Sie könnten kaum unterschiedlicher sein: Ricky Harris und Dennis Kramer sind die außerplanmäßigen Verpflichtungen der Saison. Beide erfüllen nun wichtige Rollen. Ein Entwicklungsbericht.
Trier. Dennis Kramer hat gut lachen: Gerade hat er mit der TBB Trier den haushohen Favoriten FC Bayern bezwungen und seinen Teil zum Achtungserfolg beigetragen. Dabei wurde der 22-Jährige, vor seiner Verpflichtung am College in San Diego und in der ProA aktiv, in Trier regelrecht ins kalte Wasser geworfen.
Für den Sohn der Bonner Basketball-Legende Arvid Kramer könnte die Situation nämlich kaum schwieriger sein: Der Center und Power Forward sammelt nicht nur die ersten Erfahrungen im Profi-Basketball, sondern stößt dabei in der laufenden Saison zu einem Team, dessen Systeme er nicht kennt, um den verletzten Andi Wenzl zu vertreten. In fünf Spielen kommt der Rookie durchschnittlich auf fast elf Minuten Spielzeit, in seinem dritten BBL-Spiel gegen Bonn sind sogar üppige 23 Minuten gewesen. Zuletzt stand der 2,09-Meter-Mann ausgerechnet vor der Aufgabe, John Bryant zu verteidigen – und machte dem dominanten Center das Leben erstaunlich schwer, ließ „Big John“ im Post-up keine leichten Punkte durchgehen. Falsche Ehrfurcht vor großen Namen hat er jedenfalls nicht: „Respekt vor John Bryant? Auf jeden Fall. Aber ich nehme es trotzdem mit ihm auf, ist doch klar“, erklärt der Rookie vor dem Spiel lächelnd.
Dennis Kramer: Ins kalte Wasser geworfen
Gemessen an den Umständen macht sich der Backup also recht gut, wie auch Co-Trainer Thomas Päch betont: „Wir sind in erster Linie froh, dass wir ihn überhaupt haben. Es ist nicht einfach, einen großen Deutschen zu bekommen. Es ist wichtig, dass wir jemanden in der Hinterhand haben, der Stephan und Vita verstärken kann. Wir sind sehr zufrieden mit ihm, weil er in einer schwierigen Situation kam, sich sofort einfügen konnte und dabei gelassen bleibt. Deswegen bekommt er auch relativ viele Minuten“. Offensiv konnte Kramer, der für einen Spieler seiner Größe über einen passablen Wurf verfügt und den einen oder anderen Distanzwurf einstreut, allerdings noch keine Akzente setzen.
„Respekt vor John Bryant? Auf jeden Fall. Aber ich nehme es trotzdem mit ihm auf.“
College-Abgänger wie er haben es in der BBL traditionell nicht leicht, in der Regel prägen typische Umstellungsprobleme eine Debütsaison. Päch erklärt: „Dort herrscht definitiv eine andere Spielkultur. In gewisser Weise ist der College-Basketball eine Vorbereitung auf die NBA, in der das Eins-gegen-eins immer noch im Mittelpunkt steht. Hier dagegen ist das Spiel schneller, die Systeme müssen unbedingt sitzen, und die Shot Clock übt einen viel größeren Druck aus“ [Anm. d. Red.: im US-amerikanischen College-Basketball gibt es für einen Angriff 35 statt 24 Sekunden Zeit]. Kramer hilft seine unkomplizierte Art, mit den veränderten Anforderungen umzugehen. Er habe sich in Trier „schon gut eingelebt“, erklärt er, jetzt gehe es darum, „Minuten zu sammeln und sich Schritt für Schritt verbessern, erstmal vor allem beim Rebound“.
Ricky Harris: „An guten Tagen nicht zu stoppen“
Eine Nachverpflichtung ganz anderer Art ist bekanntlich Ricky Harris – seine Vertagsverlängerung stand ganz oben auf dem Wunschzettel der Fans, und das aus gutem Grund. Als aggressiver Slasher kann der 27-Jährige jederzeit den Korb attackieren, trifft dabei entweder selbst oder öffnet Räume für seine Mitspieler, kann zudem richtig heißlaufen.
Henrik Rödl und Thomas Päch wissen, was das Team an Harris hat: „An guten Tagen ist er nicht zu stoppen.“ Dafür gibt es konkrete Gründe. Harris selbst erklärt: „Meine Rolle hier ist eine andere, als ich sie zum Beispiel in Würzburg hatte. Dort war ich eher der Spielertyp, der am Perimeter herumsteht, den Kickout-Pass bekommt und direkt punkten muss. Das ist berechenbar. Mir ist es aber lieber, konstanten Druck auf die Defense auszuüben, meine Gegenspieler zum Arbeiten zu zwingen. Der muss so richtig ins Schwitzen kommen!
„Mir ist es lieber, konstanten Druck auf die Defense auszuüben, mein Gegenspieler zum Arbeiten zu zwingen. Der muss so richtig ins Schwitzen kommen!“
Hier kann ich ein kompletteres Spiel machen, die anderen Jungs ins Spiel einbeziehen und auch eine Art emotionaler Antreiber sein […] Am Ende des Tages bin ich zwar trotzdem eher ein Scorer, aber die neue Spielweise hilft mir, in einen Rhythmus zu kommen.“ Die Vertragsverlängerung motiviert zusätzlich: „Es ist ein gutes Gefühl, wenn du weißt, dass man dich für den Rest der Saison braucht […] mein engster Familienkreis hat reagiert, als hätte ich meinen Vertrag gleich um vier Jahre verlängert (lacht)“.
Direkte Konkurrenten stolpern nicht
Nach einer schwierigen Phase legte das Team ausgerechnet gegen den vermeintlichen ‚Übergegner‘ Bayern den Schalter um – das Resultat „langer harter Arbeit“, wie Matchwinner Jermaine Bucknor nach dem Wahnsinnserfolg betonte. Mit Hagen und Tübingen folgen in den nächsten drei Spielen nun zwei direkte Kontrahenten aus der unteren Tabellenregion, die am zwölften Spieltag ebenfalls Punkte einfahren konnten. Trotzdem arbeitet man in der Vorbereitung nur von Spieltag zu Spieltag, wird sich in dieser Woche also ausschließlich auf Bremerhaven konzentrieren. Dafür ist ausreichend Zeit: „Wir haben in den vergangenen Spielen weniger auf den Gegner als auf uns geschaut und zum Beispiel an unserem Reboundverhalten gearbeitet. Diese Mechanismen funktionieren jetzt aber immer besser“, analysiert Co-Trainer Päch. Am kommenden Sonntag, 14. Dezember, gegen Bremerhaven wird sich zeigen, wie gut es funktioniert.
Kommentar verfassen