Er schreibt gerade an seiner Bachelor Arbeit und steckt mitten im Anmeldeverfahren für die Universität in München. Hier will er im nächsten Semester sein Masterstudium beginnen. Für einen Studenten der Uni Trier klingt das nicht besonders außergewöhnlich. Aber Rogelio Balcázar kommt aus Mexiko. In den letzten Jahren hat er die deutsche Kultur aus der Sicht des Außenstehenden wahrgenommen. Sein Fazit: Deutsche nehmen alles viel ernster, sogar das Feiern!
„Ich hatte schon fast mein gesamtes Grundstudium an der Universidad del Valle de México gemacht, als ich mich kurz vor dem Abschluss für ein Auslandsemester entschied“, erzählt er. Da er etwas Neues erleben, eine neue Kultur kennen lernen wollte, entschied er sich nicht wie die meisten für die USA, sondern für Europa. So landete der International Business Student aus Mexico City auf Anraten eines Freundes vor zwei Jahren im beschaulichen Trier.
In einem multikulturellen Wohnheim wohnt er jetzt mit Menschen aus über dreißig verschiedenen Ländern zusammen, darunter auch sein Freund, der im zu Trier geraten hatte, er ist schon ein Semester länger hier. „Vor allem die vielen verschieden Sprachen und Charaktere die hier aufeinander treffen, finde ich interessant“, meint Rogelio. Das Studium in Trier ist sein erster Auslandsaufenthalt. Das sei schon eine ziemliche Herausforderung gewesen, vor allem weil er ja anfangs kein Wort Deutsch konnte. Trotzdem hat es dem 23-jährigen in der ältesten Stadt Deutschlands so gut gefallen, dass er länger als geplant blieb. „Vor allem die Jahreszeiten bei euch sind viel schöner als bei uns. In Mexiko sieht es fast das ganze Jahr gleich aus. Der Herbst in Trier gefällt mir besonders gut!“
Alles wird vorausgeplant, sogar Partys
Leben in einer anderen Kultur – da musste Rogelio sich ganz schön umgewöhnen. „Deutsche haben andere Angewohnheiten und andere Umgangsformen als Mexikaner, die musste ich erstmal verstehen.“ Aufgefallen sei ihm, dass in Deutschland alles viel ernster genommen und viel genauer geplant wird. „Wenn ihr eine Party organisiert, schreibt ihr nicht nur auf die Einladungen, wann die Gäste kommen sollen, sondern auch wann die Party enden soll. Das finde ich komisch, so was kann man doch nicht planen.“
In eine lustige Situation sei er auch in der Anfangszeit gekommen, als ihm die ersten Deutschen vorgestellt wurden. „Bei uns küsst man sich zur Begrüßung auf die Wange, auch wenn man die andere Person zum ersten Mal sieht!“ Dass das in Deutschland anders ist, habe er an dem leicht irritierten Gesichtsausdruck des anderen gemerkt. Generell seien Deutsche im Umgang mit fremden Leuten eher kühl „Dafür seid ihr aber sehr warmherzig zu den Menschen die euch nahe stehen“, findet der Mexikaner.
Die Unterschiede in der Kommunikation hat der Student vor allem im Dialog mit seinen Freunden und Professoren kennen gelernt, was für ihn eine große Hilfe bei der Anpassung an die deutsche Kultur war. Aber komplett deutsch werden, will Rogelio nicht: „Ich finde man sollte sich das Beste aus jeder Kultur raussuchen und es übernehmen aber seine Wurzeln dabei nicht vergessen.“
„In Mexiko haben die meisten Lehrenden selbst nicht mehr als einen Bachelor-Abschluss“
Ein weiterer Unterschied: das Bildungssystem. Mit einem deutschen Studienabschluss, so der Student, hat man in Mexiko viel bessere Berufschancen. „In meinem Land lebt ungefähr die Hälfte der Bevölkerung in Armut, da können sich viele Bildung einfach nicht leisten. Ich hatte ziemliches Glück!“ erklärt Rogelio. „In Deutschland wird Bildung als ein sehr hohes Gut angesehen, der Staat unterstützt die Studenten. Ich bezahle zu Hause ungefähr so viel für ein Semester wie ihr für euer ganzes Studium.“ Außerdem seien die Universitäten hier technisch viel besser ausgestattet und die Dozenten besser ausgebildet. „Ihr werdet hier meist von Doktoren oder Professoren unterrichtet. In Mexiko haben die meisten Lehrenden selbst nicht mehr als einen Bachelor- Abschluss.“
Neben der Bildung gebe es auch noch andere Probleme. „Mexiko ist ein Entwicklungsland. Es wird da noch an mehreren Problemen gearbeitet!“, meint der junge Mann. Eines der größten Probleme sei die Korruption. In der mexikanischen Kultur würden Regeln sowieso nicht so ernst genommen wie in der deutschen, die Korruption unterstütze das noch. Bestes Beispiel: der Straßenverkehr. „Da die öffentlichen Verkehrsmittel in Mexiko City eher schlecht ausgebildet sind, braucht man bei uns ein Auto.“ Den Führerschein macht man in Mexiko mit 15 Jahren, ohne Fahrschule, für ca. 15 Euro. Anschließend darf man bis man bis zum 18. Lebensjahr nur in Begleitung eines Erwachsenen fahren. „Aber da hält sich bei uns keiner dran. Polizisten werden bei uns nicht so gut ausgebildet und bezahlt wie in Deutschland, die geben einem dann den Führerschein auch gegen Geld direkt wieder!“
Führerschein ohne Fahrschule – die Folge sei ein gefährlicher Fahrstil. „In Deutschland kann man einen Zebrastreifen ohne größere Bedenken überqueren, fast ohne sich umzugucken – die Autofahrer beachten die Regeln und halten an. Das ist in Mexiko zu gefährlich. Wenn man jemanden überholen will, setzt man hier einfach einen Blinker und irgendwer lässt einen dann rein. Das würde in Mexiko ganz sicher zu einem Unfall führen.“ Diese Einstellung zu Regeln im Allgemeinen ist wohl bezeichnend für die mexikanische Mentalität. „Ich glaube man hält sich bei uns nicht an Regeln, weil man weiß, dass man sie umgehen kann.“
„Trier ist meine Stadt geworden“
Die Zeit in Deutschland hat der 23-jährige bis jetzt eher weniger mit Deutsch lernen verbracht. „Ich bereue es zwar ein bisschen, dass ich nicht mehr Zeit in die Sprache investiert habe, aber mir war es wichtig viel zu sehen und zu erleben. Außerdem kann man in Deutschland auch gut zurechtkommen ohne Deutsch zu sprechen.“
Das viele Reisen und die Tatsache, dass es so weit von zu Hause selbstständig leben musste, haben dem Studenten vor allem die Angst vor dem Ungewissen genommen. „Wenn man so einen großen Schritt macht, muss man manchmal einfach mutig sein. Das war anfangs nicht leicht, aber mittlerweile ist Trier meine Stadt und ich werde sie vermissen!“
Lizenz und Bildnachweis: Bild Rogelio Balcázar, Text von Giuliana Thomanek:
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