26 Jahre lang ist Otmar Schaffarczyk schon ein Bindeglied zwischen Recht und Gesetz und setzt sich für Mörder und Vergewaltiger ein. Beruflich und privat nicht immer einfach, sieht er seinen Beruf aber eher als Berufung. Der Kampf um Gerechtigkeit hat Schaffarczyk schon immer interessiert. Obwohl er als Kind eine fußballerische Laufbahn einschlagen wollte, verschlug es ihn letztendlich in eine Kanzlei, wo er seit 1994 bundesweit als Anwalt tätig ist. Sein Spektrum gilt dem Strafrecht, allen voran Mord- und Totschlagfällen. Im 5vier.de-Exklusiv-Interview stand er nun Rede und Antwort:
Fußball-Karriere im Kopf
Hallo Herr Schaffarczyk! Seit vielen Jahren üben Sie nun schon die Rolle eines Strafverteidigers aus. Eine Berufung die Sie schon als Kind verfolgt haben oder wann kamen Sie auf die Idee Rechtsanwalt zu werden?
Otmar Schaffarczyk: Eigentlich nicht. Als Kind wollte ich immer Fußballprofi werden, aber dazu hat es offenkundig nicht gereicht (lacht). Mein Großvater hat immer zu mir gesagt, dass ich mal Rechtsanwalt werde. Ich hab immer gesagt “ne ne, Opa“. aber am Ende hat er aber dann doch Recht behalten.
Die positiven Erfahrungen überwiegen
Wie blicken Sie auf Ihre bisherige Zeit als Anwalt zurück und gab es in dieser Zeit auch Schattenzeiten?
Otmar Schaffarczyk: Ich blicke jetzt auf 26 Jahre Strafverteidigung zurück und es war immer ein Kampf, genauer gesagt ein Kampf um die Rechte des Beschuldigten. Das hat auch oft vielen missfallen. Ja, selbstverständlich hat es auch Schattenseiten, aber die positiven Erfahrungen überwiegen.
Kleine, aber auch zum Teil große Delikte pflegen Sie zu vertreten – oftmals auch ein Drahtseilakt über mehrere Monate oder gar Jahre. Wie gehen Sie mit so Situationen um, wenn so richtig harte Jungs neben Ihnen auf der Anklagebank sitzen?
Otmar Schaffarczyk: Ich denke das es nicht um die Rechtfertigung Ihrer Taten geht, sondern darum auch bei sogenannten “harten Jungs“ dafür zu sorgen, dass sie ein faires Verfahren bekommen. Auch wenn viele in der Öffentlichkeit dafür kein Verständnis haben. Es ist ein Job wie jeder andere auch. Und ich versuche ihn so gut zu machen wie möglich, ganz egal ob schuldig oder nicht. Am Ende zählen letztendlich die gegen ihn vorhandenen Beweise und Indizien, auch bei einer möglichen begangenen Tat. Liegen diese nicht vor, kann man ihn auch nicht verurteilen.
Wann ist die moralische Linie übertreten..?
Wie schwer ist es für Sie die moralische Linie zu halten? Darf man darüber überhaupt als Strafverteidiger nachdenken oder bekennt man selbst nur den eiskalten Blick und möchte Jeden, ganz egal was er auch getan hat, am liebsten straffrei oder strafmildernd aus dem Gericht bekommen?
Otmar Schaffarczyk: Selbstverständlich hat man als Mensch moralisch die Sache zu hinterfragen. Die Frage die sich dann stellt ist aber nicht, mache ich es oder mache ich es nicht. Dann hätte ich den falschen Job. Die Frage ist eher, kann ich es so gut machen, wie es jeder Angeklagte verdient?! Denn jeder Mensch hat das Recht auf Verteidigung. Und das darf dann nicht nur auf dem Papier stehen, sondern muss umgesetzt werden. Viele sogenannte Pflichtverteidiger vergessen das.
Grenzenlose Verteidigung
Gibt es für Sie auch eine Grenze einer Straftat, die Sie nicht verteidigen würden?
Otmar Schaffarczyk: Eigentlich nicht! Ich würde selbst den Teufel verteidigen. Auch der hätte das Recht auf einen fairen Prozess.
Viele harte, tragische und zum Teil auch bundesweit bekannte Fälle saßen im Gerichtsaal neben Ihnen. Wie sieht Ihre persönliche Verarbeitung aus, was nehmen Sie gedanklich noch mit nach Hause und was fällt nach der Verhandlung von Ihnen ab?
Otmar Schaffarczyk: Die Dinge arbeiten natürlich noch lange in einem nach. So wie der Fall der “Laura-Marie“ oder die “Kindstötung von Lissendorf“. Aber das ist das Los und damit muss ich umgehen. Auch wenn es manche schlaflose Nacht bereitet. Vergessen wird man diese Dinge nie.
Einige Fälle beschäftigen ihn sehr
Ich weiß – auch ein Anwalt pflegt die Schweigepflicht. Aber gab es nicht auch bei Ihnen einen Fall, der Sie noch bis heute richtig beschäftigt hat?
Otmar Schaffarczyk: Ja, natürlich der zur Zeit noch laufende Prozess im Mord von Dessau. Mein Mandant sitzt nun seit 9 Jahren in Untersuchungshaft. Zur Zeit wohl in Deutschland die längste U-Haft, die vollzogen wird. Der Bundesgerichtshof hat das Urteil bereits zweimal aufgehoben und die 3. Revision läuft. Neun Jahre Untersuchungshaft ist sicher kein Pappenstiel. Und alle Rechtsmittel dagegen waren vergebens. Hier stößt das System an seine Grenzen. Das beschäftigt mich sehr!
Was macht Ihrer Meinung nach ein guter und letztendlich erfolgreicher Anwalt aus?
Otmar Schaffarczyk: Eigentlich das was in jedem Beruf gilt. Man muss von dem was man macht überzeugt sein. Dann gelingt es auch. Und man darf nie aufgeben. Erfolg erreicht man nicht mit dem Aufzug, sondern man muss die Treppe nehmen.
Fußball, Kochen und das Motorrad lenken ab
Wie und mit was schalten Sie ab?
Otmar Schaffarczyk: Ich spiele gerne Fußball (zur Zeit wegen Corona leider nicht) und gehe gerne in die Natur mit meinem Hund. Außerdem koche ich gerne und auch auf dem Motorrad kann man herrlich abschalten. Ich habe mir jetzt endlich einen Jugendtraum erfüllt und dafür den Führerschein gemacht.
Hinter uns liegt ein bedrückendes Corona-Jahr. Gingen mit Corona die Straffälle eher zurück, blieben sie gleich oder wurden es gar mehr?
Otmar Schaffarczyk: Ja, Corona hat alles ausgebremst. Häusliche Gewalt hat laut Polizeistatistik zugenommen, während Einbrüche zurückgingen, weil jeder zuhause blieb. Aber letztlich ist dies immer nur eine Momentaufnahme. Fakt ist, dass Covid-19 ein Signal an die Menschheit ist, langsamer zu treten und die Erde nicht zu vergewaltigen. Wir waren kurz davor und die Erde wehrt sich. Auch wenn es sich grotesk anhört, die Zeit im Frühjahr war für die Erde erholsam. Ich habe noch nie so schöne Himmel gesehen wie im 1. Lockdown ohne den ganzen Flugverkehr. Wir müssen das sehr ernst nehmen, wie wir gerade bitter erfahren.
Okay Herr Schaffarczyk – ich danke Ihnen für das Interview und wünsche Ihnen weiterhin alles Gute und beruflichen Erfolg!
Otmar Schaffarczyk: Danke ebenfalls!
André Mergener
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Motivation ist wichtiger als Erfahrung!
Lara meint
Ein tolles Interview zur Moral eines Strafverteidigers, wie ich finde. Ich würde der Aussage, dass es in erster Linie darum geht, dass jeder Mensch das Recht auf eine Strafverteidigung hat, absolut zustimmen. Ein guter Anwalt sollte meiner Meinung nach dementsprechend handeln.
Rolf Weber meint
der hätte noch erwähnen sollen, dass er selbst schon zweimal strafrechtlich verurteilt worden ist. Wegen Betrug und Untreue zulasten von Mandanten. Toll dass dieses Onlinejournal noch Werbung für ihn macht
Lena Herfurtner meint
Ich wollte selbst lange Rechtsanwalt werden, habe mich aber dagegen entschieden. Eine der Gründe war eben dieses Dilemma von Beruf, Moral und Gerechtigkeit. Ich kann mir vorstellen, dass es als Strafverteidiger besonders schwierig ist.
Melanie Samsel meint
Vielen Dank für das Interview! Es ist sehr interessant, die Perspektive eines Anwalts für Strafrecht zu lesen. Meine Tochter studiert nämlich aktuell Jura und würde sich auch gerne auf das Strafrecht fokussieren. Daher ist es gut zu wissen, dass manche Fälle auch erfahrene Anwälte noch länger beschäftigen – vielleicht sollte sie sich ein anderes Feld aussuchen?
Jade Labrentz meint
Sehr interessantes Interview. Ich kann mir vorstellen, dass die Arbeit als Strafverteidiger nicht gerade einfach ist.