DHB-Auswahl nach Krimi gegen Kroatien vorzeitig im Halbfinale
Aus Köln berichtet Vinzenz Anton
Die deutsche Handballnationalmannschaft besiegte am Montagabend in der ausverkauften LANXESS-Arena Kroatien nach einer dramatischen Partie knapp mit 22:21 (11:11) und setzt ihren erfolgreichen Weg bei der Männer-Weltmeisterschaft in Deutschland und Dänemark fort. Getrübt wurde der Triumph durch die schwere Verletzung von Spielmacher Martin Strobel, der einen Kreuz- und Innenbandriss im Knie erlitt und per Trage vom Spielfeld getragen werden musste.
Nach dem abschließenden Hauptrundenspiel am Mittwochabend gegen Europameister Spanien (Anwurf 20:30 Uhr), in dem rein sportlich gesehen nur noch der Gruppensieger ermittelt wird, zieht die von Christian Prokop trainierte Vorzeigeauswahl nach Hamburg um. In der Hansestadt finden die beiden Halbfinalspiele statt, für die sich neben Deutschland auch Frankreich qualifiziert hat und von Dänemark, Schweden oder Norwegen ergänzt werden.
Die Welle der Euphorie hatte die von Kapitän Uwe Gensheimer angeführte Mannschaft bereits in Berlin während der Vorrundenspiele getragen und diese Handballbegeisterung wurde in Köln noch einmal gesteigert und erinnert stark an die Heim-WM 2007, als Heiner Brand mit Spielern wie Dominik Klein, Markus Baur, Henning Fritz, Christian Schwarzer oder dem Dauner Pascal Hens Weltmeister wurde.
Handball-Deutschland steht hinter der DHB-Auswahl
19.250 frenetische Zuschauer peitschten im Tollhaus LANXESS-Arena die deutsche Mannschaft nach vorne, zahlreiche kroatische Zuschauer trugen zu einer besonderen Atmosphäre bei, die durch die Strobel-Verletzung weiter aufgeheizt wurde, da ein kroatischer Akteur während der Behandlungspause die kroatischen Fans anheizte (und danach ausgepfiffen wurde).
Für Kroatien ging es in der Partie gegen den Europameister von 2016 um zwei wichtige Punkte, um die unerwartete Niederlage vom Vortag gegen Außenseiter Brasilien (26:29) vergessen zu machen.
Handball-Experte Stefan Kretzschmar schätzte das Spiel so ein: „Wir haben die beste Abwehr des Turniers und sind zusammengewachsen. Zudem spielen wir mit viel Herz und können aus einer starken Abwehr heraus gewinnen. Der Pegel der Leidenschaft muss gegen starke Kroaten da sein, dann gewinnen wir.“
Kroatien fand gut in die Partie (2:0), Deutschland tat sich schwer und erreichte durch Hendrik Pekeler den 4:4-Ausgleich (11. Minute). Prokop zog nach dreizehn Minuten beim 4:6 seine erste Auszeit – in der Offensive blieb es eine zerfahrene und von Fehlversuchen geprägte Partie, dafür stand die Abwehr oft perfekt und machte es den Kroaten schwer, zu guten Wurfmöglichkeiten zu kommen. Keiner Mannschaft gelang es, sich deutlich abzusetzen. Kurz vor Ende der ersten Hälfte geriet Deutschland in doppelte Unterzahl, nachdem Pekeler und Patrick Groetzki (seine Schwester spielte früher bei den Trierer Miezen) vom dänischen Schiedsrichtergespann für je zwei Minuten auf die Bank befördert waren. Auffällig zu diesem Zeitpunkt: Die DHB-Auswahl hatte fünf Zeitstrafen aufgebrummt bekommen, Kroatien nur zwei.
Der Ausfall von Strobel machte sich im Angriffsspiel bemerkbar, nur wenige Tore wollten fallen. Gensheimer und Groetzki hatten keinen guten Tag erwischt, dafür sprangen das hervorragende Publikum und Fabian Wiede ein. Wiede erzielte sechs Tore und wurde zum Spieler des Spiels gekürt.
Als Wiede in der 45. Minute zum 18:15 traf, sah die Führung mit drei Toren komfortabel aus – doch angeführt vom Weltklassemann Domagoj Duvnjak (THW Kiel) begann zum Schrecken der Zuschauer die Aufholjagd und der Handballkrimi. Kroatien ging mit 19:18 in Führung, das kroatische Tor schien vernagelt und Deutschland blieb rund zehn Minuten ohne eigenes Tor!
Krimi mit Happy-End
Drei Minuten vor Ende stand es 20:20 und fast kein Zuschauer hielt es mehr auf den Sitzen. Uwe Gensheimer, laut Stefan Kretzschmar der beste Linksaußen der Welt, traf vierzig Sekunden vor Schluss zum umjubelten 22:20. Kroatien gelang nur noch der Anschlusstreffer und scheiterte mit einem Freiwurf aus der eigenen Hälfte nach Ablauf der sechzig intensiven Spielminuten.
Auf deutscher Seite kannte der Jubel keine Grenzen, Spieler und Fans lagen sich in den Armen und stimmten die LaOla-Welle und Siegestänze an.
Später gaben die Spieler bekannt, nun für den verletzten Martin Strobel spielen zu wollen und für ihn den WM-Pokal zu erobern.
Bemerkenswert, welche Reife die junge deutsche Mannschaft an den Tag legte und sich auch von Rückschlägen (Wiede-Ausfall, Zeitstrafen, zehn Minuten ohne eigenes Tor, Rückstand kurz vor Schluss, Druck durch Heim-WM) nicht aus dem Konzept bringen ließ. In Hamburg können die Prokop-Schützlinge noch auf die gewaltige Fan-Unterstützung bauen, sollte es zum Finale nach Dänemark gehen, wäre dies anders. Aber in einem Finale ist ja immer alles möglich.
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