Tropische Palmen, ein Strand wie aus dem Urlaubskatalog und eine junge Kolumbianerin mit im Wind flatternden bunten Tüchern, die ein Lied über gegenseitigen Respekt singt: Das Musikvideo, das an diesem tristen grauen Dezembertag über die Leinwand flimmert, bringt fast so etwas wie exotisches Flair in die Sankt-Helena-Schule in Trier.
Zwischen Guerilla, Drogenkrieg und Strandfeeling
Die Schülerinnen und Schüler, die hier ihre Ausbildung zu Erziehern absolvieren, sitzen coronakonform mit Maske und in gebotenem Abstand in der Aula. Sie sind an diesem Vormittag hier, um von dem diesjährigen Gast des katholischen Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat, Padre Luis Carlos Hinojosa Moreno, mehr über die Situation der Menschen in Kolumbien zu erfahren. Was in der Bildsprache des Videos daherkommt wie eine schöne Werbung für die nächste Reise in den bevölkerungsmäßig zweitgrößten Staat Südamerikas, erhält jedoch durch den spanischen Song-Text eine tiefergehende Botschaft, die zusammengefasst ungefähr lautet: Wir leben in einem wunderschönen Land, aber vieles liegt im Argen und wir sehnen uns nach Respekt, nach gutem Zusammenleben, nach Frieden und einer Zukunft für junge Menschen.
Leben zwischen Guerilla und Paramilitärs
All das sind Themen, für die sich Padre Luis Carlos seit Jahrzehnten als Priester in seinem Heimatland und durch Partnerschaften mit Hilfsorganisationen wie Adveniat überall auf der Welt einsetzt. In der Pazifikregion Kolumbiens leben rund 162 Millionen Menschen, davon rund zwei Drittel Afrokolumbianer und 15 Prozent Indigene, erzählt Luis Carlos. In seinem Bistum Quibdó im Bundesland Chocó prägen seit Jahrzehnten Krieg und Gewalt das Leben der Menschen.
„Die jungen Leute bei uns haben oft nur die Wahl: Schließe ich mich der Guerilla an, oder den Paramilitärs? Letztere halten das Land im Namen des Militärs oder der Großgrundbesitzer besetzt.“ Hinzu komme der Drogenhandel, den die meisten Gruppen zur Finanzierung ihrer Ziele nutzten. Seit Jahrzehnten leide sein Heimatland unter bewaffneten Konflikten; das Interesse der Mächtigen im Land gelte häufig nur den Bodenschätzen und nicht der eigenen Bevölkerung. Auch nach der Unterzeichnung des Friedensabkommens zwischen der kolumbianischen Regierung und der größten Rebellenbewegung des Landes, der FARC, 2016, sei kein Friede eingekehrt.
Andere bewaffnete und kriminelle Gruppen hätten das Machtvakuum in der überwiegend schwer zugänglichen Pazifikregion im Nordwesten Kolumbiens übernommen. „Die Schönheit Kolumbiens ist in Gefahr – und das sehen auch viele junge Menschen so. Einmal kamen zehn junge Männer zu mir – sie sollten von Drogenhändlern rekrutiert werden – und wollten das nicht. ‚Wir möchten eine bessere Zukunft‘, haben sie gesagt. Deshalb haben sie mich um die Hilfe und den Beistand der Kirche gebeten“, erzählt Luis Carlos, der seit zehn Jahren der Leiter der Sozialpastoral (ähnlich der Caritas in Deutschland) seines Bistums ist. „Wenn jemand aussteigen will und zu viel weiß, ist sein Leben in Gefahr. Die jungen Leute haben die Gruppe Allianca Urbana gegründet; sie arbeiten an Schulen sowie auf den Straßen mit Jugendlichen und möchten ein Vorbild für andere junge Leute sein.“
Schlüssel zu einer besseren Zukunft
Gerade in der derzeitigen Situation der Corona-Pandemie litten die Menschen noch mehr. „Die Situation im Chocó ist einfach nur schrecklich“, sagt Padre Luis Carlos. Das Gesundheitssystem sei marode, die Kontaktsperren würden kaum akzeptiert. „Und wer nicht zum Arbeiten rausgeht, hat nichts zu essen“, fasst der 50-Jährige die schier ausweglose Situation zusammen. Daher sei die Unterstützung durch Hilfsprojekte wie die Adveniat-Aktion doppelt wichtig.
Für Padre Luis Carlos ist der Schlüssel zu einer besseren Zukunft für alle das gegenseitige Verständnis und Lernen. Deshalb setzt er sich auch in der „Interethnischen Wahrheitskommission in der Pazifikregion“ (CIVP) ein, die die Versöhnung zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen anstrebt.
Leben im Einklang mit dem Land, der Natur und mit Gott.
Auch das Ausbildungskonzept für die Priesteramtskandidaten im Bistum Quibdó habe er entsprechend angepasst: Während des Einführungsjahres leben die künftigen Studenten am Stadtrand, um die Lebensrealität und die pastorale Wirklichkeit in den armen Gemeinden unmittelbar zu erleben. „Ich habe als junger Mann Anthropologie studiert, weil ich mich sehr für verschiedene Kulturen interessiere. Eine Zeit habe ich als junger Priester in indigenen Gemeinden gelebt und sehr viel von ihnen gelernt – wie man würdevoll leben kann im Einklang mit dem Land, der Natur und mit Gott.“ Denn auch ein nachhaltiger Umgang mit der Umwelt sei für die Menschen in ganz Lateinamerika überlebenswichtig: Verschmutzung der Flüsse, Abholzung der Wälder – all das raube den Menschen zusätzlich die Lebensgrundlage.
Für Padre Luis Carlos, der nun für zwei Jahre in Deutschland im Partnerbistum Aachen mit Adveniat und anderen Organisationen an der Partnerschaft mit Lateinamerika arbeitet, sind der Austausch und das Voneinander-Lernen der Kulturen entscheidend. Das Motto der diesjährigen Adveniat-Weihnachtsaktion „ÜberLeben auf dem Land“ bedeute ganz konkret für jeden fünften Menschen in Lateinamerika und der Karibik, ausgeschlossen und abgehängt zu sein.
Auf die Frage der jungen angehenden Erzieherinnen und Erzieher der Sankt Helena-Schule, wie sie von hier konkret helfen können, hat er mehrere Vorschläge: „Informieren Sie sich über Kolumbien, über Lateinamerika und die Menschen dort, unterschreiben sie Petitionen an EU, UN oder an die Regierungen Lateinamerikas, die den Klimaschutz und die Verbesserung der Lebensumstände der Menschen fordern. Helfen Sie durch Spenden für Projekte wie die von Adveniat oder anderen Organisationen.“ Padre Luis Carlos Ziel? Dass das Leben für die arme Bevölkerung seiner Heimat ein klein wenig mehr so wird wie in dem Musikvideo.
Weitere Informationen:
www.adveniat.de/engagieren/weihnachtsaktion.
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Pressemitteilung Bistum Trier
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