Stellungnahme des Parteichefs der christlich-sozialen CSV, der den Verlust der Sankt Nikolaus-Tradition in luxemburgischen Schulen beklagte, mit der Richtigstellung dass niemanden Sankt Nikolaus verbieten würde und fügte hinzu: „Außerdem muss auch nicht auf Französisch gesungen werden. Schönes Wochenende!“
Meisch hatte damit auch auf den Vorwurf der christlich-sozialen Opposition geantwortet, dass Reformen im Schulwesen die französische Sprache einen Vorteil verschäfen.
Der politische Konflikt zwischen Traditionalisten und denen die den Status quo verteidigen, spitzt sich also zu.
Konsequenter Dialog
Luxemburg muss weiterhin ein mehrsprachiges Land bleiben, dass es den eigenen Bürger nicht erschwert im Land zu leben. Trotzdem muss sich die politische Klasse mit offeneren Armen auf die Bewegungen, die den Gebrauch der luxemburger Sprache pronieren, zugehen: Herablässigkeit wird nur die Plattform derer stärken die Angst vor der ausländischen Sprachenvielfalt schüren.
Natürlich wäre die Übersetzung aller Gesetzestexte ins Luxemburgische eine Katastrophe und die Verwaltungsumstellung ein bürokratisches Monster, aber diese Erkenntnis ist nicht für alle Luxemburger verständlich. Erst wenn die erste unverständliche Steuererklärung, für die die luxemburger Sprache nicht das Vokabular hat, ins Haus kommt, würden sich die Probleme materialisieren.
Deshalb muss der Dialog nicht nur konstruktiv geführt, sondern auch mit sorgfältiger Beachtung der eventuellen Konsequenzen betrachtet werden.
Bill Wirtz, Luxemburg
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