„Orpheus in der Unterwelt“ in der Inszenierung von Alexander Kerbst feierte Premiere im Trierer Theater
Trier: Orpheus und Euydike sind verheiratet; zwar unglücklich und jeder geht mehr oder weniger heimlich seinen Affären nach, aber das stört in der Schlagerwelt weniger als eine Scheidung. Darauf ist Orpheus‘ Agentin sehr bedacht. Eine Scheidung würde der Karriere des Schlagergeigers einen empfindlichen Knacks versetzen von dem sie sich wahrscheinlich nie wieder erholen würde.
Stattdessen will Orpheus den Nebenbuhler mit einem vergifteten Kaktus aus dem Weg räumen. Doch statt dem Nebenbuhler Aristeus vergiftet sich Eurydike an dem stacheligen Grünzeug.. Dies erspart Aristeus, besser bekannt als Unterweltgott Pluto, wiederrum die Arbeit. Tot kann er seine Geliebte mit in die Unterwelt nehmen. Als Orpheus von dem Tod der Gattin erfährt, hält sich seine Trauer verständlicherweise in Grenzen, für ihn wäre die Sache damit vergessen. Doch er hat die Rechnung ohne seine findige Agentin gemacht, die darin eine einzige große PR-Aktion sieht. Sie zerrt Orpheus vor Jupiters Thron, damit der Eurydike aus der Unterwelt befreit.
Die Vorlage für die Oper „Orfeo ed Eurydice“ bildete der griechische Mythos von dem Sänger Orpheus und seiner Geliebten, die Vorlage für die Operette von Jaques Offenbach bildete wiederrum diese Oper, die Offenbach zur einer wesentlich leichteren, lustigeren und frivoleren Variante umdichtete. Alexander Kerbst möchte dieser Tendenz in seiner Inszenierung anscheinend noch einmal einen Zacken hinzugeben: Sein Orpheus ist ein langhaariger schmachtender Schlagergeiger, seine Eurydike eine gelangweilte Hausfrau im Kittelschürzenlook mit Lockenwicklern auf dem Kopf und Putzhandschuhen über den Händen, sein Pluto erscheint mit Nadelstreifenanzug und Ganovenhut und seine Götterschar in Silber und Gold gehüllt.
Kerbst, in Trier noch bekannt als „Falco“ in der gleichnamigen Tanztheater-Produktion vergangener Spielzeiten, setzt in seiner Inszenierung zu sehr auf sexuelle Anspielungen , die Sprechtexte sind holprig und erinnern stark an Karnevalsreime. Viele Einfälle der doch ideenreichen Inszenierung belaufen sich auf eben diese sexuellen Anspielungen: so muss Eurydike in einem Bild erstarren, just in dem Moment in dem sie dem Publikum ihren Hintern entgegenstreckt. Sie vergiftet sich an dem Kaktus als sie rittlings über diesen im Blumenbalkon steigen will und Pluto kettet sie nicht im Kerker an, sondern im SM-Verlies der Hölle. Die starke sexuelle Fixierung und der holprige Text erklären auch, warum der erste Akt im Treppenhaus von Orpheus und Eurydike und das Bild im Olymp kaum ankommen beim Publikum: Sklaven in Lack und Leder passen eben besser in die (SM-)Hölle als in den göttlichen Olymp und ins Treppenhaus. In der Hölle kann Jupiter eben auch mal an der Stange tanzen. Kerbst Inszenierung kommt erst zum zweiten Akt in Schwung, die Can Can-Girls bilden den Höhepunkt des zweiten Aktes. Ihnen gebührte neben Evelyn Czesla der größte Applaus.
Leider fiel einem Großteil des Publikums beim Gesang eines besonders auf: Die Sänger sangen verhalten und undeutlich. Dabei musste sich keiner der Solisten verstecken. Evelyn Czesla und Svetislav Stojanovic gewohnt souverän. Joana Caspar besonders sicher auch in den Höhen. Luis Lay sang und spielte mit viel Feuereifer. Die beiden Schauspieler Barbara Ullmann und Christian Miedreich bereicherten die Inszenierung mit ihrem Können.
Das Bühnenbild von Karel Spanhak verortet das Geschehen ins Treppenhaus eines Mietshauses, Himmel und Hölle in vergleichbare Örtlichkeiten, was den zwischenweltlichen Charakter des Geschehens betont. Die Kostüme von Carola Vollath wirken überzeichnet, die Götter in knisterndem Gold- und Silberpapier, die Dämonen in roter Spitze und schwarzem Lack. Feinere Töne wären vielleicht besser und weniger plakativ gewesen.
Der Chor hatte sichtlichen Spaß bei der Höllenparty und im göttlichen Olymp und bildete so eine gelungene Grundlage für das Geschehen. Das Orchester unter Joongbae Jee spielt präzise und mit viel Eifer.
Fazit: Leider gerät Kerbst Inszenierung vom humoristischen her zu flach, die Sänger erscheinen verhalten und singen selten mit voller Kraft, die Kostüme spielen dem Gesamteindruck zu. Die Inszenierung truf oftmals Züge einer Karnevalssitzung, Schwung erhielt der plakative Witz erst im zweiten Akt.
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