Und wieder erzählt Opa vom Krieg. Ich war diese Woche mit ein paar Freunden beim Konzert der Punk Band „Team Scheisse“, und ja: es hat Spass gemacht – aber es machte mich auch nachdenklich. Mir fiel auf, dass, wenn wir aus den 90ern berichten, es sich für unsere Kinder genau so anfühlen muss, wie für uns, wenn unsere Eltern aus den 60ern erzählt haben. Es ist also so weit: Wir sind die grau melierten Longboard Fahrer mit den künstlich verblichenen C&A Band T-Shirts. Mit dem Unterschied, daß wir bereits die Originale besaßen.
Wehmut
Das erste große Festival – für die meisten vermutlich „Rock am Ring“, was für ein Event! Da ist man nicht selten noch mit der 80er hin gefahren. Man wusste noch nicht, dass die Bands, die man da gerade vor sich hat, Geschichte schreiben. Manche sind schlecht gealtert – man schaue sich nur mal „The Cure“ an, manche haben die Kurve gekriegt und scheinen mit dem Zeitgeist gegangen zu sein. Ist das denn gut? Waren die sich denn immer treu? Ich denke da zum Beispiel an Pearl Jam…
Kostümierung
Ich muss zugeben, es juckt manchmal, sich noch mal das versiffte Karohemd, die abgeschnittenen weiten jeans und die nachlässig geschnürten Springerstiefel anzuziehen und so zu tun, als sei man immer noch ein Teenage-Angst getriebener, Mitesser züchtender Perückenständer, dessen Attitüde irgend wo zwischen Selbsthass und Körperkult liegt, aber meist vergeht dieses Gefühl sehr schnell wieder – ähnlich der Lust auf eine Zigarrette, wenn man früher lang und stark geraucht hat. Und bei beidem kann der Alkohol sehr schnell dafür sorgen, dass man doch wieder 16 ist.
Was bleibt?
Die Frage ist: legt man den inneren Punk irgend wann ab, oder bleibt etwas davon in einem? Altert die Subkultur gesund, oder macht man sich zum Clown vor der eigenen mit den Erfahrungen aufgekeimten Vernunft? Wird das Volbeat Konzert das nächste Musikantenstadl und sind Tribal Tattoos und Ziegenbärte die neuen Insignien der Spiessigkeit? Muss ich mir jetzt Pantoffeln und eine Pfeife kaufen, oder wäre das genau so lächerlich wie Baggy Pants und ein Santa Cruz T-shirt? Ich bin als Jugendlicher nicht mal geskatet…
Renaissance
Jedenfalls wächst in mir derzeit stark die Lust, noch mal auf Festivals steil zu gehen, Bands zu hören, die mich entweder in den 90ern gekickt haben, oder die ich damals nicht verstanden hab und es jetzt zu tun glaube und die Bierbong zu entstauben. Ich will auch nicht von der Jugend von heute anfangen, dennoch kann ich mir den Gedanken nicht verkneifen, dass viele Vertreter dieser generation gar nicht mehr richtig jugendlich sind, sondern eher schon vor der Pubertät an ihre spätere Karriere denken. Was müssen die erst alles mit Mitte 40 nachholen ?
Bis die Krücken brechen
Ich will mich dagegen wehren, zu sagen, dass früher alles besser war. Ich will nicht der Jugend von heute die Intelligenz absprechen, die unsere Elterngeneration uns abgesprochen hat. Ich will auch nicht, dass die Kids meine Jugendkultur verstehen müssen, sie sollen ihre eigene haben. Die Welt dreht sich weiter, und die nächste Generation wird ihr Ding schon machen, da glaube ich fest daran. Ich hingegen fühle mich immer weniger zum gesellschaftlichen Erziehen verpflichtet und freue mich darauf, auch im hohen Alter noch hier und da meine Jugend wieder zu wecken, und mich zu amüsieren, wie schlimm Jugendsünden wie Arschgeweihe, Tunnels, Lippenpiercings und bordeauxrotes Frauenhaupthaar an den anderen Mittsiebzigern aussehen, die bei der Abschiedstour von Bad Religion noch mal Pogo tanzen, bis die Krücken brechen.
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