Von Andreas Gniffke
Die Frauenfußball Weltmeisterschaft 2011 in Deutschland endete zwar nicht mit dem erhofften Titel für die deutsche Nationalmannschaft, erfüllte aber die Erwartungen hinsichtlich Begeisterung, Zuschauerzuspruch und Einschaltquoten. Rainer Hennies und Daniel Meuren versuchen in ihrem eben erschienenen Buch „Frauenfussball – Aus dem Abseits in die Spitze“ die Geschichte des Frauenfußballs nachzuzeichnen und stellen die Frage, ob ein Großereignis wie die WM den Frauenfußball tatsächlich aus seinem Nischendasein führen könnte.
Wem das Buch und die Autoren schon von außen bekannt vorkommen, täuscht sich nicht. Das von Rainer Hennies und Daniel Meuren verfasste Buch ist die aktualisierte Neuauflage des bereits 2009 erschienenen Kompendiums „Frauenfussball – Der lange Weg zur Anerkennung“. Das Buch ist mit 448 Seiten nun satte 64 Seiten länger als der Vorgänger und wurde hauptsächlich um Kapitel zur Weltmeisterschaft 2011 und die Perspektiven des Frauenfußballs ergänzt. Allerdings wurden auch die älteren Abschnitte zum Teil aufgefrischt und so zum Beispiel die Spielerporträts von Marta oder Birgit Prinz um ihre Auftritte bei der WM bereichert.
Der lange Weg zur Akzeptanz
Historisch beginnen Hennies und Meuren im Jahr 1895, als es in England zum wohl ersten organisierten Frauenfußballspiel in größerem Rahmen kam. In London trat eine Mannschaft aus Nordengland gegen eine aus Südengland an. Während des Ersten Weltkriegs entstanden in Großbritannien zahlreiche Frauenteams, die häufig zu Benefizspielen gegeneinander antraten, während ihre Männer beim Militär waren. Auch in Deutschland gab es bereits in den 20er Jahren erste Spiele, doch spätestens die Machtergreifung Hitlers brachte den unerwünschten Sport weitestgehend zum Erliegen. Zwar gründeten sich nach 1945 wieder einzelne Mannschaften, doch am 30. Juli 1955 zog der DFB einen Schlussstrich und untersagte den ihm angeschlossenen Vereinen, Damenfußballabteilungen zu gründen. Zur Sicherheit wurde auch den Schiedsrichtern nahegelegt, keine Spiele von Frauenmannschaften zu pfeifen. Doch außerhalb des DFB entwickelte sich der Frauenfußball weiter. Aus einer privaten Initiative heraus lockte im September 1956 das erste Länderspiel erstaunliche 18.000 Zuschauer nach Essen, wo Deutschland eine Auswahl aus Holland mit 2:1 bezwang. Erst 1970 hob der DFB das Verbot auf, von einer allgemeinen Akzeptanz war man aber noch weit entfernt, wie der Ausschnitt aus dem Aktuellen Sportstudio aus dem Jahr 1970 eindrucksvoll belegt:
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„Aus dem Abseits in die Spitze“ ist jedoch keine strenge Chronik des Frauenfußballs. Die Herangehensweise ist eher thematisch, denn auf die internationalen und nationalen Anfänge folgen längere Abschnitte über den deutschen Vereinsfußball und die Bedeutung und Entwicklung der Nationalmannschaft. Überhaupt liegt der Fokus trotz eines längeren Abschnitts über die „große Welt des Frauenfußballs“ auf den Entwicklungen in Deutschland, es wird aber ebenso deutlich, dass wir es nicht mit einem globalen Phänomen zu tun haben. Vor allem in der muslimischen Welt steht man dem Frauenfußball mehr als kritisch gegenüber. Auffällig ist darüber hinaus, dass im Frauenfußball mit Ausnahme von Deutschland und Brasilien gänzlich andere Mannschaften eine dominante Rolle spielen als bei den Männern. Man könnte sogar so weit gehen und behaupten, dass die Rollenverteilung im Herrenfußball katholisch geprägt sei, während bei den Frauen Mannschaften protestantischer oder kommunistischer Herkunft den Ton angeben. Dieser kulturanthropologische Erklärungsversuch führt zumindest zu der wenig überraschenden Erkenntnis, dass bei den Frauen die Länder Erfolge feiern, in denen die Gleichberechtigung weiter fortgeschritten ist und das sind nun einmal vor allem die evangelisch oder kommunistisch geprägten Nationen.
Eine Fundgrube, aber nicht immer das große Vergnügen
Insgesamt werden eher Schlaglichter gesetzt, wichtige Vereine und Spielerinnen genauer unter die Lupe genommen oder ein Interview mit „Zeitzeugen“ eingeflochten. Leider geht das ein oder andere Mal der rote Faden gründlich verloren, was auch in der Struktur des Buches begründet ist. Kaum ein Kapitel ist länger als zehn Seiten lang, insgesamt zergliedern die Autoren das Buch in 57 Einzelkapitel, 16 Porträts und elf Interviews. Die Gesprächspartner sind dabei durchaus Hochkaräter. Der scheidende DFB-Präsident Theo Zwanziger wird zu den Perspektiven des Frauenfußballs befragt, Star-Schiedsrichterin Bibiana Steinhaus über ihr „Doppelleben“ zwischen Frauen- und Männerfußball. Interessant ist auch das Gespräch mit dem amerikanischen Politologen und Soziologen Andrei S. Markovits über die Bedeutung des Frauenfußballs in den USA und die emanzipatorische Kraft des Sports. Dennoch wird der Lesefluss durch die häufigen Themenwechsel erschwert und die unterschiedlichen Schreibstile der Haupt- und Gastautoren machen das Buch zu einem manchmal etwas holprigen Lesevergnügen. Manche Geschichte wird in unterschiedlichen Kapiteln auch mehrfach erzählt.
Wohin führt der Weg des Frauenfußballs?
Trotzdem ist das Buch für den interessierten Leser an vielen Stellen eine wahre Fundgrube. Für eine abschließende Bewertung der Effekte der Weltmeisterschaft auf den Frauenfußball zumindest in Deutschland ist es sicher noch etwas früh, wobei die Zuschauerzahlen bei den Bundesligaspielen einen Boom zumindest nicht erkennen lassen. In einem etwas knapp geratenen Kapitel über die Perspektiven des Frauenfußballs wird aber deutlich, dass zumindest der DFB vor allem die großen Männervereine in der Pflicht sieht, mit ihren Frauenabteilungen eine dominierende Rolle in der Liga zu spielen, um so gewachsene Rivalitäten, Fankulturen und Traditionen zu etablieren. Dies ginge zwar auf Kosten der alteingesessenen reinen Frauenklubs, doch die Autoren halten diese Intervention für notwendig, um den nächsten Entwicklungsschritt zu machen:
Dennoch scheint es nur durch das Engagement der Männerprofiklubs denkbar, dass der Frauenfußball Zugang erhält zum Sportkulturraum, in welchem durch Medienberichte und Stammtischgespräche aus einem Sport ein bundesweit geschätztes Kulturgut wird. Nur dann kann sich eine Fankultur entwickeln, die für die Verwurzelung eines Sports in der Gesellschaft unerlässlich ist. Nur dann kann sich auch entwickeln, was Theo Zwanziger einmal in die Worte kleidete, dass er „auf mehrere weibliche Poldis und Schweinis hoffe“, die als Vorbild für die Jugend taugen.
Hier zumindest scheint man mit Nachwuchsspielerinnen wie Alexandra Popp oder Kim Kulig auf einem guten Weg zu sein.
Rainer Hennies / Daniel Meuren
Frauenfussball. Aus dem Abseits in die Spitze
Verlag Die Werkstatt, 2. aktualisierte Auflage 2011
26,90 Euro
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