Von Andreas Maldener
Beim 2:0-Heimsieg von Fußball-Regionalligist Eintracht Trier gegen den SC Verl würde man ihn wohl eher nicht zum „Man of the Match“ wählen. Doch gerade diese Unaufälligkeit ist es, die Triers defensivem Mittelfeldspieler Jeremy Karikari eine mehr als solide Leistung attestiert. 5vier.de wirft im ersten Teil der Reihe „Taktikcheck“ einen besonderen Blick auf die Position des defensiven Mittelfeldspielers und auf die Rolle Karikaris im Spiel gegen Verl.

Ein Bild mit Symbolcharakter: Jeremy Karikari war seinen Gegenspielern beim 2:0-Sieg gegen Verl immer einen Schritt voraus.
Nach grandiosen Rasenschlachten auf nationaler wie auf internationaler Ebene überschlagen sich die Meldungen der Fußball-Fachblätter in regelmäßigen Abständen. So zum Beispiel auch nach dem Finale der Champions-League am 27. Mai 2011 zwischen dem FC Barcelona und Manchester United. Am Ende siegten die Katalanen mit 3:1, die Weltpresse aber bejubelte nur einen Akteur: Lionel Messi. „Gott ist aus dem Himmel herabgestiegen und auf dem Rasen von Wembley erschienen“, titelte die spanische „Marca“. Ohne Gegenrede werden wohl alle Liebhaber des runden Leders zugeben müssen, dass dieser 23-jährige Lionel Messi ein ganz besonderes Talent ist.
Doch gerade in solchen Begegnungen, die in den Nachberichten gerne zu einer einzigen „One-Man-Show“ hochstilisiert werden, sind es allzu oft andere Spieler, denen die glänzenden Solisten ihren Auftritt zu verdanken haben. Im Finale der Fußball-Königsklasse hieß dieser Spieler Sergio Busquets. Der 23-jährige, der wie sein Mitspieler Messi und viele andere Talente der Katalanen aus dem eigenen Jugendinternat „La Masia“ stammt, übernahm in Barcas 4-3-3-System die Position des defensiven Mittelfeldspielers.
Warum aber ist der defensive Mittelfeldspieler in den modernen taktischen Ausrichtungen von besonderer Bedeutung? Wer sind die bedeutendsten Spieler auf diesen Positionen? Wer übernimmt eigentlich bei Eintracht Trier die wichtige Aufgabe im Mittelfeld? Was sagen Trainer und Spieler selbst zur Rolle des Defensivmannes? 5vier.de liefert Überblick und Analyse zu einem der spielentscheidenden Akteure schlechthin.
Vom Libero zum defensiven Mittelfeld
Defensive Mittelfeldspieler entstanden aus dem Aufgabenfeld des Liberos, der in den Spielsystemen der 70er-Jahre Popularität erlangte. Zu Zeiten des großen Franz Beckenbauer übernahmen die Verteidiger in der Regel noch die Aufgaben eines typischen Manndeckers mit einer klaren Zuteilung über 90 Minuten. Im Defensivbereich war der Libero nun der einzige Spieler, der keine festen Bewacheraufgaben zu übernehmen hatte. Für ihn bedeutete diese zusätzliche Freiheit auch, sich bei Angriffen der eigenen Mannschaft einschalten zu können.
Mit der Zeit jedoch verschwand der Libero aus den taktischen Systemen der modernen Trainer. Die Umstellung auf eine Viererkette bedeutete jedoch keinesfalls das Aus des Liberos. Seine Aufgaben werden heute vom defensiven Mittelfeldspieler übernommen, der auch „Sechser“ genannt wird.
Zerstörer und Strategen

Karikari hat in Trier die gewaltige Aufgabenfülle als Zerstörer, Stratege und Spielmacher zu leisten.
Ein Sechser findet sich heute in nahezu jeder Startformation, sei es in der Bundesliga oder den unteren regionalen Spielklassen. Vor der eigentlichen Abwehrkette positioniert ist es seine erste Aufgabe, das Offensivspiel des Gegners bereits frühzeitig zu unterbinden. Eine zerstörerische Aufgabe, denn der Sechser ist das erste echte Mitglied der Defensive, dass sich den Angriffswellen der Kontrahenten gegenüber sieht. Zwar sollen sich in der Rückwärtsbewegung auch die Stürmer sowie die Mittelfeldspieler in die Defensivarbeit einspannen, dennoch ist der Sechser bei Angriffen des Gegners der zentrale Akteur schlechthin. Er muss die Spielzüge und Angriffsformationen erkennen, seine Mitspieler sortieren und gleichzeitig nahe an den Spielgestaltern sein, um im Fall der Fälle intervenieren zu können.
Doch einen Sechser lediglich auf die Figur des rabiaten Zerstörers zu reduzieren, gleicht beinahe einer Majestätsbeleidigung. Das Bild wandelte sich nach defensiven Mittelfeldspielern wie Dieter Eilts und Jens Jeremies, die ihre Arbeit effektiv verrichteten, als harte Hunde aber wenig Charme auf dem Rasen versprühten. Die heutigen Sechser wie Sergio Busquets, Youngster Marouane Fellaini oder Michael Essien lassen sich nur noch bedingt auf das rein zerstörerische Element herunterbrechen.
Vom Staubsauger zum Lenker und Denker
Vielmehr übernehmen defensive Mittelfeldspieler im modernen Fußball die Rolle des „ersten“ Spielmachers. Nach gewonnenen Bällen in der Verteidigung sind sie es, die das Spiel mit ihren Ideen öffnen, die Angriffe einleiten und das Spiel schnell machen. Der Sechser wurde so vom Zerstörer zum Lenker und Denker einer Mannschaft. Von der Absicherung des eigentlichen Spielmachers, des typischen „Zehners“, hat er sich selbst zum Spielmacher entwickelt. Deswegen sind die Anforderungen an diese besondere Spezies Fußballer auch enorm: Spielverständnis, Defensivarbeit, Ballsicherheit, Passpräzision, Kommunikation mit den Mitspielern. Reagiert der Sechser nach einem Ballgewinn zu träge und unentschlossen, stagniert das komplette Spiel vor ihm ebenfalls. Der Gegner hat genügend Zeit sich neu zu sortieren, der Überraschungsmoment ist vertan.
Jeremy Karikari – Ein Sechser nach Maß mit Startschwierigkeiten
Auch Eintracht Trier hat einen solchen Sechser in seinen Reihen. Nach einigen taktischen Rotationen und Überlegungen kristallisiert sich bei Trainer Roland Seitz aktuell der Hang zu einem 4-1-4-1-System heraus. Aus einer sicheren Defensive heraus soll das Spiel eröffnet werden, lautet die erste Devise. Klar, dass ein solches defensiveres Grundgerüst steht und fällt mit der Leistung des Sechsers. Der heißt beim SVE Jeremy Karikari.
„Jerry hatte nach dem tollen Auftritt im Pokal gegen St. Pauli anfangs Schwierigkeiten“, erklärt Seitz, der mittlerweile mit der Leistung des gebürtigen Hamburgers mehr als zufrieden ist. Ein defensiver Mittelfeldspieler hat für den Oberpfälzer Seitz klar vorgegebene Aufgaben: “Der Sechser ist der erste Empfänger des Balls von der Viererkette. Wichtig ist deswegen, dass er die Ruhe, hat den Ball zu halten. Gleichzeitig muss er das Spiel aber auch schnell machen können.“
Zweikampf-Meister und ordnende Hand
Vermutlich war der Trierer Coach gerade deswegen beim 2:0-Heimsieg seiner Elf über den SC Verl so zufrieden mit Karikaris Leistung. Denn der übernahm genau die Verantwortung, die der Trainerstab von ihm erwartet: Nach einem Ballgewinn in der Defensive war er für die gesamte Viererkette fast immer als erste Anspielstation zur Stelle. Doch nicht nur das – Karikari lenkte das Spiel, er erkannte frühzeitig Freiräume auf dem Rasen, er arrangierte das Spiel seiner Mannschaft. Dabei behält er auch in brenzligen Situationen die Ruhe. So in der 36. Minute: Auf Höhe der Mittellinie erobert er an der Außenlinie per Grätsche den Ball. Doch statt in Hektik zu verfallen und den überhasteten Pass in die Spitze zu suchen, sichert Karikari das Spielgerät und schirmt den Ball exakt so lange gekonnt ab, bis das System wieder geordnet scheint und Anspielstationen bereit sind. Völlig schnörkellos gelang es ihm so, das Spiel mit einfachsten Mitteln zu beruhigen und zu sortieren.
„Deswegen ist Jerry wahnsinnig wichtig für uns“, betont Seitz, „denn er behält im Spielaufbau die Ruhe und macht deswegen kaum Fehler beim Passspiel.“ Dass Karikari es jedoch auch anders kann, beweist die 16. Spielminute: Nach einem Ballgewinn – Karikari gewann 78 Prozent seiner Zweikämpfe – macht er das Spiel mit einem überlegten Pass über 20 Meter auf die Außenbahn zu Chhunly Pagenburg schnell. Die daraus resultierende gefährliche Chance, sie war das Resultat der zweiten wichtigen Fähigkeit eines Sechsers: Dem Spielaufbau.
Der perfekte Sechser? Die Mischung machts!
Karikari selbst sieht seinen Aufgabenbereich jedoch eher im defensiven Bereich:“Meine Hauptaufgabe als Sechser ist die Sicherung zu den zwei Innenverteidigern hinter mit. Natürlich muss ich auch den Ball verteilen und den Weg nach vorne suchen, wenn sich Raum bietet. Aber ich bin froh, mit Faz Kuduzovic und Alon Abelski zwei spielstarke offensive Typen vor mir zu haben.“ Gibt es für den Trierer Sechser denn trotz seiner guten Leistungen ein Idol? Einen Spieler, zu dem Karikari hinaufschaut? „Yaya Touré ist ein solcher Spieler, Vorbild ist er vor allem, weil er eine Million im Monat verdient“, witzelt Karikari.
Für seinen Trainer gibt es den perfekten Sechser nur bedingt: “Beim FC Bayern war es damals die Mischung aus einem aggressiveren Mark van Bommel und dem Ballverteiler Bastian Schweinsteiger, die besonders war. Man sieht aber auch heute, dass viele Spielertypen wie zum Beispiel Schweinsteiger sowohl auf der Sechser-, der Achter- und der Zehnerposition spielen können, die Positionen variieren häufig.“ In Trier dürfte Roland Seitz seinen Sechser indes in Jeremy Karikari gefunden haben. Denn er hat sie, die so wichtige Mischung aus „Aggressive Leader“ à la Mark van Bommel und das schnelle Offensivspiel der Marke Schweinsteiger.
sve-torsten meint
Schöne Analyse der Sechser-Funktion. Diese Position ist in der Tat immens wichtig auf dem Platz, und Kari Kari erfüllt die Aufgabe mit Bravour! Ich bin wirklich begeistert von ihm. Weiter so, Jerry!