Nach Rückenproblemen meldete sich Jermaine Bucknor gegen Bamberg in alter Form zurück, legte gegen den Meister 16 Punkte auf. Der Kanadier hat sich in seiner zweiten Saison in Trier längst unverzichtbar gemacht, gilt als Stabilisator und Vorbild. 5vier sprach mit dem 30-jährigen Forward über seine Verletzung, seine Rolle im Team, seinen Sohn und sein härtestes Matchup.
Jermaine, am Montag hat man von deinen Rückenproblemen nicht mehr viel gesehen. Wie geht es dir?
Sehr gut. Ich bin noch nicht bei 100%, aber es wird jeden Tag besser. Vor ein paar Tagen bin ich noch aufgewacht und konnte nicht mal meine Knie berühren, mein Körper hat es einfach nicht zugelassen. Eine totale Blockade.
Das muss beängstigend gewesen sein.
Es war ziemlich erschreckend. Ich hatte noch nie Rückenprobleme, das kam völlig aus dem Nichts.
Klingt absurd, da du „erst“ 30 bist – aber denkt man da auch ans eigene Alter?
Absolut! Kurz davor habe ich mich noch mit Dane Watts unterhalten [ehemals ratiopharm Ulm], der selbst Rückenprobleme hatte. Und dann hat es mich selbst getroffen. Aber als ich wusste, dass es an einer Entzündung lag, war ich erleichert – das ist mir allemal lieber als ein Bandscheibenproblem.
Gegen Quakenbrück und Hagen warst du zum Zuschauen verdammt. Wie schwer ist es, dem eigenen Team tatenlos zusehen zu müssen?
Ich weiß nicht, ob es im Basketball überhaupt etwas schwierigeres gibt als das! Zunächst mal ist es schlimm genug, verletzt zu sein. Nicht mehr das tun zu können, was du als Spieler jeden Tag zu tun gewohnt bist. Deinen Freunden, deinen Kollegen nicht helfen zu können, ist die pure Qual. Gegen Hagen war es extrem schwer, denn als Outside Shooter hätte ich gegen die Zonenverteidigung vielleicht etwas ausrichten können. Das Team hat toll gekämpft, klar, aber man wünscht sich einfach, man könnte direkt eingreifen.
Du hast deinen Distanzwurf angesprochen, ziehst aber auch regelmäßig in die Zone. Wo fühlst dich generell wohler?
Eigentlich in der Verteidigung. Mein Wurf und mein Ballhandling sind ganz gut; ich kann auch mal unter Druck den Ball bringen. Aber es gibt natürlich Tage, an denen offensiv nicht viel zusammenläuft. Auf meine Energie und meinen Einsatz in der Verteidigung habe ich dagegen immer Einfluss. Am wohlsten fühle ich mich in der Post-Defense; was vielleicht merkwürdig ist, weil ich da einen Größenachteil habe. Verglichen mit unseren großen Jungs wie Andi, Vita, Luka und Stefan bin eigentlich ein Zwerg.
Du bist nicht gerade als Turnover-Maschine bekannt. Woher kommt die Selbstsicherheit, die Ruhe in deinem Spiel?
Ich hatte das große Glück, in jungen Jahren schon Basketball auf allerhöchstem Level spielen zu können. Im kanadischen Nationalteam waren extrem erfahrene Leute wie Steve Nash und Rowan Barrett um mich rum. Wir waren kaum 17, 18 Jahre alt, da haben Jermaine Anderson und ich diesen Jungs schon bei der Arbeit zugesehen. Außerdem – ich schaue permanent Basketball. Ich bin Basketball-Junkie. Ich meine, ich sehe mir ein Spiel nicht einfach so zum Spaß an – das kann ich gar nicht – ich muss immer alles analysieren: Wie haben die gerade dieses Pick-and-Roll durchgezogen? Warum kommt dieser oder jener Spieler so offen zum Wurf? Und so weiter. Ich spule eigentlich die ganze Zeit zurück [lacht]. Deswegen: Selbst wenn ich mal eine Woche nicht gespielt habe, lerne ich etwas über Basketball.
Und dann kommst du nach einer Verletzungspause so zurück wie gegen Bamberg?
In der Woche vor dem Spiel habe ich mir drei Euroleague-Spiele der Bamberger angesehen. Ich will vor so einer Partie einfach die Spielzüge kennen und wissen, was auf mich zukommt.
Gut, aber du denkst dir doch nicht vor dem Spiel: Heute schenke ich denen im letzten Viertel elf ein…
Nein, so funktioniert das natürlich nicht. Wir laufen nicht so viele offensive Spielzüge für mich. Aber ich arbeite im Training immer viel an meinen Sprungwürfen, und wenn ich im Spiel dann den offenen kriege, drücke ich ab.
Zum ersten Mal seit einer gefühlten Ewigkeit sind fast alle im Team gesund, Tony Canty kommt hoffentlich auch bald zurück. Ist die Stimmung im Team jetzt eine andere?
Ich denke schon. Bislang war es wie bei einer Drehtür – einer kommt zurück, dafür fällt ein anderer aus. Zeitweise hatten wir nicht mal genug Leute, um fünf gegen fünf zu spielen. Außerdem wirken sich die ganzen Verletzungen auch auf die Teamchemie aus, gerade zu Saisonbeginn. Fällst du da drei, vier Wochen aus, ist der Wiedereinstieg sehr schwierig. Selbst, wenn du dir alle Spielzüge einprägst – man muss einfach erst lernen, miteinander zu spielen.
Wenn sich die Verletzungen häufen, wie ja auch gerade in der NBA, sucht man gerne nach übergeordneten Gründen. In Amerika wird der überfüllte Spielplan kritisiert. Das dürfte auf die BBL ja kaum zutreffen.
Ehrlich gesagt, über die Verletzungswelle habe ich schon zigmal nachgedacht, ohne einen Grund zu finden. Die Coaches achten sehr darauf, dass unsere Gelenke und Muskeln nicht überbelastet werden. Daran liegt es schon mal nicht. Ich glaube wirklich, das es einfach Zufall war. Und was den Spielplan betrifft: Ja, wir haben hier weniger Spiele als in der NBA. Das kriege ich ständig zu hören. Aber meiner Meinung nach ist eine BBL-Saison anstrengender.
Warum das?
Das Training hier ist wesentlich intensiver. Dort spielen sie 82 Spiele pro Saison. Dazwischen bleibt aber kaum Zeit für längere Trainingseinheiten. Ich habe schon für europäische Teams gespielt, bei denen wir zweimal täglich über zweieinhalb Stunden trainiert haben, fünf Tage die Woche! Das geht in die Knochen. Man sieht es auch an der Spielweise – vergleich mal ein reguläres Spiel mit einem Playoffspiel in der NBA, das ist ein Riesenunterschied. Erst in der Postseason geht es da richtig zur Sache. Bei uns dagegen, aufgrund der wenigen Spieltage, zählt jede Partie, jeder Ballbesitz unheimlich viel.
Seit kurzem hast du zwei Jobs: Du bist Basketballprofi, und Vater eines Sohnes, Miles Maximus. Wie schwierig ist es, beides unter einen Hut zu bringen?
Anfänglich war es gar nicht so einfach. Mein Leben änderte sich grundlegend, es ging spät ins Bett, früh raus, und so weiter. Aber in den letzten Wochen war es einfach nur großartig. Ich komme nach Hause und sehe ihn – es gibt kein besseres Gefühl auf der Welt, völlig egal ob der Tag davor gut schlecht war. Und meine Frau ist die geborene Mutter – sie sah vom ersten Tag an so aus, als hätte sie nie was anderes gemacht als Kinder großzuzuziehen. Sie weiß, dass mein Job körperlich anstrengend ist und sorgt dafür, dass ich meinen Schlaf kriege. Das macht es mir natürlich sehr einfach.
Mit Jermaine Anderson gehörst du im Grunde zu den Veteranen in der Mannschaft. Siehst du dich dadurch automatisch in einer Vorbildfunktion?
Vielleicht. Als junger Spieler habe ich oft an die Erfahrenen auf meiner Position drangehängt, habe alles aufgesaugt. Unsere jungen Spieler hier sind ganz ähnlich und stellen viele Fragen. Aber man darf sich das nicht so einseig vorstellen, ich lerne auch was von ihnen.
Was sind, in basketballerischer Hinsicht, deine eigenen Vorbilder?
Vor allem Jesse Young und Rowan Barrett. Eigentlich aber auch Jermaine Anderson! Vor den NCAA-Saisons – wir spielten damals in der selben Conference – bin ich nämlich immer zu ihm nach Toronto geflogen, dort haben wir zusammen trainiert. Dabei habe ich alle seine Guard-Übungen mitgemacht, Ballhandling inklusive. Er hat mich da voll durchgeschleift, ich verdanke ihm praktisch meine Guard-Fähigkeiten.
In diesem Sinne – welcher deiner Mitspieler ist wohl das härteste Matchup im Eins-gegen-eins?
Darüber muss ich nicht mal nachdenken – das ist Trévon. In der Verteidigung vor ihm zu bleiben, ist ernsthaft unmöglich. Es geht einfach nicht. Einige der besten Guards in der BBL würden das nicht schaffen. Ich hatte noch nie einen Spieler in meiner Mannschaft, der so zuverlässig an seinem Gegner vorbeigehen, ein Doubleteam anlocken oder ein Foul ziehen kann.
Jermaine, vielen Dank für das Gespräch.
[statistik]
Saisonstatistik
(nach acht Spielen)
- Punkte pro Spiel: 10.0
- Wurfquote: 62.2%
- Rebounds pro Spiel: 5.4
- Assists pro Spiel: 2.3
- Ballverluste pro Spiel: 1.6
- Effizienz: + 14.5
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