Ästhetik, Münzwürfe, Fast Food und ein Rehakles: In der Geschichte der Europameisterschaften gab es schon die vielseitigsten Sieger. 5vier stellt sie in seinem EM-Countdown vor.
In einer Woche läuft die Europameisterschaft in Polen und der Ukraine bereits auf Hochtouren. Phänomenale Geschichten werden auch bei der EM 2012 wieder geboren, was ein Grund dafür ist, warum der Fußball von dem Fan weltweit mehr geliebt wird als ein brandneues Auto oder ein ordentlicher Lottogewinn.
Stolze Legenden, die den Thron besteigen dürfen. Tränenreiche Verlierer, mit denen plötzlich viele hundert Millionen Menschen leiden, als hätten sie selber gerade den entscheidenden Elfmeter verschossen. Freude und Leid liegen dicht zusammen. In der Vergangenheit des Turniers hat es bereits viele Helden und Dramen gegeben. 5vier widmet diesen Countdown den interessierten Fußball-Historikern und stellt die ersten, schönsten, glücklichsten, ottokratischsten, frechsten und speckigsten Europameister vor.
Der erste Europameister
Das erste EM-Finale gab es 1960 zwischen der Sowjetunion und Jugoslawien (2:1), zwei Länder, die sich mittlerweile wegen des Falls des Eisernen Vorhangs und der Balkankriege in mehrere, unabhängige Einzelstaaten aufgeteilt haben. Der Stellenwert des Turniers war nicht annähernd mit dem Hype der Gegenwart zu vergleichen.
An der Endrunde, die damals noch als „Europapokal der Nationen“ ins Rennen startete, nahmen nach den Ausscheidungsspielen nur vier Mannschaften teil. Deutschland verzichtete gar auf die Qualifikation, Bundestrainer Sepp Herberger bezeichnete den Wettbewerb als „Zeitverschwendung“ und richtete seine „högschde Disziplin“ eher auf die WM 1962 in Chile.
Auch die Politik beeinflusste den Sport: Die UdSSR war im Viertelfinale gegen Spanien kampflos weitergekommen, weil sich Spanien unter der faschistischen Franco-Diktatur weigerte, in der Sowjetunion zu spielen. Einen Star gab es aber auch schon beim ersten Turniersieger. Lew Jaschin gilt bis heute als einer der weltbesten Torhüter und brachte im Endspiel die Jugoslawen zur Verzweiflung. Kein Wunder – in seiner Karriere soll er über 150 Elfmeter gehalten haben.
Der glücklichste Europameister
Nein, natürlich sollen hier keine Fußball-Klischees gehegt und gepflegt werden. Ausgerechnet Italien als glücklichsten Europameister zu küren, das ist eigentlich zu einfach angesichts des brachialen Catenaccio, der bei Liebhabern des ästhetischen Spiels sowieso verpönt ist.
Doch bei der EM 1968 hatte Italien zweifellos die Glücksgöttin an der Seite beim Einzug ins Finale. Weil es noch kein Elfmeterschießen gab, entschied nach dem 0:0 gegen die Sowjetunion im Halbfinale ein Münzwurf über das Weiterkommen. Die Chancen: 50:50. Der Schiedsrichter warf in der Kabine unter den Augen von zwei Funktionären der beiden Länder, während die Kapitäne vor verschlossener Tür bibbern mussten. Italien triumphierte – und bezwang im Finale die Tschechoslowakei. Allerdings mussten die Taktiker auch dort Geduld beweisen. Nach einem 1:1 gab es ein Wiederholungsspiel, das 2:0 gewonnen wurde.
Die schönsten Europameister
Feingeister des Fußballs sind bei der Europameisterschaft oft ihre Kosten gekommen, auch wenn es gelegentlich mal Sieger gab (Griechenland 2004), bei denen sie besser einen vierwöchigen Urlaub gebucht hätten. 1972 gab es dagegen die deutsche Jahrhundertelf zu bewundern, die nach Augenzeugenberichten die spielstärkste DFB-Delegation aller Zeiten war. Legendär war das 3:1 im Viertelfinale im Wembley-Stadion gegen England mit Sepp Maier, Franz Beckenbauer, Günter Netzer und Gerd Müller.
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Fans von Fortuna Düsseldorf haben aber sicher Tränen in den Augen, wenn sie die Bilder vom Finale 1972 sehen. Denn die deutschen Schlachtenbummler stürmten nach dem 3:0-Sieg gegen die Sowjetunion enthusiastisch den Platz, umarmten ihre Lieblinge und feierten ausgelassen. Und keine Sorge: Die UdSSR legte bei der UEFA keinen Protest gegen die Spielwertung ein.
Ebenso schön war sicherlich die Niederlande 1988 mit ihrem „totaalvoetbal“ um Stars wie Frank Rijkaard, Ruud Gullit und Marco van Basten. Dem Stürmer gelang im Finale gegen die Sowjetunion (2:0) das wohl schönste Tor, das jemals bei einer Europameisterschaft geschossen wurde.
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Abzüge in der Schönheitsnote gibt es allerdings durch Ronald Koeman, der nach dem 2:1-Halbfinalsieg gegen Deutschland das eroberte Trikot von Olaf Thon dazu nutzte, um es vor der holländischen Fankurve als symbolischen Ersatz für Toilettenpapier zu verwenden.
Der gerissenste Europameister
1976 bezwang die Tschechoslowakei die deutsche Nationalmannschaft im Elfmeterschießen. Zwei Schüsse schrieben dabei Geschichte. Uli Hoeneß donnerte den Ball weit in den Nachthimmel von Belgrad. Über den geläufigen Witz, wonach das Leder noch heute verzweifelt gesucht wird, kann der Präsident von Bayern München sicher nicht lachen.
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Und generell ist davon auszugehen, dass er in Sachen Elfmeterschießen nach dem Champions-League-Finale gegen den FC Chelsea eher nicht zu Scherzen aufgelegt ist. Anders sieht das Antonín Panenka, der beim entscheidenden Elfmeter ein echter Spaßvogel war. Anstatt den Ball mit aller Wucht in die Maschen zu befördern, entschied er sich für einen Lupfer in die Mitte. Da Maier in die Ecke sprang, war Deutschland als Titelverteidiger abgelöst. Der „Welt“ erzählte Panenka , wie er seinem Zimmerpartner in der Nacht vor dem Endspiel in seinen Elfmeterplan einweihte. Dessen Antwort: „Wenn du das machst, setze ich dich vor die Tür.“
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Der Big-Mac-Europameister
Die größte Titelsensation gelang Dänemark 1992. Als Nachrücker für Jugoslawien, das durch den Balkankrieg ausgeschlossen wurde, fuhren die Skandinavier kurzfristig zur Europameisterschaft. Nationaltrainer Richard Möller-Nielsen musste sich plötzlich dem Fußball widmen – und nicht der geplanten Renovierung seiner Küche. Ohne große Vorbereitung triumphierten die Dänen und besiegten Deutschland im Finale mit 2:0. Das Erfolgsgeheimnis sollen dabei viele Big-Macs gewesen sein, weil die Mannschaft häufiger bei McDonalds gespeist haben soll. Mit dem Mythos räumte der frühere Torwart Peter Schmeichel zuletzt in einem Interview mit der „11 Freunde“ auf. „Wir waren genau einmal Fast Food essen.“
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Der ottokratischste Europameister
2004 war das Jahr von Sirtaki, Rehakles, dem 8-1-1-System und der Ottokratie: Mit Otto Rehhagel gelang Griechenland der EM-Sieg. Die Stilmittel waren ganz einfach. In der Defensive machten alle Spieler dicht, Libero Dellas und der grauhaarige Torwart Nikopolidis räumten ab, das Herz der Truppe stimmte – und vorne köpfte Angelos Charisteas fast immer das entscheidende 1:0. So auch im Finale gegen Gastgeber Portugal.
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Der 5vier.de Euro-Countdown:
1. Der Countdown beginnt – 5vier.de macht euch EM-Ready!
2. Sind Polen und die Ukraine reif für die EM?
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