Von Daniel Sandbühler (Fotos) und Florian Schlecht (Text)
Die vermutlich älteste Studentenkneipe in Trier steht vor dem Aus. Nach dem 9. Februar soll das Fetzenreich geschlossen werden. Während das Bistum die Entscheidung inhaltlich begründet, sind das Mitarbeiterteam und die Stammgäste fassungslos. „Vom Telekom-Manager bis zum Studenten ist hier ein großes Publikum vertreten. Wir stehen doch für die Gemeinschaft, die man sich in der Kirche wünscht.“
In der ältesten Studentenkneipe von Trier ist es schon feste Tradition, das in dem urigen Ambiente bei einem Bier über Gott und die Welt gesprochen wird. Hochzeiten, die Fußball-EM auf einer Leinwand, Stammtische, ein Buch lesen bei einer Tasse Kaffee: Das Fetzenreich ist fester Bestandteil der Kneipenkultur der Stadt. „Hier haben wir eine echte Gemeinschaft, es ist wie eine große WG, jeder kann herkommen“, sagt Mitarbeiterin Leonie Schlegel. „Ich würde auch gerne in 30 Jahren ins Fetzenreich gehen und sagen, dass ich früher oft hier gewesen bin.“ Der Wunsch der Architektur-Studentin wird sich aber wohl nicht erfüllen. Das Bistum Trier hat die Schließung angekündigt. Am 9. Februar soll es wohl das letzte Mal die Möglichkeit geben, im Fetzenreich bei einem Bier über Gott und die Welt zu sprechen.
Für viele Fachschaften und Stammgäste bedeutet das, sich recht bald nach einer neuen Location umsehen zu müssen. „Es gibt vom Bistum und der Katholischen Hochschulgemeinde kein Interesse mehr an der Kneipe“, betont Schlegel, die kein Verständnis für diese Sichtweise hat. „Wir stehen hier doch für eine Gemeinschaft, wie man sie sich auch in der Kirche immer vorstellt. Vom Telekom-Manager bis zum Studenten, von 20 bis 55 Jahre, ist hier ein großes Publikum mit jedem Gesprächsthema vertreten.“
„Der Laden läuft, wir haben keinen Stress damit“
Das Bistum begründet die Kürzung mit generellen Kostensenkungen im Haushalt. Dabei sei auch eine Pfarrerstelle weggefallen. Von 2008 bis 2011 hat Ralf Hildesheim diese noch eingenommen, der im Fetzenreich auch die Aufgabe der Seelsorge übernahm. „Dieser Aufwand konnte danach vom Personal nicht mehr geleistet werden, das noch aus einer Pastoralreferentin und einer Sekretariatskraft besteht “, erklärt Horst Drach, Abteilungsleiter Pastorale Feder des Bistums.
Wirtschaftlich betont Schlegel, dass sich das Fetzenreich finanziell mit „schwarzen Zahlen“ getragen habe. „Wir haben ein Team mit sieben Leuten. Keiner muss sein Brot davon verdienen, der Laden läuft, wir haben keinen Stress damit. Warum wird etwas geschlossen, was noch Geld macht?“ Drach führt den Aufwand mit der Verwaltungsarbeit und Buchhaltung dagegen. Dazu sei die Kneipe von Mietzahlungen befreit. Von studentischer Seite aus herrscht dagegen Unverständnis wie Ratlosigkeit. Die Kritik zielt in Richtung der Informationspolitik des Bistums und der Hochschulgemeinde, von der auch 5vier trotz einer E-Mail-Anfrage und mehrfacher telefonischer Versuche keine Stellungnahme und keinen Rückruf erhielt. Die schlechte Nachricht über die beliebte Studentenkneipe, so der Tenor in den Fachschaften, sei nur übers Hörensagen in die Fachschaften der Uni gelangt.
„Die Hoffnung auf einen Retter ist klein“
Die Enttäuschung ist riesig. Als Trierer Veranstaltungsort für Studentisches sei die Kneipe im Fetzenreich bisher unersetzlich gewesen, habe es doch bisher an geeigneten Alternativen gemangelt. Die Fachschaft der Philosophie hielt einen wöchentlichen Stammtisch im Fetzenreich ab und sucht nun händeringend nach einer Ausweichmöglichkeit. „Es ist schwierig, gegen die Schließung vorzugehen“, schimpfen Studenten darüber, dass ihre Meinung nicht gehört werde. Trotzdem setze man alles daran, Aktion gegen das geplante Aus zu unterstützen. „Schließlich werden wir die älteste Studentenkneipe Triers schmerzlich vermissen.“
Die Versuche, die bislang für den Erhalt des Fetzenreichs gestartet wurden, hatten jedoch keinen Erfolg. Auch wenn viel Leidenschaft dahinter steckte. Über 500 Postkarten gingen beim Bistum ein, in dem Besucher der Kneipe ihre Beweggründe schilderten, warum sie nicht geschlossen werden darf. „Eine Reaktion haben wir nicht erhalten“, sagt Schlegel. Drach betont, jede Karte gelesen zu haben – sieht aber ursprüngliche Aufgabenstellung der Kneipe nicht mehr gewährleistet. „Ich habe viel drüber nachgedacht. Bei vielen bleibt der Eindruckt, dass hier eine Studentenkneipe geschlossen wird. Aus unserer Perspektive sollte aber ein Hochschulpfarrer da sein, der zu Gesprächen bereit ist.“ Schlegel erwidert, dass die Mitarbeiter zu Änderungen des Konzeptes bereit gewesen wären. „Das haben wir auch mitgeteilt. Die Kirche muss doch ein Interesse daran haben, an die Jugend ranzukommen, die hier abends noch in geselliger Runde beisammen sitzt.“
Auch Drach bedauert das Aus für das Fetzenreich. „Ich habe die Vorzüge der Kneipe als Student selber erlebt. Es ist ein toller Ort mit Atmosphäre. Die Entscheidung tut weh – sie ist aber aus inhaltlichen Gründen gefallen.“ Im Fetzenreich selber hat so schon die Endzeitstimmung eingehalten. Die Verträge mit Lieferanten sind gekündigt, es gibt keine Großeinkäufe mehr, die Holztische und Bänke werden in einigen Wochen unbesetzt sein. Eine traurige Vorstellung für alle, die mit dem Herz an dem Ort hängen. „Die Hoffnung, dass ein Retter kommt, ist klein“, sagt Schlegel. Die Studentin erinnert sich an ein großes Sommerfest, das 2012 ausgerichtet wurde. „Da waren Leute dabei, die 1977 schon hier waren. Alle haben Bilder mitgebracht und diese als Galerie an eine Wand gehängt.“ Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass ab Februar keine neuen Impressionen mehr hinzukommen.
Laura meint
Wer das Fetzenreich schließt kommt in die Hölle!!