
Teilnehmerin Lea Gudrich vor ihrem Werk „Gemeinsam einsam“ mit Andreas Wagner, Geschäftsführer des SWT Trier
Mit einer Vernissage wurde am Dienstag Abend in der Bibliothekszentrale der Uni Trier die Austellung „Studium Digitale – Chancen und Risiken“ eröffnet. 30 Arbeiten junger Kunst- und Designstudenten zum Thema digitales vs. analoges Studium können bis 27. Oktober bestaunt werden.
Die Ausstellungsstücke sind Plakate, welche die Bewerber zum 24. Plakatwettbewerb des Deutschen Studentenwerkes eingereicht haben. Die 30 besten von weit mehr als 300 Einsendungen wurden von einer Jury ausgewählt und sind nun als Wanderausstellung unterwegs durch die deutschen Universitäten.
„Ist die digitale Welt tatsächlich solch ein Moloch?“, stellte Carlheinz Straub, stellvertretender Direktor der Bibliothek zur Begrüßung die Frage in den Raum. Dass ihre allseits beschworenen negativen Auswirkungen auch vor akademischen Kreisen nicht halt machen, formuliert er als vage Befürchtung. Übertrieben? Junge Menschen, die mehr Zeit am Computer, davon meist online, verbringen, als in der realen Welt, sind heute die Regel. Virtualität wird zur Realität. Reißen jene sich los und begeben sich in die ehrwürdigen Hallen der Akademie, erwartet sie meist jedoch nichts anderes als das Gewohnte. Laptops wohin das Auge sieht, Computerräume stets gut gefüllt, Vorlesungen per Livestream, Kontakt zu den Dozenten fast nur noch per Email, Veranstaltungsanmeldung und Notenabfrage über das Internet.
Andreas Wagner: Den Nerv der Zeit getroffen
Nein, auch vor akademischen Kreisen macht die Digitalisierung unseres Lebens nicht halt. Dass das Thema den Nerv getroffen habe, stellte Andreas Wagner, Geschäftsführer des Studierendenwerkes Trier, in seiner Eröffnungsansprache fest, was schon die hohe Beteiligung zeige. „Trotz allem schätzen die Studenten die analogen Seiten des Studiums“, was die überwiegend kritische Perspektive der Werke beweise. Mit diesen Wettbewerben solle einerseits den jungen Künstlern eine Plattform geboten werden, aber genauso sehr verfolge das Studentenwerk damit seine Verantwortung für die soziokulturellen Aspekte des Studierens. Öffentliche Aufmerksamkeit auf Themen lenken, welche die soziale Situation der Studierenden betreffen sowie Öffentlichkeit und Betroffene für Problemlagen sensibilisieren, sei Auftrag und Ziel, so Wagner.
Nach den Risiken des „Studium Digitale“ gefragt, seien es vor allem die Themen Online-Vereinsamung und das Suchtpotential der digitalen Medien, welche Wagner am Herzen liegen. Die Chancen und Vorteile sieht er in den eher objektiven Aspekten, wie der Studiumsorganisation. „Die Organisationsqualität hat sich in den vergangenen zehn Jahren extrem verbessert, es ist einfach effizienter.“ Für das individuelle Studium müsse man aber einfach den Punkt finden, in dem man virtuelle und reale Welt in einen guten Ausgleich bringt. Die Behauptung, ein eigenes Laptop sei heute für das Studieren unerlässlich, will Wagner so nicht unterstützen, vielmehr sieht er, dass soziale und wirtschaftliche Gegebenheiten heute eher den starken Gebrauch des eigenen Laptops in den akademischen Bereich integrieren.
Warum wurde aber gerade zu diesem Thema an der Kunstform Plakat festgehalten? Wagner beantwortete diese Frage bereits in seiner Rede. Plakate seien keineswegs out, sondern auch unter Studierenden immer noch ein zeitgemäßes und ansprechendes Medium, wie man es an jedem schwarzen Brett oder Pfeiler der Uni sehen könne. Hinterher reagierte Wagner auf diese Frage jedoch verhaltener: „Eigentlich verstehe ich nicht, warum Plakate. Dieses Thema wäre prädestiniert für ein virtuelles Medium, wie zum Beispeil Internet-Banner.“
Teilnehmerin Lea Gudrich: Studium als kalter Supermarkt
Sicherlich froh darüber, dass von den Bewerbern keine Internetbanner gefordert wurden, ist Lea Gudrich, eine der Teilnehmerinnen am Wettbewerb. Die Kommunikationsdesign-Studentin an der Fachhochschule Trier stellt in ihrer Arbeit eine „kühle“ Supermarktszene dar, in der sich Studentin und Professorin begegnen, sich aber gar nicht erkennen, es vielleicht auch nicht wollen. Ihre Rücken zueinander gekehrt, blicken sie in die Kühltruhen, und in über ihnen schwebenden Kästen stilisiert sieht man die Informationen, die die beiden in der digitalen Welt gerade noch über den anderen haben: Name, Position, Matrikelnummer, Email-Adresse. Keine Begrüßung, kein persönlicher Kontakt.

Beitrag der Trierer FH-Studentin Lea Grudrich zum Thema „Studium Digitale - Chancen und Risiken“
Was sie damit darstellen will, drückt Lea Gudrich mit dem Gegenteil von dem aus, was sie in ihrem Studiengang an der FH erlebe. Sie kenne den direkten, fast freundschaftlichen Umgang mit Dozenten, arbeite in überschaubaren Gruppen. „An den meisten Unis ist direkter Kontakt zu Lehrenden und Kommilitonen heute ja eigentlich gar nicht mehr notwendig, und wenn man ihn herstellen will, hat man aufgrund der schieren Massen auch wieder ein Problem.“ Das Thema sei für sie eine gute Gelegenheit, ihre negative Meinung zum Ausdruck zu bringen, die sie sich vor allem über die Erfahrungen ihres Bruders mit seinem Bachelor-Studium gebildet habe.
So ist die Tatsache, dass sie ihr eigenes Leben als deutlich weniger „digitalisiert“ betrachtet als das, was heute dem Durchschnitt entspricht, wenig verwundernd. Zwar habe sie durchaus eine Email-Adresse, sei grundsätzlich aber eher der analoge Typ, was zu Beginn ihres doch sehr IT-affinen Studienganges etwas schwierig gewesen sei. Den organisatorischen und sozialen Aspekt ihres Studiums sieht sie aber allein schon durch die Fachhochschule als viel weniger digitalisiert an, als man es von Universitäten kenne. Die Frage, für wie wahrscheinlich sie das Aufkommen eines Gegentrends im Sinne von „back to the roots“ hält, beantwortet Gudrich verhalten optimisitsch: „Die Skepsis, die sich in der Mehrheit der Wettbewerbsbeiträge zeigt, ist ein positives Zeichen.“ Ihre Hoffnung ist, dass der gesunde Menschenverstand schon irgendwann zu einem Umdenken führen werde.
Eine erste Reaktion eines spontanen Betrachters lässt diese Hoffnung nicht ganz abwegig erscheinen: „Die Plakate sind originell und regen teils wirklich zum Nachdenken an. Super wäre, wenn man das als große Kampagne aufzieht und die Plakate auch wirklich überall aufhängt“, meint Student Michael. Aber egal, ob sie ihre gewünschte Reaktion bewirkt oder auch nicht, fest steht: Diese Ausstellung ist allein aus rein gestalterischen Gründen sehenswert. Um es auch für die digital-soziale Netzwerkwelt verständlich auszudrücken: „Gefällt mir!“
Bildnachweis: Stefan Herber (Fotos der Ausstellung), Lea Gudrich (Plakat)
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