Heute vor 30 Jahren stieg der TV Germania Trier in die Basketball-Bundesliga auf. 5VIER blickt zurück und spricht mit den Akteuren.
Aufstieg in der „Mäushecker“
Ganz andere Zeiten waren das, heute vor 30 Jahren. Rund 1900 Menschen stehen, dicht an dicht, in der Sporthalle am Mäusheckerweg und verfolgen voller Begeisterung ein Basketballspiel.
Heute unvorstellbar: Menschenansammlungen gibt es gerade nicht, Basketball wird nicht mehr gespielt. Und die legendäre Sporthalle am Mäusheckerweg ist auch abgerissen.
In diese so besondere Zeit fällt ein Jubiläum: Heute vor 30 Jahren ist Trier in die Basketball-Bundesliga aufgestiegen. Am Mittwoch, dem 28. März 1990, um 21:07 Uhr, so schrieb die größte Tageszeitung der Stadt damals, sei es offiziell gewesen. Die Mannschaft des TV Germania Trier hatte sich mit einem Sieg gegen den EOSC Offenbach die Meisterschaft in der zweiten Liga erspielt, bereits am drittletzten Spieltag der Saison war daran nichts mehr zu rütteln. Nur vier Jahre nach dem Aufstieg in die zweite Bundesliga hatte Trainer Wolfgang Esser sein Team nun auch unter die besten 14 Mannschaften der Bundesrepublik geführt.
Bundestrainer Pesic war Zeuge der Sensation
„Bayreuth, wir kommen“ tönte es damals durch die ausverkaufte Halle. Bayreuth? Tatsächlich: Zu diesem Zeitpunkt war Steiner Bayreuth amtierender Meister, auch den Pokal hatten sie sich im Vorjahr gesichert. Der Aufstieg 1990 lag damit sogar noch vor den Serienmeisterschaften von Bayer Leverkusen und Alba Berlin.
Bundestrainer Svetislav Pesic war ebenfalls im ausverkauften Mäusheckerweg, um die Entscheidung im Kampf um den Aufstieg zu verfolgen. Seit 1987 betreute er die deutsche Nationalmannschaft, 1993 holte sein Team den EM-Titel.
Der TV Germania blieb ungeschlagen in der Aufstiegsrunde, dann ging es in die Sommerpause und schließlich in die Bundesliga. Es folgten große Zeiten, in denen die Pokalsiege 1998 und 2001 die Höhepunkte waren.
Die Aufstiegsmannschaft erinnert sich zurück
Wolfgang Esser holt lange aus, um den Erfolg zu erklären. Der Trainer, der bis 1985 in Linz tätig war, hatte eingefädelt, dass mit ihm einige Trierer Spieler, die bei anderen Teams aktiv waren, in ihre Heimatstadt zurückkehrten. Um beim TVG zu spielen, der gerade in die Regionalliga aufgestiegen war.
„Wir haben dann sehr viele Einflüsse von außen mitgebracht. Wir wollten probieren, modernen Basketball nach Trier zu bringen. Das ist der Mannschaft anfangs sehr schwergefallen. In der Hinrunde waren wir Vorletzter, haben in der Rückrunde aber dann jedes Spiel gewonnen.“
Als Tabellenzweiter stieg man auf, es folgte der Umzug von der Wolfsberghalle in die Halle am Mäusheckerweg. Esser: „Das war vom ersten Spieltag an eine Sensation. Wir hatten 1200 Zuschauer, wir waren fast immer am Limit.“ Über die Jahre kamen Zusatztribünen dazu, um dem Andrang gerecht zu werden.
Auch in der zweiten Liga konnte man gut mithalten, wurde Fünfter, Vierter, dann Dritter.
„Vor unserem vierten Jahr in der Liga haben wir dann gemerkt, wir können den Aufstieg schaffen.“ Gezielt verstärkte man sich mit George Devone und Peter „Rookie“ Reißaus, die bei Bayern München nicht mehr gebraucht wurden, weil der Verein sich aus dem Basketball zurückziehen wollte.
Der Kern der Mannschaft blieben Trierer. Rainer Loch, James Marsh und Patrick Börder prägten das Gesicht des Teams und des Trierer Basketballs über viele Jahre.
Das war kein Zufall: „Wir wollten erfolgreich sein, aber die Prämisse war immer, dass wir eine sehr gute Nachwuchsarbeit machen. Wir haben in jedem Jahrgang Spieler hervorgebracht, die zu der Mannschaft dazugestoßen sind.“
„Eine eingeschworene Gemeinschaft“
Diese Mannschaft muss eine ganz besondere gewesen sein, da sind sich alle Beteiligten einig. Rainer Loch berichtet: „Ein Faktor war, dass wir von Grund auf als Mannschaft gewachsen waren. Die Struktur der Mannschaft war mit James, Paddy und mir ein Trierer Grundkonstrukt. Die Leute, die dazu kamen, waren alle aus dem Umfeld. Als wir dann immer besser geworden sind, haben wir unser Einzugsgebiet weiter ausgedehnt, bis Dreis-Karden und Saarlouis.
Wir sind nie zu früh über das Ziel hinausgeschossen, sondern über die Jahre gewachsen. Und mit allen die dazu gekommen sind, hat es menschlich immer gut gepasst. Wir waren eine eingeschworene Gemeinschaft. Das lag auch an der Zeit – heute ist sowas nicht denkbar. Die Entwicklung seitdem war sehr rasant. Damals war das alles sehr familiär.“
Natürlich konnte man sich auch sportlich sehen lassen: „Man darf nicht vergessen, dass Wolli als Trainer damals absolutes Topniveau war. Es war also auch harte Arbeit. Aber es hat Spaß gemacht“, so Loch.
James Marsh erinnert sich ebenfalls gerne zurück: „Damals gab es, vielleicht anders als heute, eine ganz große Kameradschaft. Alle hatten Bock. Ich war ja das Küken der Mannschaft, 16-jährig beim Aufstieg. Ich habe das direkt so wahrgenommen, dass das eine sehr familiäre Geschichte war, wo wir jeden integriert haben. Das war sehr schön und hat Spaß gemacht.“
Heute vor 30 Jahre: Der Tag des Aufstiegs
Börder: „Das war mit Sicherheit eins der schönsten Ereignisse in meinem Leben. Als Trierer Jung mit der Mannschaft aufzusteigen. Wir waren ja noch Amateure, die meisten haben eine Ausbildung gemacht oder studiert.“
Nicht nur das: „Es war auch eine der unvergesslichsten Nächte. James hatte einen Ghettoblaster dabei in der Kabine. Wir haben unter der Dusche gefeiert, bis das Wasser kalt wurde“, lacht Börder.
Marsh: „Es war toll und unglaublich. Ich war noch jung, aber Basketball hat mir viel bedeutet. Ich habe damals schon in der Junioren-Nationalmannschaft gespielt, kannte die anderen Spieler aus den tollen Mannschaften, Leverkusen oder Hagen. Und ich kam halt aus Trier. Da war das wichtig, dass es hier dann auch eine Erstligamannschaft gab.“
Die Festung am Mäusheckerweg
Für Rainer Loch ist ganz klar, was neben der Gemeinschaft der zweite entscheidende Faktor auf dem Weg zum Erfolg war: „Der Mäusheckerweg. Dieses Feeling, diese Unterstützung, das hat uns in Heimspielen nochmal eine halbe Klasse besser gemacht. Die Masse, die Nähe – die Leute hatten das Gefühl, wirklich mitzuspielen. Wir waren ja in der Mannschaft immer einige Trierer und der Rest aus der Region. Du hattest immer das Gefühl, du guckst auf die Tribüne und kennst alle. Und umgekehrt auch: Das war nicht der Spieler mit der Nummer 11, sondern der Rainer. Der Mäusheckerweg war unser Wohnzimmer. Da war alles auf Augenhöhe, sehr sehr nah. Das war schon toll.“
Woher diese große Begeisterung in Trier kam, verwundert noch immer. „Wir haben damals und auch in der Bundesliga schon in gegnerischen Hallen gespielt vor 300 bis 400 Leuten“, berichtet James Marsh. „In Trier sind die Leute ausgeflippt. Die Trierer haben den Basketball einfach geliebt.“ Bis heute: Seit 35 Jahren ziehen die Trierer Basketballer mehr Zuschauer an als die meisten ihrer Konkurrenten.
Börder beschreibt es so: „Irgendwann wurde es ‚in‘, in den Mäusheckerweg zu pilgern. Eintrittskarten wurden ein knappes Gut. Wir waren erfolgreich und das hat die Leute fasziniert. Die Halle war eine Festung, voll bis unters Dach. Da hatte jeder Respekt, der zu uns kam. Das kannten andere Vereine nicht. Und nach dem Spiel sind wir ins Foyer gegangen und haben mit den Fans ein Bier getrunken.“
Schwierige Zeiten für den Trierer Basketball
25 Jahre lang hielt sich die Mannschaft – unter verschiedenen Namen – in der Spitzenklasse. Einfach war das nie, insbesondere finanziell. 2015 dann die Insolvenz mit Neustart in der zweiten Liga. Und heute steht der Profibasketball wieder auf der Kippe. Ausgelöst durch die fehlenden Einnahmen in der Zeit des Coronavirus‘ steht das Unternehmen hinter dem ProA-Team vor dem Aus. Eine beispiellose Rettungsaktion soll für die Sanierung sorgen. Neben Hilfen von Sponsoren sind auch die Fans aufgerufen, insgesamt 120.000 Euro beizusteuern. 50.000 sind nach acht Tagen bereits zusammengekommen.
Auch für die Aufstiegshelden eine besondere Situation.
Börder: „Aus emotionaler Sicht ist es für uns so: Basketball ist wie ein Kind, das man geboren und großgezogen hat. Jeder von uns wird immer emotional damit verbunden bleiben. Das waren Erlebnisse, die uns geprägt haben. Es war bewegend zu sehen, was sich daraus über 30 Jahren entwickelt hat. Dass es bis heute Leute gibt, die sich für Basketball interessieren. Da haben wir schon was hinterlassen, oder dazu beigetragen, dass es so weit kam.“
Börder war selbst von 2002 bis 2005 Geschäftsführer der Bundesligaclubs, der dann als TBB Trier antrat. So kennt er auch die rationale Perspektive: „Es war immer schwierig, und es wird immer schwieriger, Basketball in professioneller Form zu erhalten in Trier. Es hat immer vieler engagierter Menschen bedurft, die dahinterstanden. Man hat es nie geschafft, das langfristig auf autarke Füße zu stellen.
Man kann froh sein, dass es Leute gibt wie Achim Schmitz, die versuchen, die ProA mit allen Mitteln zu erhalten. Davor kann man gar nicht genug den Hut ziehen.“
Mit Blick auf die durch Corona bedingte Lage sagt James Marsh: „Das ist super schade, man hat ein Zweitligaprogramm auf die Beine gestellt, was funktioniert und sich sportlich etabliert hat. Auch andere Vereine sind gerade betroffen, aber bei Trier ist es extrem, weil Trier immer noch diese hohen Zuschauerzahlen hat. Dass ein Verein dadurch in die Schieflage kommt, ist natürlich schade. Ich drück die Daumen, dass sie es irgendwie packen.“
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