Seit Montag wird im Vereinsheim von Eintracht Trier „Tatort Stadion 2“ ausgestellt. Zur Eröffnung hielt Jonas Gabler einen Expertenvortrag zu Diskriminierung im Fußball.
Im Vereinsheim von Eintracht Trier hängen in diesen Tagen Schautafeln, die traurige Formen von Rassismus und Diskriminierung im Fußball aufzeigen. Es sind Bilder, in denen Stadionbesucher mit Hakenkreuzen auf ihren Kutten in der Kurve stehen und widerliche Parolen auf den Lippen haben. Zugleich wird aber auch der Lichtstreif am Horizont dokumentiert, wie sich Fans gegen Ausgrenzung und Menschenverachtung wehren. „Vereint gegen Sexismus“ steht auf einem Banner, das Fans von Fortuna Düsseldorf gebastelt haben und auf dem ein Junge und ein Mädchen Fußball spielen. „Nazis raus aus der Kurve, damit die Kurve lebt“, steht auf einem anderen. Im Hintergrund leuchtete eine Powerpoint-Präsentation von Jonas Gabler. Der Politologe und Buchautor wurde zur Eröffnung der Ausstellung „Tatort Stadion 2“ im „Null Fünf“ eingeladen, um einen Vortrag zum Thema „Diskriminierung und Anti-Diskriminierung in der Fußballfankultur“ zu halten.
Es wurde ein Gespräch, in dem er mit 30 Fußballfans zwei Stunden lang über die Ursprünge, Entwicklung und Gründe für Ausgrenzung im Stadion diskutierte. Das Thema interessiert Gabler nicht nur wissenschaftlich als Mitarbeiter von Deutschlands berühmtestem Fanforscher Professor Dr. Gunter Pilz. Hautnah hat er Formen der Diskriminierung in einem Auslandssemester in Italien erlebt, als er in der Fankurve des AC Mailand im San Siro stand. Alles war bunt, alles leuchtete, bengalische Feuer wurden gezündet. Doch was den 31-Jährigen störte, waren rechte Symbole, die von den Milan-Anhängern ganz offen zur Schau gestellt wurden. „Ich habe Leute gefragt, was man dagegen machen kann. Es wurde einfach als selbstverständlich hingenommen“, war er fassungslos.
Größere Sensibilisierung
In Deutschland, so meinte Gabler, seien rassistische Gesänge in den Stadien zurückgegangen. Dies führt er auch auf die so oft kritisierte Ultra-Bewegungen zurück. „Sie hinterfragen ihre eigenen Handlungen kritischer und haben das Potenzial mitgebracht, Diskriminierung Schritt für Schritt abzubauen.“ Da die Anhänger mit ihren Megaphonen, Trommeln und Fahnen den Großteil der Stimmung ausmachen und stärker die Massen mobilisieren, sei es für rechte Stadionbesucher schwieriger, mit ihren Parolen überhaupt wahrgenommen zu werden. „Die allermeisten Ultra-Gruppen haben sich darauf verständigt, sich nicht rassistisch zu verhalten. Das ist unter deren Niveau. Dazu weisen sie nur eine geringe Bereitschaft zur politischen Instrumentalisierung auf“, so Gabler.
Der Forscher sieht darin eine erfreuliche Entwicklung zur Vergangenheit in den Stadien, in der häufig ausländerfeindliche Rufe an der trüben Tagesordnung waren. „Früher gab es ein paar Hools, ein paar Rechte und ein paar Fans, die sich nicht für die Lieder interessierten. Wenn dann antisemitische Gesänge angestimmt wurden, haben andere einfach mitgesungen, ohne nachzudenken. Es gab keine Sensibilisierung für das Thema“. Auch dank der Vorreiterrolle des Bündnisses Aktiver Fußballfans (BAFF), von Verbänden und der zunehmenden Ächtung von Rassismus durch die Fans sei der Blick für die Probleme geschärft worden.
Traditionelle Prägung des Fußballs als Problem
Allerdings stellte Gabler auch fest, dass Ausgrenzung und Fußball auch schwer zu trennen seien. „Fußballfankultur ist kein Hort der Emanzipation“, sagte er deutlich. Wobei bei Gablers Vortrag eher hervorkam, dass das grundsätzliche Wesen des Fußballs ein Problem ist. Durch eine stark traditionelle Prägung des Sports werde diskriminierendes Verhalten weiter gefördert, die besonders in frauen- und schwulenfeindlichen Gesängen zum Ausdruck komme. Das liegt auch an dem oft so oberflächlichen Scheinwerferlicht, in dem sich der Fußball und seine Funktionäre präsentieren. Ob es die Inszenierung als ein Männersport ist, die auch darin liegt, dass der DFB bis 1970 den Frauenfußball verbot. Die große politische Aufladung des Sports als „Nationenkampf mit einem Freund-Feind-Schema“. Oder die übertriebene Betonung der körperlichen Härte, die nicht zuletzt in Begriffen wie „Abstiegskampf“ zum Ausdruck komme.
Die Anhänger sieht er weiter in der Pflicht, gegen Formen der Ausgrenzung vorzugehen. Zumal diese angesichts von vielen „vorschnellen Urteilen in den Medien“ ein Gespür dafür haben sollten, wie es sich anfühlt, oft alleine und ohne Unterstützung auf weiter Flur zu stehen. „Sie erleben in ihrer Rolle als Fan selber, wie sich Diskriminierung anfühlt und sollten diese Erfahrung offenkundig machen.“ Besonders im Widerstand gegen herabsetzende Sprüche und Gesänge. „Im Stadion können so wichtige Denkprozesse angestoßen werden.“ Und auch eine BAFF-Ausstellung, wie sie nun noch bis Sonntag in Trier zu Gast ist, trägt einen wichtigen Teil dazu bei.
+++Tatort Stadion 2 im „Null Fünf“+++
Am 8. November (19 Uhr, Balkensaal, Exhaus) ist Ronny Blaschke der nächste Referent. Der freie Journalist aus Berlin wird aus seinem Buch „Angriff von Rechtsaußen – Wie Neonazis den Fußball missbrauchen“ vortragen. Die Ausstellung „Tatort Stadion 2“ wird vom 29. Oktober bis zum 3. November weiter im Null Fünf präsentiert. Besucht werden kann sie bei freiem Eintritt von Montag bis Freitag von 16 bis 20 Uhr (außer am 1. November) und am Samstag von 12 bis 16 Uhr. Weitere Termine (u.a. für Schulklassen) sind nach Absprache möglich. Zum Heimspiel gegen den SSV Ulm 1846 wird die Ausstellung im Moselstadion aufgebaut. Um sie an diesem Tag besuchen zu können, muss eine Eintrittskarte für die Regionalliga-Begegnung gekauft werden. Bei Interesse kann man sich an das Fanprojekt Trier wenden. Telefonisch unter 0651/9917308 oder 0151/28302919. Kontaktaufnahme per E-Mail an [email protected].
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