Mario Klinger will nach langer Verletzungspause die Defensive von Eintracht Trier verstärken. 5vier sprach im Trainingslager mit dem 25-Jährigen, dessen Vater Dietmar Zeitzeuge eines historischen Fußballspiels ist.
Es kommt nicht selten vor, dass Mario Klinger eine DVD aus dem Regal zieht und sich dort das „Wunder von der Grotenburg“ ansieht. Das sensationelle 7:3 von Bayer Uerdingen aus dem Jahre 1986 gegen Dynamo Dresden hat es dem Neuzugang von Eintracht Trier angetan. Mit 0:2 waren die Krefelder im UEFA-Cup-Hinspiel unterlegen, rannten daheim einem 1:3-Rückstand hinterher und vollbrachten die wohl spektakulärste Aufholjagd der Fußball-Geschichte. Für Klinger sind die 90 Minuten aber nicht nur ein Vergnügen als Fan oder weil sie in seinem Geburtsjahr ausgetragen wurden. Weil sein Papa Dietmar damals für Uerdingen spielte, hat er oft die Erzählungen zu dem Wunder gehört. „Das Spiel zeigt einem, was im Fußball möglich ist und dass man niemals aufgeben sollte“, sagt Klinger. Niemals aufgeben, das ist auch das Ziel, mit dem der sympathische 25-Jährige in sein neues Abenteuer an der Mosel geht.
Denn die vergangenen Monate waren für den Defensivspezialisten alles andere als einfach. Bei Rot-Weiß Oberhausen fiel er im letzten halben Jahr mit einer Entzündung im Knie aus. Tatenlos musste er zusehen, wie seine Mannschaftskollegen den Klassenerhalt in der 3. Liga verpassten. „Mit einem Verein abzusteigen, ohne mitwirken zu können, ist besonders bitter.“ Er stand vor einem Scherbenhaufen – angeschlagen, vertragslos, die sportlichen Ziele verpasst. „Da interessiert es keinen, dass man schon in der 2. Bundesliga gespielt hat. Das ist vergänglich.“
Spezial-Einheiten mit einem Fitnesstrainer
Nun blickt er nach vorne. „Ich bin wieder schmerzfrei“, freut sich der ehrgeizige Klinger über den gesundheitlichen Fortschritt. „Für mich geht es darum, meinen alten Level zu erreichen und durch Spiele wieder in den gewohnten Rhythmus zu kommen.“ Zeit, das betont er, werde er brauchen. Aber wo andere Fußballer im Urlaub an die Strände reisten, da schuftete Klinger hart an seiner Rückkehr. „Ich habe mit einem Fitnesstrainer vier, fünf Wochen gearbeitet, um bei einem neuen Verein in der Verfassung zu sein, sofort mit trainieren zu können.“ In der alten Form ist er noch nicht. „Zweikämpfe konnte ich alleine ja nicht simulieren“, lächelt der Essener.
Die Entscheidung für einen Umzug nach Trier fiel nach einem Gespräch mit Roland Seitz. „Er hat mir stark vermittelt, dass er mich haben möchte. Für mich ist es wichtig, einen Trainer zu haben, der mir vertraut und mich schätzt.“ Das sei auch eine Erkenntnis, die er in seiner Karriere bereits gesammelt habe. Bei Schalke 04 durchlief der Junge aus dem Ruhrgebiet die Jugend, wurde 2005 von Ralf Rangnick in den Bundesligakader befördert und gewann den Ligapokal. „Ich stand in der Champions-League im Kader, als es nach Istanbul ging“, sind Erlebnisse, an die er sich gerne erinnert. Dann rissen ihm im Sprunggelenk alle Bänder. Als Klinger wieder fit angreifen wollte, war sein Mentor Rangnick entlassen – und die Tür nach oben plötzlich zu.
Frustrierend war für ihn die Zeit in Kaiserslautern, wo es ihn 2008 nach starken Jahren bei Hessen Kassel und Rot-Weiss Essen hinzog. Manager Stefan Kuntz wollte ihn damals unbedingt verpflichten. „Nur Trainer Milan Sasic war so ein Typ, bei dem du keine Rolle spielst, wenn er dich nicht haben will. Das war bei mir leider der Fall.“ Statt Auftritten am Betzenberg kickte Klinger nur in der Regionalliga-Reserve. Dort spielte er im ungewohnten offensiven Mittelfeld – und empfahl sich mit zehn Saisontoren in 22 Spielen für einen Wechsel in die 2. Bundesliga zu Oberhausen, wo er Leistungsträger war. „Die Menschlichkeit muss stimmen, damit man seine Leistung bringt“, ist ein wichtiges Argument für den Hobby-Billardspieler. Ein anderes: „Wichtig ist nicht, gute Einzelspieler zu haben, sondern als Mannschaft zu funktionieren.“
„Ich habe keinen Druck von zu Hause bekommen“
Daher will er über die Ziele mit Trier noch nicht reden, erst seit einer Woche ist er bei dem Team. Mit dem Einstand ist er zufrieden. „Ich wurde gut aufgenommen“, sagt Klinger, der Chhunly Pagenburg aus gemeinsamen Lehrgängen bei der Jugend-Nationalmannschaft kannte. Und Durchsetzungsvermögen bringt der neue Mann auch mit, spätestens, seit er von Papa Dietmar („Für mich ist er mit seiner Persönlichkeit mein größtes Vorbild“) als Kind beim PSV Essen trainiert wurde. „Ich habe nie Druck von zu Hause bekommen, bei mir hat sich im Fußball alles über Spaß entwickelt“, betont er. „Im Verein wollte er mich zum Glück aber nicht bevorzugen, damit keine Eifersucht bei den Mitspielern aufkommt. So habe ich mir früh allein über Leistung meinen Platz erkämpft.“
Das will Klinger auch in Trier schaffen – und wieder den Sprung in höhere Gefilde. Was im Fußball alles möglich ist, das hat ihm sein Vater ja schon oft genug erzählen können.
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