Ein verbrannter Pornostar ohne Penis, eine schizophrene Bildhauerin mit den Erinnerungen einer mittelalterlichen Nonne, eine Liebesgeschichte wie Sie sie noch nie gelesen haben: Gargoyle von Andrew Davidson.
Er ist nicht unbedingt ein sympathischer Typ, die Hauptfigur dieses Buches. Er fährt betrunken und unter Drogen auf eine nächtlichen Landstraße, ein LKW kommt ihm entgegen und aufgrund der blendenden Scheinwerfer und dem Einfluss der Drogen kommt er von der Straße ab. Er landet auf einer Wiese, erleidet schwere Verletzungen überlebt den Unfall aber. Doch dann bricht ein Feuer aus. Und er ist in seinem Wagen eingeklemmt.
Wie der Teufel so will, überlebt er auch das und wird in ein Krankenhaus zur Rekonvaleszens eingeliefert. Bis zur Unkenntlichkeit verbrannt und um ein entscheidendes männliches Detail beraubt, schmiedet er Suizidpläne. Bis eines Tages eine ebenso anziehende wie durchgeknallte Frau an seinem Bett steht, Marianne Engel heißt sie, ist eine ehemalige Patientin der Psychiatrie und felsenfest davon überzeugt, dass er und sie bereits im Mittelalter ein Paar waren. Er damals ein bezahlter Söldner und sie eine Nonne.
Gargoyle ist ein hypnotisches Buch, dass man erst nach einigen 100 Seiten wieder aus der Hand legen kann. Wer einmal dem schroffen Charme dieses Meisterwerkes erlegen ist, kann für die nächsten paar Tage alle Termine absagen um sich ganz diesem fast 600 Seiten starken Werk zu widmen. Erstklassig geschrieben, mal poetisch mal pornographisch, erzählt es eine Geschichte, die zwar viel Schmalzpotential hat, aber niemals ins Schnulzige abrutscht. Vor zu viel Liebesroman-Charakter, bewahrt allerdings die medizinische Leidengeschichte der Hauptperson. Kühl und distanziert erklärt und beschreibt er seinen verbrannten körperlichen Zustand und die etlichen medizinischen Behandlungen, die er über Monate über sich ergehen lassen muss. Dabei müssen Leser mit einem schwachen Magen aber keinerlei Angst vor zuviel grauen- und übelkeiterregenden Beschreibungen haben. Autor Andrew Davidson hat hier einen Stil gefunden, der zugleich cool ist und eine sogartige Faszination auf den Leser ausübt.
Andrew Davidson, gebürtiger Kanadier, studierte Literatur an der University of British Columbia und lebte mehrere Jahre in Japan. Er schrieb dort abends, um sich zu Zeit zu vertreiben. Gargoyle ist sein Erstlingswerk und schoss direkt in die Bestsellerlisten. Schon vor seiner eigentlichen Veröffentlichung war es ein heißbegehrtes neues Werk und wurde mit Spannung erwartet. Erstveröffentlicht wurde es bereits 2008 und kam 2009 nach Deutschland und begeisterte auch hier die (Leser-)Massen. Doch woran liegt diese Begeisterung? Die Mischung machts. Gargoyle ist sowohl grausam als auch befreiend, sowohl Liebes- als auch Abenteuer- als auch Historienroman. Die Hauptfiguren sind zweifelsohne keine Helden und der Leser wird oftmals auf seine eigenen Gefühle bezüglich ihnen zurückgestoßen. So kann man den armen, verbrannten, seines Penis‘ beraubten Pornodarsteller als Hauptperson kaum Mitleid in seiner schrecklichen Lage entgegenbringen. Hätte er doch nicht unbedingt die Ecstasy- Tabletten mit dem Whiskey beim Autofahren herunterspülen müssen. Insgesamt hat man es hier mit einem faszinierenden und fesselnden Werk zu tun, von dem man kaum glauben kann, dass es mal eben so auf dem heimischen Sofa von einem Erstlingsautor verfasst wurde. Bleibt nur zu hoffen, dass wir noch einiges von Andrew Davidson hören und vor allem lesen werden.
„Gargoyle“ erschien in Deutschland beim Bloomsbury Berlin Verlag, hat in der gebundenen Ausgabe 576 Seiten und ist für 11,95 € zu haben. Die ISBN- Nummer lautet: ISBN- 13: 9783827007827
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