Das Wintersemester hat offiziell bereits begonnen, die Vorlesungen stehen in den Startlöchern. Wie jedes Jahr etwa Mitte Oktober bietet sich natürlich auch 2010 das wohlbekannte Schauspiel: Hunderte neugierige Erstsemester-Studenten wuseln durch die Gänge, quetschen sich zu Infozwecken in Hörsäle und erkunden den Campus.
„Sehr geehrte Erstsemesterstudierende, im Namen der Universität heiße ich sie herzlich in Trier willkommen.“ So oder so ähnlich klingt es, wenn die Neuankömmlinge in ihrer jeweiligen offiziellen Eröffnungsveranstaltung von Präsident oder Vizepräsident begrüßt werden, wie etwa vergangenen Mittwoch. Nach einem kurzen historischen und geographischen Abriss über Uni, Stadt und Region und einer anschließenden Begrüßungsansprache des Oberbürgermeisters beginnt der Info-Marathon für die Uni-Neulinge. Vorträge des AStA und seiner Referate, der Fachschaften, der Bibliotheksverantwortlichen, des Rechenzentrums und so weiter und so fort. Bei diesem Hagel von neuen Gesichtern, Namen und Abkürzungen (LSF, ZIMK, und TUNIKA sind nur die wichtigsten) erwartet man eigentlich eine recht kurze Aufmerksamkeitsspanne unter den Zuhörern. Doch es scheint ein braver Erstsemester-Jahrgang zu sein diesen Herbst, es herrscht disziplinierte Stille. Vielleicht rührt letztere aber eher von Erschöpfung als von unbändigem Interesse, sieht man sich als „Ersti“ doch unzähligen kleinen und großen Problemchen gegenübergestellt, die es zu lösen gilt.
Lässt man den Blick an diesem Morgen einmal durch das Audimax schweifen, fällt eins auf: Es ist voll, jeder Platz ist besetzt. Und damit sind nicht nur die Sitzplätze, sondern auch „Plätze“ wie die Treppen oder die Foyers vor den Eingangstüren gemeint, viele hocken oder stehen die ganzen eineinhalb Stunden. Zwar ist die Einführungsveranstaltung eine Ausnahmesituation und immer überfüllt, trotzdem kann sie bildlich stehen für das wohl größte Problem, mit dem Erstis in Trier zu kämpfen haben: Platz – im Sinne von Lehrraum- und Wohnungsnot.
Das leidige Problem der Raumnot: wenig Besserung in Sicht
Tags zuvor auf eben diese angesprochen, lässt Lenni Geffert, stellvertretendes koordinierendes Mitglied des Allgemeinen Studierendenausschusses, kurz Co-KoMi des AStA, die nüchternen und ernüchternden Fakten über die Gegenmaßnahmen sprechen. Gegen die akute Wohnungsnot wurde folgendes unternommen: Ein neues Studentenwohnheim auf dem Petrisberg mit einer Kapazität von ca. 200 Plätzen und die geplanten Studentenwohnungen in den alten Kasernen in Trier-West. Klingt nicht schlecht, weil aber mit geschätzten 2500 Studienanfängern mehr junge Leute als sonst nach Trier strömen, denen auch noch steigende Zahlen an „Hängengebliebenen“ gegenüberstehen, tut sich unter dem Strich nichts an der Knappheit. Auch was die Raumnot an der Uni selbst angeht, seien die Gegenmaßnahmen in Form des neu entstehenden N-Gebäudes nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein. „Es ist zwar richtig und gut, dass die Labore für die Biogeographie entstehen und die Büroraumsituation entspannt wird, allerdings ist es abzusehen, dass nur vier neue Seminarräume wenig an der Lehrsituation ändern werden“, meint Geffert. Doch sein Blick reicht über die Wohn- und Lehrraumproblematik hinaus, und zwar auf die Verkehrssituation. Wie jedes Jahr werden extrem überfüllte Busse, nicht nur zu den Stoßzeiten, an der Tagesordnung sein. Weil von den Studierenden überwiegend die Linien 3 und 13 genutzt würden, seien vor allem diese betroffen. Dabei liegt Abhilfe sehr nahe, denn auch mit den Linien 6, 16 und 30 gelangt man, zwar über Olewig, jedoch ohne Zeitverlust zur Haltestelle Uni Süd. Allerdings sind diese Alternativen meist sehr viel schwächer frequentiert.
AStA-Sprecher: Protest-Themen noch aktuell
Auch für solche eher nebensächlichen Probleme war bisher stets der Arbeitskreis Erstsemesterarbeit, kurz AK ESA, der richtige Ansprechpartner. Die speziell auf die Belange der Studienanfänger hinarbeitende Unterorganisation musste jedoch hauptsächlich aufgrund starker Mitgliedereinbußen, die auch mit der Umstellung auf das Bachelor/Master-System im Rahmen des Bologna-Prozesses zu tun haben, aufgegeben werden. Hinzu kam das schwindende Interesse der Erstis an den Angeboten des Arbeitskreises, das dazu führte, dass Mindestteilnehmerzahlen an zum Beispiel Tutoren-Gruppen nicht mehr erreicht wurden und somit die Arbeit des AK immer weniger lohnenswert wurde. Dessen Aufgaben fallen seitdem dem AStA zu, der das Tutoren-Programm trotz des immer stärkeren Informationsflusses über soziale Netzwerke oder generell das Internet weiterführt.
„Es ist einfach wichtig, dass für diejenigen Erstis, die den persönlichen Kontakt suchen und die Uni von einer anderen als der offiziellen Seite kennenlernen wollen, das Angebot da ist“, so Geffert. Rekrutierungsprobleme wie die des ehemaligen AK ESA sieht er beim AStA selbst jedoch nicht. Durch Aktionen wie zum Beispiel die AStA-Ersti-Party, die übrigens auch dieses Jahr wieder stattfindet (am 19. Oktober im Anschluss an die Ersti-Rally ab 21:00 Uhr im Studihaus) oder den gemeinsam mit dem Studierendenwerk angebotenen Service eines Umzugswagens, ist der Ausschuss präsenter bei den Studis als zum Beispiel Gremien wie der Senat oder der Hochschulrat. Eher bei letzteren sieht er Nachwuchsprobleme, weil dort trotz eines Mehraufwandes an Arbeit keine Rücksicht auf die Studienkonten genommen werde. Welcher Bachelor- oder Masterstudent wird in Zukunft noch dazu bereit sein, sich über längere Zeit zu diesem Engagement zu verpflichten, wenn seine Arbeit nicht wie die der AStA-Mitglieder auf den Studienkonten anerkannt wird?
Auf die Frage, für wie wahrscheinlich er das Aufkommen erneuter Proteste im Verlauf dieses Semesters hält, wagt jedoch selbst Insider Geffert keine Prognose: „Wenn, dann muss dies aus der Studierendenschaft selbst passieren, die Kapazitäten des AStA bezüglich des Protest-Engagements sind erschöpft. Zu Beginn waren wir zwar präsent, werden uns aber zukünftig nur noch unterstützend für den neu entstandenen AK Protest betätigen.“ Theoretisch wäre das Aufkommen erneuter Proteste logisch, denn an den Problemlagen habe sich wenig geändert. Zwar sei es positiv, dass an runden Tischen Gespräche geführt wurden, das sei aber schon fast das einzig Gute daran, weil die erarbeiteten Konzepte von den Dekanaten nicht umgesetzt würden. Im Endeffekt bleibe also alles beim Alten.
Beim erstbesten Wohnungsangebot zugeschlagen
Fragt man die Studienanfänger auf der vom AStA organisierten Informationsbörse „Markt der Möglichkeiten“ im Foyer des A/B-Gebäudes selbst, können das Wohnungsunterangebot alle bestätigen. Auch Ersti Steffen hatte große Probleme, überhaupt Angebote zu finden. Deshalb hat er sich gleich nach der ersten Besichtigung für seine Wohnung entschieden. Die sprichwörtliche „Qual der Wahl“ zu haben wäre in Trier ein Luxusproblem, wenn denn jemand sie hätte. Die Uni gefällt Steffen jedoch anders als die Wohnungssuche gut, auch „wenn das alles erstmal groß ist und etwas verwirrend“. Hannah hingegen, die aus dem Raum Stuttgart stammt, sieht das nicht so: „Im Vergleich zu Unis wie Heidelberg oder Ulm ist die Trierer Uni ja überschaubar, noch lange verlaufen werde ich mich hier wohl nicht.“ Sie und ihre drei Neu-Kommilitoninnen haben sich jeweils 13- bis sage und schreibe 28-mal meist erfolglos um eine Wohnung beworben. Hört man diese Zahlen, wird einem klar, wie viele Absagen wohl diejenigen hinnehmen mussten, die das von AStA und der Stadt Trier in Kooperation angebotene „Couch-Surfing“-Projekt (E. Sarnelli berichtete für 5vier.de) in Anspruch nehmen.
Danach gefragt, aus welchen Gründen sich die Studienanfängerinnen für Trier entschieden haben, sind es immer noch vor allem die niedrigen oder nicht vorhandenen Zulassungsbeschränkungen. So gab es aus Trier für Margit, die nun ihr Pädagogikstudium beginnen wird, die einzige Zusage aus 20 Bewerbungen. Balsam auf die Trierer Seele, dass immerhin Yetta angibt, es seien vor allem die Landschaft, die schöne Stadt und das Studienangebot, welche sie hierher gelockt haben. Die günstige Lage in Grenznähe zu schätzen weiß auch Ann-Kathrin aus Dortmund, die ebenfalls neben Trier nur eine weitere Zusage für einen Studienplatz bekommen hat.
Bildnachweis: Stefan Herber, Fotos der Redaktion
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