Kurz vor der Europawahl nahm sich der mächtigste Mann Europas Zeit, um Fragen der Unionsbürger zu beantworten: Jean-Claude Juncker, amtierender EU-Kommissionspräsident, äußerte sich am 17. Mai 2019 im Rahmen des Bürgerdialogs im Echternacher Trifolion zu Fragen der Außenpolitik, zur EU-Erweiterung, machte Werbung für eine Abrüstung hin zum Frieden, ging auf das Brexit-Chaos ein und ließ auch aktuell drängende Fragen wie den Klimawandel nicht unbeantwortet. An die tausend EU-Bürger erlebten einen kurzweiligen und interessanten Abend, an dem Juncker seinen Humor unter Beweis stellte und er 5vier.de-Reporter Vinzenz Anton mit einer Trier-Aussage überraschte.
Echternach. Jean-Claude Junkers wichtigste Aussagen
„Ich bin sehr stolz darauf, dass Griechenland in der EU geblieben ist. Zudem konnte ich während meiner Amtszeit Bürokratie abbauen. Mein Ziel war es immer, ein Maximum an Handelsabkommen abzuschließen. Der kommenden Europawahl blicke ich trotz eines möglichen Rechtsrucks und Anti-Europatendenzen heiter und gelassen, aber tief besorgt, entgegen. Wir dürfen den Populisten nicht nachlaufen, sondern müssen das direkte Gespräch suchen.
„Rechts in den Weg stellen“
Wir müssen uns den Rechten in den Weg stellen und uns mehr der Entstehungsgeschichte Europas erinnern und der Grundwerte besinnen. Nur dann haben wir eine Zukunft. Frieden spielt dabei die wichtigste Rolle.
Die Politik darf sich nicht von den Bürgern entfernen, sondern muss noch bürgernäher werden. Großen Wert lege ich auf Transparenz.
Waffen schaffen keinen Frieden
Waffen sind nicht friedenstauglich. Luxemburg ist hier beispielhaft, denn wir produzieren keine Waffen.
Bei einer gemeinsamen Außen-, und Sicherheitspolitik herrscht aktuell das Einstimmigkeitsprinzip, von dem wir uns entfernen müssen. Die qualifizierte Mehrheit ist besser, zu diesem System sollten wir wechseln.
Als neues Schulfach sollte man in Europa „Wirklichkeitskunde“ einführen, denn wir lieben uns zu wenig und kennen uns in Europa nicht wirklich gut aus. Wir müssen wieder mehr an der Solidarität arbeiten.
Eine Brexitproblemlösung habe ich noch nicht gefunden, sonst hätte ich schon einen Preis erhalten.
Ich bin für eine Wahlpflicht, wie in Luxemburg – dann steigt automatisch auch die Wahlbeteiligung.
Seit 26 Monaten beschäftige ich mich mit dem Brexit – die Briten wissen nicht, was sie wollen. Es geht nicht weiter. Dass die Briten mitwählen, ist ein Witz.
Ich mache am 31.10. um 24 Uhr Schluss, denn dann endet meine Amtszeit.
Freie Grenzen
Freie Grenzen sind die wichtigste Errungenschaft in Europa.
Das Pariser Klimaschutzabkommen gäbe es ohne die europäische Kommission nicht. Wir sollten das Klimaziel 2030 im Auge behalten und bis dahin 30 bis 40 Prozent Kohlenstoffdioxid abbauen.
Ich bin sehr glücklich, dass junge Menschen auf die Straße gehen und für ihre Zukunft demonstrieren. Das hätte ich mir die letzten Jahrzehnte viel öfter gewünscht. Früher war ich selbst oft demonstrieren, allerdings an den Wochenenden. Aber wenn die Schüler nicht am Freitag und nicht während der Schulzeit demonstrieren würden, dann gäbe es auch keine große Beachtung. Daher sehe ich die Aktion positiv.
Steuerfrage von 5vier.de
Angesprochen auf die Frage, was Juncker für eine gerechtere und einheitlichere Unternehmensbesteuerung tun könne, antwortete der Kommissionspräsident zurückhaltend: „Wir haben einen Richtlinienentwurf eingebracht, der aber nicht die nötigen Mehrheiten gefunden hat. Zu viele Leute bremsen bei einer einheitlichen Besteuerung von Konzerngewinnen, was sehr bedauerlich ist. Schimpfen Sie daher bitte nicht mit mir.“
Über den Abend hinweg brillierte Juncker durch seien offene und witzige Art, Fragen zu beantworten, wodurch er sich in die Herzen der meisten Anwesenden spielte. Er wirkte elegant und eloquent, dazu rhetorisch gut eingestellt und im Zusammenspiel mit dem bekannten Journalisten Udo van Kampen freundschaftlich und lustig. Juncker ist raffiniert wie ein Fuchs. So bestellte er die britische Premierministerin Theresa May mehrmals für 7 Uhr am Morgen ein, da sie dann nachts aufstehen müsse, während er noch gemütlich im Bett schlafen könne. Dies sehe er als Bestrafung an, da die Briten verrückt seien und sich beim Brexit nicht annähern würden.
Junker musste van Kampen mehrmals daran erinnern, dass sie sich duzen, da der ehemalige ZDF-Korrespondent den Luxemburger immer wieder zu höflich ansprach – sehr zur Freude des Publikums.
Trier-Anekdote
Mehrere Fragende waren dem Trierer Raum zuzuordnen, was Jean-Claude Juncker zu folgendem Lacher veranlasste: „Es freut mich, dass so viele Trierer hier sind. Ich bin Ehrenbürger der Stadt Trier, was den Vorteil hat, dass ich dort kostenlos beerdigt werden kann. Aber so weit möchte ich es so schnell noch nicht kommen lassen.“
Vinzenz Anton befragt mächtigsten Mann Europas
https://audiovisual.ec.europa.eu/en/video/I-172257
Unter folgendem Link findet sich der gesamte Bürgerdialog in der Mediathek der EU-Kommission – die Frage von 5vier-Reporter findet ihr ab 1 Stunde und 26 Minuten und 40 Sekunden.
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