Marteria ist es gewohnt vor zigtausenden Menschen zu spielen. Doch auf der aktuellen Tournee „Roswell“ suchte der Rapper die kleineren Ambiente aus, darunter den Atelier in Luxemburg. Mit einer Menge Leidenschaft zieht er das Publikum dabei in seinen Bann und auf die Bühne. So nahbar wie gestern erlebt man Stars nur noch selten, es war ein einziges Geben und Nehmen, das sowohl für die Musiker als auch für die Zuschauer ein unvergessliches Erlebnis bleiben wird.
Luxemburg. Das Konzert ist schon seit langer Zeit ausverkauft, es gibt keine Abendkasse. Trotzdem sammeln sich schon deutlich vor dem Einlass viele Menschen vor den Atelier, sie können es kaum abwarten vor der Bühne zu stehen.
Von dort aus lauschen sie zunächst dem Rapper 3Plusss, der einen sehr ordentlichen Auftritt hinlegt. Mit seiner prägnanten, fast schrillen Stimme performt er eine halbe Stunde seine Songs, vor allem am Ende weiß er zu überzeugen. Allerdings wirken sein Stil und seine Themen insgesamt etwas zu distanziert zu den Menschen, die ausschließlich wegen Marteria gekommen sind, um die komplette Masse anzuheizen. Das soll ihm dann noch zwei Stunden später zusammen mit dem Haupt-Act des Abends vollends gelingen. Auf eine Analogie zwischen seinem Namen und der Bewertung seines Auftritts verzichten wir an dieser Stelle.
Kurz nach neun hat dann das Warten ein Ende. Frisch die Seiten geschoren und mit kaputten T-Shirt, betritt Marteria die Bühne und startet mit „Roswell“, dem Lied, das Namensgeber der Tour und des Albums ist. Von Sekunde Eins an sieht man dem viel Umjubelten die Freude und den Enthusiasmus im Gesicht an, seine Energie steckt jeden an. Ob sein Outfit unbedingt im Sinne seiner Mutter ist darf bezweifelt werden, doch es zeigt, da ist einer von uns. Obwohl er auf und nicht vor der Bühne steht, entsteht keine Distanz zu seinem Publikum.
Immer wieder ruft er dazu auf, „alle Hände hoch“ zu werfen, was von den meisten auch umgesetzt wird. Wenn es an diesem Abend etwas zu mäkeln gibt, dann dass Marteria bei diesen Aufforderungen gerne etwas mehr Variation hätte einbauen können. Doch letztlich erfüllt das Mittel den erwünschten Zweck.
Die Ich-bin-einer-von-euch-Attitüde trägt merkwürdige Blüten, die neben seiner Montur wohl auch nicht in Gänze Mamas Stolz erwecken würde. So packt er sich spontan einen Minderjährigen, ordnungsgemäß ausgestattet mit Hörschutz, auf seine Schultern – das was 999 Menschen wohl genossen hätten, schien den jungen Herren etwas zu überfordern. Oder die verhaltensauffällige blonde Dame, die es mit Grenzeinhaltungen nicht so hat, wird von Marteria mit nach vorne geholt, um sie vor Ärger mit den Securities zu bewahren. Reinschmeißer statt Rausschmeißer. Pädagogisch fragwürdig…
„Macht die Handys weg, das ist ein Marteria-Konzert!“
Damit besagte Frau nicht alleine die Frauenquote erfüllen muss, ruft der Rostocker seine „Marteria Girls“ zum entsprechenden Lied dazu auf, Huckepack zur Bühne gebracht zu werden, was auch zahlreich genutzt wird. Danach wird der erste Teil der Stagediving-Session eingeleitet, weil die große Gruppe gefälligst zurückspringen und nicht gehen soll, die später mit einem Sprung von Marteria höchstselbst von der „Tribüne“ und einer crowdsurfenden Rundtour endet. Da ist er schon wieder, der Reinschmeißer.
Zwischen diesen Mengenbädern passiert noch viel: Paul Ripke, Starfotograf und eine Art Maskottchen des Abends, wird der Streiche-Sonntag zum Verhängnis, als er selber zum Mikro greift, das dann erstmal heimlich ausgeschaltet wird. Zur Mitte des Konzertes erscheint dann natürlich auch das Alter Ego Marsimoto, der dauerkiffende Marsianer, der teilweise wegen der symbolischen Nebelwolke nicht mehr zu sehen ist. Die Vorbildfunktion vor den gar nicht so wenigen U16-jährigen steht nicht im Vordergrund. Und das ist auch gut so.
Schwarze Pädagogik ist Vergangenheit, hier regiert die Grüne Pädagogik.
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