Zwei Prognosen für das Abschneiden der Deutschen Mannschaft bei der WM. In der hier folgenden Meinung 1 erläutert 5vier-Redakteur Niklas Stilz, warum es seiner Meinung nach in diesem Jahr nicht zum Titel reichen wird. In unserer zweiten Meinung führt Jan Herrmany seine Gründe an, warum Deutschland 2014 doch Weltmeister werden kann. Wir sind gespannt, wer am Ende des Turniers Recht behalten wird…
Von Niklas Stilz
Ganz Fußballdeutschland befindet sich im kollektiven Ausnahmezustand. Endlich geht sie los, die Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien. Das Team von Bundestrainer Joachim Löw ist so gut besetzt, wie wohl seit mindestens 20 Jahren nicht mehr, viele Stars kicken bei den ganz großen europäischen Mannschaften. Trotzdem glaubt 5vier-Redakteur Niklas Stilz nicht an einen Titelgewinn der DFB-Kicker. Deutschland wird (leider) nicht Weltmeister – und bangt vielleicht sogar um den Einzug ins Achtelfinale.
Als Marco Reus kurz vor der Pause im letzten Testspiel vor der WM gegen Armenien auf den Rasen der Mainzer Coface Arena sank, erlosch auch der letzte Funke Resthoffnung in mir. Deutschland wird leider wieder nicht Weltmeister. Dabei war ich in den letzten Monaten so optimistisch gewesen. Eine goldene Generation prägt gerade den deutschen Fußball, so viele Top-Spieler hatte ein Bundestrainer seit mindestens 20 Jahren nicht mehr zur Verfügung. Real Madrid, FC Arsenal, FC Chelsea, Borussia Dortmund und Bayern München – so heißen die Vereine der meisten Kicker im WM-Kader der Nationalelf. Allesamt sind sie Weltklasse. Und trotzdem wird es am Ende, wie so oft in den letzten Jahren, nicht zum ganz großen Wurf reichen.
Deutschland wird wieder nicht den Titel holen, weil…
…viele Schlüsselspieler entweder angeschlagen ins Turnier gehen, oder gar komplett ausfallen. Neben dem bereits erwähnten Marco Reus, der in der abgelaufenen Spielzeit zu den prägenden Figuren der Bundesliga gehörte, fehlen in Holger Badstuber und Ilkay Gündogan zudem zwei ganz wichtige Spieler im Umschalt- und Aufbauspiel. Insbesondere der Ausfall von Dortmunds Gündogan wird spielerisch oft unterschätzt. War die Doppelsechs vor einem Jahr noch das Prunkstück der Löw-Elf, ist sie heute Sinnbild für die Probleme des Bundestrainers. Khedira geht nach Kreuzbandriss ohne viel Spielpraxis ins Turnier, Schweinsteiger wurde gegen Saisonende immer wieder von Verletzungen geplagt. Selbiges gilt für Teamkollege Philipp Lahm, auch Stammkeeper Manuel Neuer droht von seiner Schulterverletzung weiter behindert zu werden. Weil die Bender-Zwillinge ebenfalls verletzungsbedingt passen müssen, fehlen weitere wichtige Alternativen.
Fazit: Die körperlichen Probleme einiger Schlüsselspieler werden insbesondere aufgrund des schwülen Klimas zum Problem.
…es vorne an Durchschlagskraft mangelt. Mit Miroslav Klose hat Joachim Löw nur einen echten Stürmer für das Turnier am Zuckerhut nominiert. Der Lazio-Torjäger hat zwar von seinem Killerinstinkt nichts eingebüßt, ist aber inzwischen schon 35. Ein Kicker in Kloses Alter kann die Tor-Last nicht mehr alleine tragen. Schaut man auf die offensive Dreierreihe dahinter, wird in erster Linie eine Sache offensichtlich: Es fehlt ein Spieler, der Klose unterstützen und ersetzen kann. Mesut Özil hadert schon seit Jahren mit seiner Abschlussschwäche, Thomas Müller, immerhin Torschützenkönig der WM in Südafrika, fiel zuletzt in ein kleines Formtief. Auch sein Teamkollege Mario Götze agierte bei den Bayern nach gutem Start zuletzt eher auf mäßigem Niveau. Andre Schürrle und Lukas Podolski, die bei ihren Londoner Teams zwischen Bank und Startelf pendelten, sind zwar torgefährlich, Stoßstürmer sind beide jedoch nicht.
Fazit: Mit Gomez, Kießling oder Lasogga hätte Löw sich eine weitere Option für das Sturmzentrum offen halten müssen. Braucht Deutschland ein spätes Tor, wird Klose es nicht allein richten können.
…die Konkurrenz wahnsinnig groß ist. Selten gingen so viele Teams mit dem Status eines Geheimfavoriten ins Rennen. Neben den Top-Teams Brasilien, Deutschland, Argentinien und – bis vor wenigen Tagen – Spanien, gibt es eine ganze Reihe potenzieller Weltmeister. England, Frankreich, Italien, Belgien, Ghana, die Elfenbeinküste, Chile, Kolumbien, Portugal, die Niederlande und Kroatien. Selten war die Leistungsdichte bei einer Weltmeisterschaft so hoch, allein in der deutschen Gruppe finden sich mit Portugal und Ghana ein EM-Halbfinalist von 2012 und ein WM-Viertelfinalist von 2010. Selbst die viel unterschätzten Kroaten haben im Mittelfeld eine Achse aus FC Barcelona (Rakitic), Real Madrid (Modric) und Inter Mailand (Kovacic) zu bieten.
Fazit: Bei der enormen Konkurrenz müsste für den Titel alles passen. Die Baustellen im Kader lassen aber nur einen Schluss zu: Es wird eng.
…Trainer und Spielern die Nervenstärke fehlt. In ganz großen Partien sind Deutschlands Schlüsselspieler meist allesamt abgetaucht. Selbst beim CL-Finale 2013 in London spielten Lahm und Co. nur eine Nebenrolle, spielentscheidend war am Ende der Holländer Arjen Robben. Ähnlich sah es bei Sami Khedira in diesem Jahr aus, der bei Real Madrids Triumph in der Königsklasse nach langer Verletzung lediglich als Statist mit auf dem Platz stand. Beim Aus gegen Spanien im Halbfinale der WM 2010 wirkte das Team gehemmt, das letzte Selbstvertrauen fehlte. Sinnbildlich noch heute der lasche Schuss mit der Innenseite des völlig blanken Toni Kroos. 2012 im EM-Halbfinale gegen Italien setzte sich dieser Trend nicht nur bei den Spielern fort, auch Löw machte hier keine gute Figur. Der Coach traf in der Offensive bei der Aufstellung die falsche Wahl und fokussierte sich defensiv zu sehr auf Spielmacher Andrea Pirlo. Dessen Nebenmann Ricardo Montolivo spielte letztlich den Traumpass zu Balotellis 0:2-Vorentscheidung.
Fazit: Die Spieler mögen älter und erfahrener sein. Ob sie wirklich gereift sind, darf bezweifelt werden. Selbiges gilt für Bundestrainer Löw, unter dem die DFB-Elf bei großen Turnieren bisher zwei mal im Halbfinale ausschied und einmal das Finale verlor.
…der Druck zu groß ist. 2008 war die spielerische Qualität des Teams noch deutlich geringer als heute. Bei der Europameisterschaft in Österreich und der Schweiz erwartete keiner große Wunderdinge, viele Fans waren nach dem Sommermärchen noch immer gesättigt. Ähnlich sah das 2010 in Südafrika aus, als nach der Verletzung von Kapitän Michael Ballack bereits überlegt wurde, ob das Team denn überhaupt antreten muss. Die Unbekümmertheit wurde sowohl 2008, als auch 2010 letztlich zum großen Trumpf der Mannschaft. Inzwischen ist die Erwartungshaltung gestiegen, schon bei der EM 2012 zählte Deutschland zu den Favoriten – mit bekanntem Ausgang.
Fazit: Gelingt im Auftaktspiel gegen Portugal kein Sieg, wird es schon eng. Die hohen Erwartungen und die große Unterstützung der Fans können für die Löw-Elf schnell vom Segen zum Fluch werden.
Niklas Stilz meint
Da hab ich mich wohl geirrt…Glück gehabt! 🙂