Wie wird aus wissenschaftlichen Erkenntnissen und Funden eine Museumsaustellung? 5vier sprach mit Anne Kurtze, der Verantwortlichen für Museumspädagogik und Marketing im Rheinischen Landesmuseum.
Trier. In dem Schaukasten sind Münzen an kleinen Drahtgestellen in verschiedenen Höhen angebracht und werden mit warmen, gelben Licht angestrahlt. Sie scheinen vor dem roten Hintergrund zu schweben und zu leuchten. Die Texttafel erklärt mit einem kurzen Absatz, um was für Ausstellungsstücke es sich handelt – für alle Interessierten folgt ein längerer erklärender Text. Kaum ein Besucher des Landesmuseums dürfte die Arbeit bemerken, die hinter der Präsentation und Auswahl der Exponate steckt. Dass die Gäste des Landesmuseums so gut wie möglich informiert und unterhalten werden, dafür sorgt unter anderem auch Anne Kurtze, die Verantwortliche für Museumspädagogik und Marketing.
Hard- und Software
Museumspädagogik klingt im ersten Moment nach Schulbank drücken. Allerdings steht sehr viel mehr hinter dem Begriff, als man sich als Uneingeweihter träumen lassen würde.
„Die Museumspädagogik dient als Schnittstelle zwischen der Wissenschaft und den Museumsbesuchern“, erklärt Kurtze. Die Datenmenge, welche die Wissenschaft bei Ausgrabung, Forschung und Recherche zutage fördern sei so hoch, dass man sie unmöglich dem Besucher in seiner Ganzheit zumuten könne: „Man muss die Information einkochen, sich fragen, was es ist, dass dieses bestimmte Stück besonders sehenswert macht. Diese Essenz muss dann natürlich interessant und verständlich aufbereitet werden.“
Hier stehen dem Museumsteam einige Möglichkeiten zur Verfügung, die Kurtze in Hardware und Software aufteilt: „Unsere Hardware sind unsere Ausstellungen, welche im Rahmen einer von uns erarbeiteten Dramaturgie einen unverstellten Blick auf die Forschungsergebnisse präsentieren können.“ Die Software des Landesmuseums setzt sich vor allen aus den öffentlichen Veranstaltungen, wie Programmen für Kinder, Schulklassen und Erwachsene zusammen.
„Ob nun die internationale Museumsnacht, Führung und Vorträge oder unsere Museumsabende in Zusammenarbeit mit unseren Hauscafé `Zeitsprung´, Events, wie diese ermöglichen uns die direkte Interaktion mit den Museumsbesuchern“, so Kurtze.
Jahrelange Planung
Wie wird nun aus Funden eine Ausstellung?
„Zuerst muss die Idee für ein Thema her“, erklärt Kurtze, „Jede Ausstellung, ob nun Dauer- oder Sonderausstellung braucht einen roten Faden, etwas, dass die einzelnen Exponate für den Besucher zu einem Ganzen verbindet.“ Ist dieser rote Faden gefunden, geht es dann an die eigentliche Vorbereitung, für die praktisch alle Museumsmitarbeiter an einem Tisch versammelt werden müssen: „Wir müssen feststellen, was möglich ist. Wie viel Geld steht uns zur Verfügung, welche Fundstücke haben wir im Haus, was muss für wie lange von wo ausgeliehen werden? Wie präsentieren wir das Ganze dann, wie wird es medial aufgearbeitet? Da ist wirklich jeder Experte gefragt.“ Besonders wichtig sei in der heutigen Zeit vor allem auch, dass eine möglichst genaue Zielgruppenbestimmung durchgeführt wird: „Man kann die Exponate nicht einfach in den Ausstellungsraum stellen und erwarten, dass die Besucher es interessant finden werden.“
Die Vorbereitung für eine Sonderausstellung nimmt normalerweise mindestens um die zwei Jahre in Anspruch. Bei einer Dauerausstellung, wie die, die gerade im Landesmuseum aufgebaut wird, ist die Zeit zwischen der ersten Idee und der Eröffnung sogar noch länger: „Wir haben mit der Vorbereitung der neuen Dauerausstellung 2006-2007 begonnen,“
Neue Medien und klassische Ausstellungen
„In vielen Museen geht der Trend dahin, dass die Interaktion und die mediale Aufarbeitung immer wichtiger wird“, meint Kurtze, „Damit muss man allerdings sehr vorsichtig sein, gerade weil sich die Technik so schnell entwickelt. Eine Dauerausstellung soll zwischen 10 und 15 Jahren Bestand haben, da kann man nicht alle drei Jahre die mediale Aufarbeitung aktualisieren.“ Daher wird die neue Dauerausstellung sehr sparsam mit den neuen Medien umgehen und sich auf das konzentrieren, worum es gehen soll: die Ausstellungsstücke. Die Interaktion und moderne Inszenierung wird aber natürlich nicht zu kurz kommen.
„In den Sonderausstellungen können wir dagegen medienorientierter arbeiten“, so Kurtze.
Mehr Anspruch von Seiten der Besucher
Ob ihre Arbeit in der Zeit von HD-Video und Breitbandinternet einfacher oder schwieriger geworden ist, kann Kurtze nicht wirklich beantworten: „Die digitalen Medien haben die Arbeit im Museum auf jeden Fall verändert. Zum einen hat die Begegnung mit etwas Originalen, Einzigartigen stark an Bedeutung gewonnen, gerade weil man überall Kopien davon sieht. Und für solche Begegnungen sind Museen ja da.“ Auf der anderen Seite sind die Besucher ästhetisch deutlich anspruchsvoller geworden: „ Das Angebot muss dem Besucher auf Augenhöhe begegnen. Niemand möchte sich bei einem Museumsbesuch belehrt oder überfordert fühlen.“ Will sagen, alle Informationen müssen schnell und einfach verfügbar und verständlich sein, ohne dass der Besucher über irgendwelche Vorkenntnisse verfügt. Dafür ist eine genaue Abstimmung der Präsentation auf den Museumsgast nötig. Die Essenz muss gefunden und komprimiert werden. Weniger ist mehr – der Kreis schließt sich.
„Es gibt viele Dinge, auf die wir heute achten, die vor 15 Jahren kein Thema waren. Barrierefreiheit, kinder- und seniorengerechte Ausstellungräume – der Trend geht zu immer mehr Nähe zum Besucher und das ist gut so. Ein Museumsbesuch soll eine persönliche Erfahrung sein, keine Schulstunde.“ Die Besucherzahlen geben Anne Kurtze recht – seit Jahren kann das Museum steigende Besucherzahlen verzeichnen und auch die Reaktionen auf den ersten Teil der neuen Dauerausstellung sind durchweg positiv. Die neue Dauerausstellung wird am 18. Februar 2011 eröffnet werden.
Im Reich der Schatten
Das neue Angebot „Im Reich der Schatten“ ist eine Paradebeispiel für moderne Museumsarbeit.
„Das Format ist einzigartig und wurde hier im Landesmuseum entwickelt,“ erklärt Kurtze. „Mediales Raumtheater“ nennt sich die neue Präsentation, bei der moderne Technik und antike Ausstellungsstücke auf bisher nie da gewesene Weise verschmelzen.
„Die Idee hinter den Projektionen ist, dem Besucher einen neuen Zugang zu den Ausstellungsstücken zu ermöglichen. Unsere mediale Präsentation handelt nicht einfach über die Objekte, sondern funktioniert ausschließlich in Verbindung mit den Originalen. So kann man dieses Event ausschließlich im Museum erleben, dort wo man den Originalen begegnet.“ Um Aktualität zu gewährleisten hat man sich nicht nur der modernsten Technik bedient, sondern auch mit namhaften Künstlern zusammengearbeitet. Kurtze hofft, dass Projekte, wie „Im Reich der Schatten“ in Zukunft Schule machen werden: „Ein besseres Zusammenspiel zwischen Technik und Ausstellungsstücken ist kaum möglich.“
Museumspädagogik und Marketing
Die Mischung aus Museumspädagogik und Marketing, für die Anne Kurtze im Landesmuseum zuständig ist, mag im ersten Moment etwas seltsam anmuten, dabei sind die beiden Bereiche zwei Seiten der selben Medaille.
„Die Museumspädagogik arbeitet langfristig und inhaltsorientiert, das Marketing eher schnelllebig und eindrucksorientiert, aber beide Bereiche dienen der Informationsübermittlung an unsere Besucher“, erklärt Kurtze. Damit sie dieser Aufgaben immer gerecht werden kann, darf Kurtze den Kontakt zu den Besuchern und zu ihren Kollegen nie verlieren: „Es ist wichtig immer über allen wissenschaftlichen Erkenntnisse und Vorgänge informiert zu sein.“ Gleichzeitig hat sie immer ein Auge auf das Gästebuch, führt Beratungen und Führungen durch und sucht so oft wie möglich den direkten Kontakt zu den Gästen des Landesmuseums: „Man muss immer auch ein wenig Besucher hier im Haus sein.“
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Chrissi meint
Wisst ihr was ich an eurem Portal hier mag?
Dass ich von Paddy direkt ins Museum stolpern kann während ich mit Grippe am Rechner hänge und fluche, weil das Leben draußen an mir vorbeischneit. 🙂
Weiter so!