Einmal im Jahr trauen sich bis zu 4000 Besucher in Bitburg in einer unscheinbaren Lagerhalle in vollkommene Dunkelheit, in welcher 450 amerikanische und deutsche Helfer mit vereinten Kräften für ein Horror-Erlebnis der besonderen Art sorgen. Am vergangenen Wochenende war es wieder soweit…
Bitburg. Heute ist “All Hallows‘ Eve”! Das bedeutet übersetzt soviel wie „der Abend vor Allerheiligen“. Besser bekannt ist das Fest natürlich als “Halloween” und wird rund um den Globus als amerikanisches Event vermarktet. Dabei stammen diverse Volksbräuche rund um den Abend und die Nacht vor Allerheiligen nicht aus Übersee sondern aus dem katholischen Irland. Irische Einwanderer waren es, die das Fest auf den nordamerikanischen Kontinent brachten und doch assoziiert heute die ganze Welt das mittlerweile popkulturelle Phänomen mit der USA.
Passend dazu gibt es auch in der Region eine von Amerikanern initiierte Attraktion, die vom 27. bis 29. Oktober bereits zum 15. Mal ihre Pforten öffnete: das Haunted House in Bitburg.
Die Eifel und die Amerikaner verbindet seit vielen Jahren ein ganz besonderes Verhältnis. Gleich zwei Luftwaffenstützpunkte der US Streitkräfte wurden Anfang der 1950er Jahre in weniger als 10 Kilometern Entfernung voneinander aus dem Boden gestampft: Spangdahlem Air Base und Bitburg Air Base. So erlebte die regionale Wirtschaft und der Immobilienmarkt innerhalb kürzester Zeit einen erheblichen Boom. Über 60 Jahre später sind die Amerikaner immer noch ein wichtiger Teil der Eifel, auch wenn nur einer der beiden Stützpunkte überlebt hat. Spangdahlem ist zum zweitgrößten Stützpunkt der Air Force in Deutschland gewachsen, während der Flugplatz Bitburg derweil zum florierenden Gewerbegebiet konvertiert wurde. Nur auf dem ehemaligen Kasernengelände leben noch in einigen Gebäuden Amerikaner. Hier findet sich auch eine unscheinbare Lagerhalle, die immer kurz vor Halloween zu unheimlichem Leben erwacht.
Schon am Gate zum Kasernengelände machen bewaffnete Militärpolizisten deutlich, dass man nun mehr oder weniger amerikanischen Boden mitten in Deutschland betritt. Nach der obligatorischen Passkontrolle gestaltet sich der Weg zur Lagerhalle unspektakulär, nur vereinzelt aufheulende Kettensägen und entfernte Schreie durchdringen die milde Oktober-Nacht. Am Ziel angekommen reiht sich schließlich eine Menschenmenge vor einem unscheinbaren Eingang auf, typisch amerikanische Speisen und Getränke werden vor der Halle verkauft, eine undefinierbare Anspannung liegt in der Luft.
Dann öffnet sich die Tür und Gruppen von 8-10 Personen werden in einen spärlich beleuchteten Briefing Room geführt. Auf das multinationale Publikum abgestimmt erfolgt die Einweisung auf Deutsch und Englisch…sehr dunkel soll es werden und man soll bitte nichts verlieren. Beim Aufbau der Attraktion dieses Jahr hätte man noch verlorene Autoschlüssel vom letzten Jahr gefunden, so Matthias Meyer, welcher zusammen mit seiner US-Kollegin Marisol Reantaso Hauptorganisator der Veranstaltung ist. Die Halle wird nur noch für das Halloween-Event genutzt, so dass verlassene Friedhöfe, Irrenanstalten und dunkle Labyrinthe nicht jedes Jahr wieder auf- und abgebaut werden müssen. Meyer kennt die chaotische Anordnung der Räume wie seine Westentasche und findet neben dem Organisationsstress des Events immer wieder eine freie Minute, um dämonisch kichernd die ein oder andere Besuchergruppe zu erschrecken. Dieses Jahr hat man mit mehr als 20 Räumen auf 550m² Fläche nochmal gehörig aufgestockt. “Laut unserem Wissen bietet die ur-amerikanische Tradition in Bitburg die größte und längste Geisterbahn der Amerikaner in Deutschland und macht sie deshalb zu einem besonderen Ereignis in der Region,” so Meyer.
Nach der Einweisung wird die kleine Gruppe von zwei mit Knicklichtern ausgerüsteten Guides in die Ungewissheit geführt. Das Haunted House ist zu Beginn stockdunkel, vereinzelte Lichtblitze zucken von der Decke und die Guides pushen die Gruppe unermüdlich durch ein undurchschaubares Labyrinth aus Gängen und Räumen. Damit niemand verloren geht soll man sich an seinem Vordermann festhalten, während vorsichtig lange Korridore und düstere Räume erkundet werden. Plötzlich deutet sich eine dunkle Silhouette an…die Gruppe tastet sich weiter voran und aus dem Schattenumriss wird ein maskierter Serienkiller, der plötzlich mit erhobener Machete schreiend auf die verängstigte Truppe zustürmt.
Schon zu Beginn der Tour wird klar: das Haunted House ist nichts für schwache Nerven. Für zart-besaitete Gemüter, so erklärt Matthias Meyer, gibt es auf der 15-minütigen Tour de Force mehrere Notausgänge und überhaupt wird für die Sicherheit der Gäste alles menschenmögliche getan, vom Brandschutz bis zur medizinischen Versorgung. Sogar Rollstuhl-gerecht ist die Attraktion dieses Jahr geworden.
Von den Sicherheitsvorkehrungen im Hintergrund bekommt man im Terror-Labyrinth natürlich nicht viel mit. Wenn plötzlich schreiende Kinder gegen einen spärlich beleuchteten Käfig trommeln oder sich die vermeintliche Puppe in einer Gummizelle mit zuckenden Bewegungen aufrichtet und auf die Gruppe zugerannt kommt, ist Gänsehaut garantiert. Wildfremde Besucher werden plötzlich zu Team-Mitgliedern, die sich angespannt an der Hand halten und gegenseitig vor neuen Schreckmomenten warnen. Die aufwendig verkleideten und geschminkten Akteure schaffen es aber natürlich trotzdem immer wieder auch dem ausgebufftesten Horror-Fan die Haare zu Berge stehen zu lassen.
Der Spaß am Horror vereint nicht nur die Besucher, sondern auch 450 ehrenamtliche Akteure und Helfer aus beiden Nationen, die hier Jahr für Jahr an der begehbaren Geisterbahn der Superlative mitwirken. Zahlreiche Unternehmen aus der Region helfen tatkräftig mit, spenden Werkstoffe, Technik und Kostüme ohne die die aufwendige Horror-Inszenierung gar nicht möglich wäre. Der Erlös aus der Veranstaltung, wird zudem ausschließlich für wohltätige Zwecke gespendet. Diese grenzüberschreitende Zusammenarbeit ist eigentlich das bemerkenswerte an dieser dreitägigen Horrorshow in Bitburg. Aus dem oft als kommerziell kritisierten „Halloween“ wird hier eine vorbildliche, friedliche und grenzenlose Kooperation zwischen Deutschland und den USA, zwischen Militär und Zivilisten, zwischen (Kunst)blutigem Horror und spaßigen Nervenkitzel. Wenn die Besucher am anderen Ende der Halle erleichtert aus dem Horror-Labyrinth entlassen werden, sind eigentlich alle amüsiert und begeistert. Die Entspannung währt aber meistens nur kurz, denn nicht selten stürmt ein Verrückter mit laut aufheulender Kettensäge hinter einer Mauer am Ausgang hervor und sorgt für einen letzten Adrenalinschub bevor sich die Besucher bei Hot Dogs und Hamburgern erholen können.
Da für 2017 der endgültige Abzug der Amerikaner vom Kasernengelände in Bitburg ansteht, ist die Zukunft des Haunted House noch ungewiss. Alle Beteiligten hoffen auf die Möglichkeit für die Fortführung dieser langen Tradition, ob in der jetzigen Location oder an anderer Stelle. Auf der Facebook-Seite des Events will man die langjährige Fan-Gemeinde auf dem Laufenden halten. Bis dahin bleibt wohl nur nochmal den ein oder anderen Horror-Klassiker einzulegen und sich an die schaurigen Adrenalinschübe im Bitburger Horror-Labyrinth zurück zu erinnern.
Fotos: Tamara Holper
Schreibe einen Kommentar