Von Monika Pradelok (Text und Fotos)
Am Freitag, 29. November, lud Laas Koehler zur offiziellen Eröffnung seiner Sonderausstellung “Polaroids – London/Trier/Berlin/Leer/+++ – Eine Retroperspektive” in der TUFA ein. Sie ist Teil der 28. Jahresausstellung der Kulturwerkstadt Trier, in der er „40 Jahre Leben und 20 Jahre Kunstschaffen“ feiert. Der Clou an der ganzen Sache: Die Fotos entstanden mit abgelaufenen Filmen, die mit ihrer Unschärfe und Blässe an Aufnahmen aus den 70er Jahren erinnern. 5vier-Mitarbeiterin Monika Pradelok traf sich mit ihm zum Gespräch.
400 Polaroids, 4 Städte, ein Mann. Laas Koehler (40) ist ein unkonventioneller und experimentierfreudiger Konzeptkünstler, dessen Werke zum Nachdenken animieren sollen. „Die Leute sollen sich in meiner Ausstellung genügend Zeit nehmen, um sich mit den Bildern auseinanderzusetzen und zu überlegen, was ich mir dabei gedacht haben könnte.“ Koehler ist sich sicher, dass sich der ein oder andere fragen wird, wann die verschiedenen Aufnahme zustande kamen: „Einige Bilder sehen aus wie aus den 50ern“, erklärt er und fängt an zu grinsen. „Da war ich aber noch gar nicht geboren.“
Der 40-Jährige spielt bewusst mit seinen Bildern – und seiner Wortwahl. Die Sonderschau trägt bewusst den Untertitel “Eine Retroperspektive” – was ein gewolltes Wortspiel des Künstlers ist. Denn während eine Retrospektive ein rückwärtig gewandter Blick ist, hat er mittels des Mediums seiner Wahl einen Blick aus dem Gestern in das Jetzt geschaffen. Koehler verwendet für seine Fotos abgelaufene Filme, Filme aus der Vergangenheit, mit denen er Szenen unserer heutigen Zeit eingefangen hat. Das Alter verleiht den Aufnahmen einen falschen Glanz von Verflossenem, welcher bei den Besuchern Erinnerungen an die eigenen ersten Erfahrungen mit Sofortbildkameras und damit Geschehnissen aus deren Vergangenheit hervorruft – wiederum eine Retrospektive. Wie gesagt: ein Wortspiel, eine gewollte Verwirrung.
Momente in Erinnerung behalten
Zur offiziellen Eröffnung seiner Ausstellung sorgte auch sein einfallsreicher Empfang für ein wenig Irritation, wie er verriet: „Jeder Besucher bekam zur Begrüßung eine Polaroid-Kamera umgehängt.“ Die Geste sollte an die Blumenbegrüßung in Hawaii erinnern. „Viele waren jedoch verdutzt und konnten mit den Kameras nichts anfangen“, schmunzelt Koehler. Der Sinn hinter der ganzen Sache? Die Gäste sollten eine Beziehung zu der Kamera sowie ihrer Technick aufbauen, um empfänglicher für die fotografischen Erzeugnisse des Künstlers zu werden.
So verbirgt sich neben all dem Humor und Spielerischem eine kreative Ernsthaftigkeit, die zum Reflektieren anregt.
Die Idee zu dem Ganzen kam ihm, als er sich in eine alte Image 2-Kamera verliebt hat und mit dieser „einfach loslegte“. Für Koehler sind 40 Jahre eine lange und ereignisreiche Zeit, in der er auf vieles zurückblicken kann. Vor allem, wenn man die Hälfte dieser Zeit als Künstler unterwegs gewesen ist. Und wie könnte man die diversen Lebensabschnitte besser dokumentieren, als mit einer Polaroid-Kamera – einem Relikt der Vergangenheit? „Die Menschen gehen in der Bilderflut der heutigen Digitalfotografie unter“, erklärt er. Wenn man früher mit einer Polaroid-Kamera Aufnahmen machte, verschoss man vier bis acht Fotos, auf die man mit Spannung wartete, erinnert sich Koehler. Damals nahm man sich noch die Zeit und „erlebte“ das Bild. Diesen Moment will er den Besuchern mit auf den Weg geben und sie ein Teil seiner Erinnerung werden lassen. Denn der in Berlin geborene Künstler sucht mit seinen Werken den Dialog zur Außenwelt. “Polaroids” ist eine Einladung an die Besucher, in seine Geschichte einzutauchen. Zu einigen ausgewählten Polaroids hat Koehler sogar eine kleine Übersicht – “Polaroids von A bis Z” – mit persönlichen Anekdoten zusammengestellt, so dass man einen Leitfaden durch die Ausstellung erhält. Wer auf den Text verzichten möchte, kann dies natürlich tun und die Bilder einfach auf sich wirken lassen.
Abstand nehmen
So wird man unter anderem Zeuge von kuriosen Begegnungen am Rosenmontag (Trier), nostalgischen Erinnerungen an die erste Wohnung (Berlin), kulinarischen Empfehlungen (London) und dem Tatendrang einer alten Dame (Leer), die noch mit 89 Jahren selber Holz hackt. „Ich habe zu diesen vier Städten einen ganz persönlichen Bezug“, erläutert Koehler und zählt auf: In Berlin sei er geboren und aufgewachsen, zog im Jahr 2007 in seine Wahlheimat Trier. Von hier aus pendelt er gelegentlich zu seiner Familie im niedersächsischen Leer und hat 2011 London für sich entdeckt.
Die Widersprüche zwischen diesen Orten könnten nicht größer sein: Auf der einen Seite zwei laute und pulsierende Großstädte und auf der Anderen stehen mit Leer und Trier zwei Kleinstädte, die gemütlich und etwas ruhiger sind. Gegensätze, die sich ausschließen? Nicht für Laas Koehler. Mit seinen Bildern versucht er, Parallelen herzustellen: „Dieses Bild wurde zwar in Leer aufgenommen, aber wer sagt dir, dass es nicht auch eine Brücke in London sein kann?“
Auch in puncto Wahrnehmung testet er seine Besucher. Einige Bilder setzen nämlich voraus, dass man sie aufgrund ihrer Unschärfe aus nächster Nähe betrachtet, um dann mit etwas mehr Abstand die Zusammenhänge zu erkennen. So wird das Verschwommene allmählich sichtbar.
Die Ausstellung endet am 22. Dezember und ist im zweiten Obergeschoss der TUFA vorzufinden.
Alle Polaroid-Kameras – 200 Stück an der Zahl – wurden für Laas Koehler vom Berliner Laden sofortbild-shop gesammelt.
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Aufruf: Von wem ist dieses Foto?
Bei seinem abendlichen Rundgang fiel Laas Koehler ein Foto auf, das sich in die Reihen seiner Werke eingeschleust hat. „Das ist absolut genial! Ganz hinten in der Ecke fand ich dieses Bild.“
Der Künstler ist von dem Bild vollkommen entzückt, vor allem weil es sich nahtlos in seine Sammlung eingliedert. „Ich möchte den Besitzer gerne kennenlernen und ihm auf dem Weihnachtsmarkt einen Kaffee spendieren.“
Wer Hinweise auf den Besitzer des Fotos geben kann, meldet sich bitte bei uns oder direkt beim Künstler: [email protected]
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