Am vergangenen Samstag feierte das Theaterstück „Keinohrhasen“ Premiere im Theater Trier. Ja richtig gehört, das Theaterstück „Keinohrhasen“, welches sich am gleichnamigen Film orientiert. Michael Ophelders führte Regie, in den Hauptrollen sieht man Tim Olrik Stöneberg und Alina Wolff.
Ludo liebt Anna. Aber das muss er selbst erstmal rausfinden, denn der knallharte Journalist hat eigentlich so gar nichts gemein mit der spröden Kindergärtnerin. Zudem kennen sich die beiden noch aus Kindertagen und Anna hegt wenig positive Erinnerungen an ihre Begegnungen. Als er wegen einer frechen Paparazziaktion zu 300 sozialen Stunden in einem städtischen Kinderhort verknackt wird, landet er ausgerechnet bei Anna, die sich nun nach Herzenslust für die Quälereien in der Kindheit rächen kann. Bis sich zwischen den beiden eine Freunschaft entwickelt. Und schließlich Liebe.
Die Story kennt seit Til Schweigers preisgekröntem Film jeder, er füllte die Kinosäle mit lachenden Zuschauern, die Augen mit Tränen und das Herz mit einer schönen rührseligen Romantikwelle. In einem Berliner Theater versuchte man erstmalig die Geschichte mit vier Darstellern auf die Bühne zu bringen. Vier Darsteller? Klingt ein bisschen eng besetzt. Tatsächlich müssen sich zwei der vier Darsteller, nämlich die die nicht Ludo und Anna spielen, alle anderen Rollen teilen. So entsteht ein wildes hin- und herspringen, ständig gibt es Umbauten und Kostümwechsel. So bleibt die Geschichte dort in Bewegung, wo sonst die Kamera für Szenenwechsel gesorgt hätte.
Im Theater Trier hat man auf sechs statt vier Darsteller aufgerüstet, mit von der Partie sind neben den beiden Hauptdarstellern Tim Olrik Stöneberg und Neuzugang Alina Wolff, Christian Miedreich, Vanessa Daun, Barbara Ullmann und Manfred-Paul Hänig. Aber wie darf man sich einen Kinofilm auf der Bühne vorstellen?
Eine Kinofilm auf der Bühne?
Der Einstieg machts: Es beginnt alles mit dem Abspann. Der läuft über den Vorhang während dieser gezogen wird und eine Gruppe von sechs Kollegen enthüllt, die sich gerade den Film „Keinohrhasen“ von Til Schweiger angeschaut haben. Spontan entsteht die Idee die erste Szene nachzuspielen und schnell macht man mit allen anderen weiter. So springen die Darsteller von einer Szene in die nächste, ständig wird um-, ab- und aufgebaut, sich umgezogen und Perücken aufgesetzt um als jemand völlig neues zu erscheinen.
Dabei muss man der Wandlungsfähigkeit der Schauspieler viel Lob zusprechen, besonders Barbara Ullmann und Vanessa Daun schaffen es ihren Rollen Leben und Charakter einzuhauchen. Manfred-Paul Hänig überzeugt besonders als quengliger Neffe Lollo und Clown Bello. Christian Miedreich, dessen größte Rolle die von Ludos Kollegen Moritz ist, überzeugt eher in den kleineren Rollen. Als Moritz bleibt er leider etwas flach und weiß seine Rolle nicht recht mit Charisma zu füllen. Dies gelingt ihm umso besser in seinen Partien als Anwalt, Pförtner oder als Kindergartenkind Sascha.
Fliegende Rollenwechsel
Die beiden Hauptdarsteller Stöneberg und Wolff schlagen sich mal besser mal schlechter. Sollte sich das Stück doch am Film orientieren, läuft die Darstellung manchmal etwas daneben. Vor allem Neuling Alina Wolff, die frisch von der Schauspielschule kommt, ist oft übermotiviert und spielt sich mit ausladenden Bewegungen ins Abseits. Da wäre weniger mehr gewesen. Kleine, gezielte Gesten hätten ihrem Spiel mehr Natürlichkeit verliehen.
Im Film beliebte Stellen wie Annas Wutausbruch im Krankenhaus, zerfährt sie sich selbst durch zu viele unnötige Bewegungen und allzu starke Textfixiertheit. Besonders nach der Pause drehte die junge Schauspielerin noch einmal richtig auf. Dennoch erkennt man ein Potential bei ihr, was sich nach etwas mehr Bühnenerfahrung hoffentlich routinerter zeigen wird.
Vielleicht war es keine gute Idee einem Theaterfrischling, der gerade erst mit seiner Ausbildung fertig ist direkt eine Hauptrolle zu geben. Immerhin handelt es sich bei Keinohrhasen um ein Bühnenexperiment und die Rolle der Anna kann man nicht eben mal so überzeugend spielen. Das Experiment wirkt sich allerdings auch auf das Spiel von Kollege Tim Olrik Stöneberg aus, zwar ist er in seiner Hauptrolle durchaus routinierter als seine Rollenpartnerin, doch es gibt Schwachstellen.
Kleine Schwachstellen bei den Hauptdarstellern
Allerdings kann man die Leistung der Schauspieler nicht richtig bewerten, ohne die Umstände zu betrachten: Übersetzt man ein Medium in ein anderes, muss man oft Einbußen hinnehmen, egal ob es sich dabei um einen Film handelt, der auf einem erfolgreichen Buch basiert oder um ein Buch, welches sich wiederrum an einem Theaterstück orientiert. Jedes Medium hat seine spezifischen Vor-und Nachteile. Einen Film auf eine Bühne zu bringen ist deshalb denkbar schwierig, dementsprechend sollte man nicht gerade einen Film à la „Herr der Ringe“ auswählen um ihn ins Theater zu bringen. Ein Film hat ganz andere Möglichkeiten seine Figuren lebendig erscheinen zu lassen, ihnen Charakter und Leben einzuhauchen. Ein paar flotte Bühnenbildwechsel und eine andere Frisur reichen da oft nicht.
Deshalb war es gerade für die Hauptdarsteller schwierig ihre Figuren tief und dreidimensional erscheinen zu lassen, die Kamera kann auch dort Tiefe erscheinen lassen, wo das bloße Auge nicht viel sieht. Genau das war es auch was viele Theaterbesucher bemängelten: „Zu wenig Tiefgang“, hörte man an einer Stelle. „Das ist doch kein Theater“, sagte ein anderer. Natürlich ist dies kein Theater, sondern ein Film live gespielt auf einer Bühne. So waren diejenigen Zuschauer, die den Film nicht kannten, oft verwirrt und empfanden die Handlung als zu platt. Fans des Films hingegen erinnerten sich mit Wonne an die lustigen Stellen über die sie während des Films gelacht hatten und lachten auch im Theater. Dabei entstand oft der Eindruck auf dem Revival-Treffen eines „Keinohrhasen“- Fanclubs zu sein. Film besser gesehen oder besser nicht gesehen? Das ist hier die Frage.
Filmfan oder Theaterfan?
Regisseur Michael Ophelders, den man sonst eher auf der Bühne sieht, hat sich auf ein gewagtes Experiment eingelassen, sich dafür aber tapfer geschlagen, besonders die erste Hälfte ist flüssig und hat einiges an Charme. Leider wird das Ende etwas zu bunt und hollywoodhaft. Dafür löste er Probleme, die sich beim Spagat zwischen Film und Bühne ergaben kreativ und stimmig, was oftmals schöne Bilder ergab.
Schöne Bilder ergab auch das Bühnenbild von Sabine Mann, das die schnellen Umbauten und vielen Einsatzmöglichkeiten von Möbeln und Requisiten möglich machte.
Die Kostüme stammen von Carola Vollath, sie orientierte sich oft am Film, schlug aber teilweise auch eigene kreative Bahnen ein. Trotzdem muss man eines erwähnen: gegen Ende hin wird es einfach etwas zu viel des Guten. Zu viele Wechsel, zu bunt, ein hektischer Höhepunkt auf den eine lang gezogene Auflösung folgt.
Fazit ist, dass man sich durchaus an solch einem Experiment versuchen kann, allerdings muss man sich damit abfinden, dass die Ansprüche des Films im Theater einfach nicht erfüllt werden können. Wer den Film mag und gerne etwas neues sehen möchte sollte sich eine Karte besorgen. Auch für Schulklassen oder Theaterneulinge könnte das Stück durchaus empfehlenswert sein. Wer ins Theater geht um „Theater“ zu sehen und ins Kino um „Kino“ zu sehen, der sollte lieber fern bleiben.
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