Eigentlich ist Tina Clemens Kommunikationsdesignerin. Zuletzt tauschte Sie das Büro in schicker Stadtlage gegen ein Mountainbike und radelte durch Ruanda. Natürlich nicht aus Spaß, sondern, um Spenden zu sammeln für die Organisation hope and homes for children.
Vom Schreibtisch nach Ruanda
5vier.de: Hallo Tina, wie kamst du auf die Idee, mit dem Rad durch Ruanda zu fahren und Spenden zu sammeln?
Tina: Anfang des Jahres habe ich einen Newsletter von hope and homes for children erhalten. Dort wurde die Reise vorgestellt. Es war die Rede von einer Mountainbiketour durch Ruanda, mit einer Gruppe von 8-12 Teilnehmern. Und das Ganze für den guten Zweck, also Spenden sammeln für diese Kinderhilfsorganisation. Das klang für mich ziemlich aufregend, aber von alleine wäre ich da natürlich eher nicht drauf gekommen (lacht). Die Idee hat mich dann aber nicht mehr losgelassen und ist in den kommenden Tagen und Wochen gewachsen.
Unterwegs für hope and homes for children
5vier.de: Erzähle uns doch ein wenig mehr über die Organisation und die Spendenaktion?
Tina: hope and homes for children ist eine in England ansässige und weltweit arbeitende NGO, die z.B. in Rumänien, Bosnien und Ruanda aktiv ist.Ihr Ziel ist, Kinder, die in Institutionen untergebracht sind, wieder in die Obhut liebender Familien zurückzuführen. Deswegen setzen sie sich vor Ort dafür ein, dass die Lebensbedingungen für eben diese Familien verbessert werden. Man muss sich vorstellen, nicht jedes Kind, das im Waisenhaus lebt, ist wirklich eine Waise. Viele Kinder werden abgeschoben, wegen Armut, Behinderung oder aus anderen Gründen. Häufig würde es aber dazu gar nicht kommen, wenn es den Familien besser ginge. Hier setzt die Arbeit von hope and homes for children an.
5vier.de: Okay und wie hast du dich dort einbringen können?
Tina: In dem ich mich der Challenge gestellt habe und damit meiner eigenen Fundraisingaktion: Spenden sammeln für eine gute Sache, die sportliche Herausforderung und dann auch noch ein Reiseabenteuer damit verbinden!
Challenge für Kinderwohl
Diese Idee hat mich total angesprochen. Ich fand es schön und wichtig, so auf die Arbeit der Organisation aufmerksam zu machen und gleichzeitig Menschen zu animieren, selbst aktiv zu werden. Es war für mich sehr ungewohnt, damit an die Öffentlichkeit zu gehen und hat etwas Überwindung gekostet. Außerdem ist das Konzept Fundraising in Deutschland noch nicht so etabliert, wie in England zum Beispiel. Dort gibt es jede Menge Charity– und Sportevents zugunsten von Hilfsorganisationen. Wo auch Einzelpersonen Spenden sammeln. Da habe ich mich anfangs schon gefragt: Wie bekomme ich das hin?
5vier.de: Wie funktioniert das mit dem Spenden?
Tina: Über einen Link kommt man auf meine persönliche Fundraising-seite. Gespendet wird in Pfund, das funktionierte leider nicht anders, aber die NGO sitzt nun mal auch in England. Mit ein paar Klicks kann sich jeder einen Betrag aussuchen und spenden. Entweder anonym oder mit Namen, man darf eine Nachricht hinterlassen und wenn man will, seine E-Mail-Adresse, dann bekommt man eine Spendenbestätigung mit einem kleinen Text von mir!
Zahlen kann man per Kreditkarte oder Paypal. Die Spenden werden direkt über die Seite an hope and homes for children übermittelt. Die Kampagne ist übrigens noch online! Bis Anfang November, dann sind drei Monate voll und die Aktion beendet.
Hier gehts zu Tinas Kampagne:
Noch bis Anfang November kann gespendet werden.
5vier.de: Was machst du eigentlich beruflich?
Tina: Ich arbeite als selbständige Kommunikationsdesignerin und habe ein Büro mitten in der Trierer Innenstadt.
5vier.de: Interessant,das bedeutet ja auch, dass du zunächst wenig Berührungspunkte mit dem vielleicht archaischen Leben in den Weiten Ruandas hattest. Wie bereitet man sich denn dann auf so einen Trip vor?
Tina: Ende April habe ich mich endlich entschieden, teilzunehmen. Los ging es aber erst in der zweiten Septemberwoche. Die Zeit bis dahin habe ich zur intensiven Vorbereitung genutzt. Anfangs noch etwas zaghaft, ich habe erstmal recherchiert, was mich in Ruanda erwarten würde und was noch alles zu erledigen war. Parallel habe ich dann mal langsam mit den ersten Radtouren angefangen, mit einem „geerbten“ Mountainbike. Habe befreundete Mountainbiker gefragt, worauf ich beim Fahren achten muss, was ich so brauche. Welche Strecken es gibt. Ich hatte zum Glück dann auch schnell ein paar Trainingspartner. Wir haben hier echt ein tolles Trainingsterrain, muss ich sagen. So lernt man die Region auch nochmal aus einer anderen Perspektive lieben!
Vorbereitungen und Mountainbiken
Außerdem musste ich mir ja noch Gedanken über meine Kampagne machen. Ich habe ein paar Ideen entwickelt, die aber alle an der deutschen Bürokratie gescheitert sind. So habe ich ein paar Anläufe gebraucht, bis ich dann am Ende doch eine englische Spendenseite aufgesetzt habe. Das hätte ich natürlich auch direkt so machen können, aber hinterher ist man ja immer schlauer. Als Fundraisingziel waren übrigens 1,500 GBP vorgegeben.
5vier.de: Dann stand der große Tag vor der Tür. Wie bist du zur Gruppe gekommen?
Tina: Im Vorfeld habe ich versucht, so viel wie möglich über das Land zu erfahren. Ich habe mich mit verschiedenen Leuten getroffen,die eine Verbindung zu Ruanda haben oder das Land bereits bereist hatten. Das hat echt geholfen und alle haben mich sehr in meiner Entscheidung bestärkt. Das war toll.
Außerdem musste ich die An- und Abreise planen und mich auch noch um die übrigen Tripkosten sowie Equipment kümmern… Auch nicht zu unterschätzen.
Während die Gruppe aus London anreiste, bin ich alleine von Frankfurt aus geflogen. Erst nach Brüssel und von dort in die Hauptstadt Kigali. Total angenehm ist, dass es keine Zeitverschiebung gibt zwischen Ruanda und Deutschland. Ich war zwar rund zwölf Stunden unterwegs, aber hatte so immerhin keinen Jetlag.
5vier.de: Hast du es manchmal bereut, dass du diese Biketour angehst?
Tina: Zwischendurch dachte ich schon, puh, das ist jetzt ganz schön kompliziert. Vor allem das mit der Spendenaktion. Aber das waren nur die Momente, wenn ich merkte, es läuft gerade nicht so, wie ich es mir vorgestellt habe. Ansonsten, nö, keine größeren Zweifel.
5vier.de: Du warst als einzige Deutsche mit dabei, wer waren die anderenTeilnehmer?
Die anderen kamen alle aus dem Großraum London. Eine bunt gemischte Truppe. Überraschenderweise eher frauenlastig, es waren nur zwei männliche Teilnehmer dabei. Und sogar eine Schauspielerin. Sie spielt in einer englischen Soap mit.
5vier.de: Wie war das mit der Verständigung untereinander?
Tina: Wir haben natürlich alle Englisch gesprochen. Je nach Tagesform war es mal mehr oder weniger anstrengend, sich nicht in seiner Muttersprache auslassen zu können. Es war eine Herausforderung als einzige Deutsche, aber machbar, na klar.
5vier.de: Wie habt ihr euch in Ruanda verständigt?
Tina: Auch größtenteils auf englisch. Oder auf französisch. Nach dem Ruanda auch mal eine deutsche Kolonie war kamen die Belgier für eine längere Zeit und haben Französisch als Sprache etabliert. In den 90er Jahren wurde dann wieder um Englisch eingeführt… Die nationale Sprache Ruandas ist allerdings Kinyarwanda. Die wichtigsten Wörter wurden uns gleich am ersten Tag beigebracht, wie Muraho, (Guten Tag!) und Murakoze (Danke!) usw. Das brauchte man ständig!
5vier.de: Wie ging es nach der Ankunft weiter?
Tina: Wir hatten einen Tag, um Kigali kennen zu lernen und uns zu akklimatisieren. Ruanda liegt insgesamt höher als Deutschland, so auf 1.500 Metern über dem Meeresspiegel. Natürlich haben wir uns auch mit der Vergangenheit Ruandas auseinander gesetzt und gleich am ersten Vormittag das Kigali Genocide Memorial Centre besucht. Ein sehr erschütterndes Kapitel der jüngeren Geschichte Ruandas, das einem zwangsläufig sehr nahe geht.
Außerdem wurden noch unsere Mountainbikes für uns eingestellt, damit wir montags pünktlich starten konnten.
5vier.de: Wie viele Tage bist du unterwegs gewesen?
Tina: Die Radtour ging von Montag bis Freitag, mit einem Tag Pause. An den vier Tourtagen haben wir dann wirklich von morgens bis abends im Sattel gesessen. Insgesamt war ich 10 Tage unterwegs.
5vier.de: Wie lang war eine Etappe?
Tina: Im Schnitt waren die Etappen zwischen 40-60 Kilometer lang, und wir haben ungefähr 1.000 Höhenmeter täglich absolviert. Die letzte Etappe war dann etwas länger, so um die 90 Kilometer. Ruanda trägt ja den vielsagenden Beinamen „Land der 1.000 Hügel“. Ich fand ja, es waren eher 100.000. Es ist landschaftlich wirklich wunderschön, man hat von überall wahnsinnig tolle Ausblicke und ja, es ist tatsächlich sehr hügelig (lacht).
5vier.de: Gab es beängstigende Erlebnisse?
Tina: Nein, eigentlich nicht.Ich habe mich zu keinem Zeitpunkt unsicher oder unwohl gefühlt. Die Streckenführung war allerdings etwas abenteuerlich.Und die Beschaffenheit der Wege anspruchsvoller zu befahren als gedacht. Geteert sind in Ruanda bislang nur die Hauptverkehrsrouten, alle anderen Straßen sind unbefestigt oder naturbelassen, das macht es für Mountainbiker natürlich erst attraktiv. Außerdem ist alles sehr steinig, mit teilweise vulkanischem Gestein, und weil es quasi täglich, wenn auch meist nur kurz, mehr oder weniger viel regnet, gibt es viele Furchen in den Wegen, da musste man schon konzentriert unterwegs sein. Und wie erwähnt, es ging entweder steil rauf, oder steil runter!
Wenig Asphalt und sportliche Herausforderungen
5vier.de: Das klingt in der Tat sportlich. Wie kamst du damit zurecht?
Tina: Unerwartet gut! Beim Training zu Hause war ich extrem vorsichtig unterwegs, auch weil ich vor der Reise keinen Unfall riskieren wollte. Zum Glück hat in Ruanda dann alles super funktioniert und mega Spaß gemacht. Es war zwar auch echt anstrengend und der Popo wund, aber alle Mühen waren es wert!
5vier.de: Was fällt dir spontan ein, wenn du an deine Reise zurückdenkst?
Tina: Das Radfahren war natürlich sehr eindrucksvoll, weil wir so nah an den Menschen waren. Ruanda ist sehr dicht bevölkert, überall sind Leute und Kinder unterwegs. Sie laufen von Dorf zu Dorf, es gibt kein Anfang und kein Ende. Eigentlich waren immer Menschen um uns herum.Natürlich waren sie sehr neugierig, wenn wir angehalten haben oder vorbeikamen. Da hat sich dann schnell das ganze Dorf versammelt, um die „Muzungos“, also uns Weiße, zu bestaunen.
Besonders die vielen Kinder waren oft völlig aus dem Häuschen, und sind uns nicht selten eine Weile hinterher gelaufen! Ich war schon sehr geflasht von dieser Begeisterung und den Begegnungen. In der Art hatte ich das vorher noch nicht erlebt.
5vier.de: Wie ist es für dich, zurück in Deutschland zu sein?
Tina: Komisch ist es, die Challenge vorbei, monatelang vorbereitet und zack, wieder zurück. Ich dachte, huch, war was? Was mach’ ich denn jetzt?
5vier.de: Warst du schon immer ein Abenteurer?
Tina: Ich bin schon immer gerne gereist, bin aber kein Vorzeigeabenteurer, würde ich sagen. Zwar auch gerne mal unkonventionell unterwegs, aber ich stürze mich jetzt auch nicht in die Wildnis.. Wobei, wer weiß? Kann ja noch werden! 😉
Verdoppeltes Spendenziel
Du sagtest, ihr hattet als Vorgabe 1,500 GBP an Spendengeldern zu sammeln. Wie ist der Stand der Spendenaktion?
Ich konnte bisher das Spendenziel verdoppeln. Darüber bin ich sehr glücklich. Die Aktion ist super gelaufen und, wie gesagt, noch bis Anfang November online. Vielleicht tut sich ja noch was. Das wäre klasse. Wir hatten ja vor Ort Gelegenheit, zu sehen, wie die Organisation arbeitet und wo die Spendengelder landen. So kamen wir mit Familien und Kindern in Kontakt, die in Projekten von hope and homes for children integriert sind. Das war sehr beeindruckend und auch berührend. In verschiedener Hinsicht, wir haben auch ein Heim für Beeinträchtigte besucht, das war eher ein sehr trauriges Erlebnis. Hier war leider nicht zu übersehen, woran es fehlt und wie wichtig Hilfe, Aufklärung und finanzielle Unterstützung sind. hope and homes for children ist wirklich sehr engagiert, die Dinge in die richtigen Bahnen zu lenken. Und die Probleme an der Wurzel anzupacken. Das bedarf natürlich einer behutsamen Vorgehensweise mit nachhaltigen Lösungen. Die Spendengelder sind da nur ein Anfang – wenn auch ein wichtiger! red/jr
5vier.de: Liebe Tina, vielen Dank für das Gespräch.
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Ruanda: Partnerland von Rheinland-Pfalz
Seit 1982 pflegt Rheinland-Pfalz eine so genannte „Graswurzelpartnerschaft“ mit Ruanda, eine Partnerschaft auf der Ebene der Bevölkerungen, also gewissermaßen „von den Menschen – für die Menschen“. Das heißt, dass Kommunen, Schulen und verschiedene gesellschaftliche Gruppen die unmittelbaren Träger der Partnerschaft sind und die Regierungsebenen diese Arbeiten begleiten.
Ruanda wird geografisch Ost-Zentralafrika zugeordnet und liegt in der Region der „Großen Seen“. Das Land ist christlich geprägt und hat über 9 Mio. Einwohner auf einer Fläche von 26.340 km². Ruanda ist also um knapp ein Drittel größer als Rheinland-Pfalz und hat eine mehr als doppelt so hohe Bevölkerungszahl (RLP: 19.853 km² bzw. 4,05 Mio.). Weitere Infos zum Partnerland gibt es im Netz auf der Seite rlp.de
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