Die so genannten „Montagsspaziergänge“ von Menschen, die die Corona-Bekämpfungsmaßnahmen ablehnen, sorgen immer wieder für Diskussionen über das Versammlungs- und Demonstrationsrecht. Warum darf man sich nicht einfach mit vielen anderen Menschen zu einem Spaziergang durch die Trierer City verabreden? Warum führt eine Demonstration durch den Stadtteil Euren statt durch die Fußgängerzone? Für die Rathaus Zeitung beantworten Christian Fuchs, Leiter des Trierer Ordnungsamtes, und Ralf Krämer, Leiter der Polizeidirektion Trier, wichtige Fragen zum Versammlungsrecht.
In welchen Gesetzen und Verordnungen ist das Versammlungsrecht geregelt?
Die Versammlungsfreiheit ist ein verfassungsmäßig garantiertes Recht, das steht in Artikel 8 Absatz 1 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland. Hieraus ergibt sich das Recht, sich friedlich und ohne Waffen versammeln zu dürfen. Dieses Grundrecht ermöglicht es den Bürgerinnen und Bürgern, sich aktiv am politischen Meinungs- und Willensbildungsprozess zu beteiligen und ist daher ein hohes Gut in einem demokratischen Staat. Das Recht auf Versammlungsfreiheit kann jedoch durch Gesetze eingeschränkt werden, beispielsweise das Versammlungs- oder auch das Infektionsschutzgesetz. Grundsätzlich gilt: Eine Versammlung im rechtlichen Sinn ist eine örtliche Zusammenkunft mehrerer Personen zum gemeinsamen Zweck der öffentlichen Meinungskundgabe.
Muss man eine Demonstration oder Kundgebung anmelden und muss die Stadtverwaltung diese dann erst genehmigen?
Nach dem Versammlungsgesetz besteht lediglich die Verpflichtung, eine öffentliche Versammlung unter freiem Himmel oder einen Aufzug 48 Stunden vor der Bekanntgabe anzumelden. Durch die Anmeldung wird ermöglicht, dass die Versammlungsbehörde, die Polizei, die Anmelder und Leiter von Versammlungen sowie andere Kooperationspartner miteinander sprechen und kooperieren können, damit alle Interessen in Einklang gebracht werden können.
Das soll der Polizei und der Versammlungsbehörde unter anderem ermöglichen, eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung bei der Durchführung der Versammlung im Vorfeld erkennen und abschätzen zu können und die Versammlung dann unter Umständen von bestimmten Auflagen abhängig zu machen oder sogar zu verbieten. Im Jahr 2021 wurden in Trier bei der Versammlungsbehörde, die Teil des Ordnungsamtes ist, circa 220 Versammlungen angemeldet.
Manche Demonstrationen stören den Verkehr, Straßen müssen zeitweise gesperrt werden oder der Lärm stört die Passanten. Können Polizei und Stadtverwaltung das nicht einfach verbieten?
Aufgabe von Polizei und Versammlungsbehörde ist, die Meinungskundgabe und das Recht auf Ausübung der Versammlungsfreiheit auf der einen Seite zu ermöglichen und dabei auf der anderen Seite die Interessen anderer, also beispielsweise von Passanten in der Fußgängerzone, Anwohnern oder Verkehrsteilnehmern im Straßenverkehr, so wenig wie möglich einzuschränken. Ziel ist also, unter allen Beteiligten und den von einer Kundgebung oder Demo Betroffenen einen Kompromiss zu finden, der möglichst für alle tragbar ist. Dabei müssen Polizei und Ordnungsbehörden hinsichtlich der Versammlungsthemen immer neutral sein. Persönliche Meinungen oder die Haltungen in Verwaltung oder politischen Gremien dürfen in der objektiven Rechtsgüterabwägung und bei der Durchführung des polizeilichen und kommunalen Einsatzes keine Rolle spielen.
Warum kann die Verwaltung Demonstranten vorschreiben, wie sie zu demonstrieren haben oder wo sie ihre Demonstration machen dürfen? Warum dürfen Demonstranten das nicht einfach selber entscheiden?
Grundsätzlich gilt das Recht der Versammlungsfreiheit und damit auch die freie Wahl der Zeit, der Art und des Ortes der Versammlung. Im Rahmen des bereits erwähnten Schutzes der öffentlichen Sicherheit und Ordnung sind aber Einschränkungen möglich. Daher finden im Vorfeld von Versammlungen in der Regel Kooperationsgespräche der Polizei, Versammlungsbehörde, Feuerwehr, Verkehrsbehörde und des Verkehrsbetriebs der Stadtwerke mit dem oder den jeweils Anmeldenden statt. Ziel ist, Gefahrenlagen auszuloten und somit Gefährdungen sowohl für Dritte als auch Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Kundgebung im Vorfeld zu vermeiden. Die beteiligten Behörden haben dabei die schwierige Aufgabe, die Rechtsgüter der Betroffenen untereinander abzuwägen, auszugleichen und die Beeinträchtigungen und Sicherheitsinteressen für unbeteiligte Dritte abzuschätzen, zu bewerten und sie so gering wie möglich zu halten. Beispielsweise sind nicht immer alle Plätze, Straßen und Wege für eine geplante Kundgebung geeignet.
Welche Unterschiede gibt es für Demonstrationen und Kundgebungen durch die Corona-Pandemie im Vergleich zu „normalen“ Zeiten?
Versammlungsbehörde und Polizei versuchen, die Versammlungsfreiheit mit den derzeit geltenden Regelungen des Infektionsschutzes in Einklang zu bringen. Aufgrund des Infektionsgeschehens hat der Gesundheitsschutz der Bevölkerung dabei hohe Priorität. Deshalb gibt es Auflagen wie beispielsweise Masken- und Abstandspflicht. Damit die Abstände auch eingehalten werden können, ist es unter Umständen erforderlich, eine Personenbegrenzung festzulegen. Dabei ist es wichtig, die aktuelle Entwicklung zu beobachten, um zeitnah reagieren zu können. Die Versammlungsbehörde hat für alle größeren Plätze Flächenberechnungen gemacht, damit im Vorfeld klar ist, wie viele Teilnehmer die Abstandspflicht überhaupt einhalten könnten.
Unter Berücksichtigung der jeweils aktuellen Inzidenzen, Hospitalisierungszahlen und auch der Auslastung der Intensivstationen kann es auch angezeigt sein, nur eine stationäre Versammlung und keinen Aufzug zuzulassen. Eine Durchmischung mit unbeteiligten Dritten soll so vermieden werden.
Was passiert, wenn sich Demonstranten nicht an die Auflagen der Stadtverwaltung halten – wird das überhaupt kontrolliert?
In der Regel sind Polizei, Versammlungsbehörde und der Kommunale Vollzugsdienst bei Kundgebungen und Aufzügen anwesend, um die Einhaltung der Auflagen zu kontrollieren. Dabei wird auch überprüft, ob auch Regelungen der Corona-Bekämpfungsverordnung eingehalten werden. Sollte gegen Auflagen oder allgemeine Regelungen verstoßen werden, wird die Einleitung von Ordnungswidrigkeits- oder sogar Strafverfahren geprüft. Ein Verstoß gegen eine Auflage durch einen Teilnehmenden kann mit bis zu 500 Euro Bußgeld geahndet werden.
Warum werden in Trier „Spaziergänge“ von Polizei und Ordnungsamt untersagt, zu denen sich Menschen über Social-Media-Kanäle verabreden?
Bei den sogenannten „Montagsspaziergängen“ handelt es sich in der Regel um öffentliche Versammlungen unter freiem Himmel beziehungsweise Aufzüge im Sinne des Versammlungsgesetzes. Problematisch ist, dass solche Versammlungen regelmäßig nicht angemeldet werden. Bei einem Verstoß gegen die Anmeldepflicht wird geprüft, ob eine nicht angemeldete Versammlung aufgelöst werden muss, weil gerade durch die unterbliebene Anmeldung eine unmittelbare Gefährdung für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung droht.
Als milderes Mittel können aber auch Auflagen erteilt werden, um eine solche Gefährdung zu verhindern. Ordnungsamt und Polizei erklären den „Spaziergängern“ immer, dass es sich rechtlich um eine Versammlung handelt. Es kommt also nicht darauf an, wie man die Veranstaltung bezeichnet (also als Spaziergang), sondern nur darauf, wie sie aufgrund der festgestellten Merkmale einzuordnen ist (also als Versammlung). Dann wird grundsätzlich nach einem Versammlungsleiter gefragt, und es werden Auflagen festgelegt, zum Beispiel Mindestabstände, Tragen von Mund- Nase-Bedeckungen, Bestellung von Ordnern. Eine Kundgebung kann dann zugelassen werden, möglicherweise wird aber ein Aufzug – also der „Spaziergang“ – untersagt. Meldet sich niemand als Versammlungsleiter, sind die Versammlungsteilnehmenden unkooperativ oder möchten keine Auflagen beachten, wird die Versammlung aufgelöst. Dann müssen sich die Teilnehmenden unverzüglich entfernen. Tun sie es nicht, kann sogar ein gegen sie gerichtetes Strafverfahren die Folge sein.
Zweimal hat es schon Kundgebungen auf dem Parkplatz Moselauen und Demonstrationszüge durch Euren gegeben. Warum findet das dort statt? Kann man das nicht mal in einem anderen Stadtteil machen?
In jedem Einzelfall wird geprüft, unter welchen Bedingungen es ermöglicht werden kann, das Recht auf Versammlungsfreiheit wahrzunehmen. Um beispielsweise die Corona-Bestimmungen in Bezug auf das Abstandsgebot einhalten zu können, ist eine gewisse Fläche in Abhängigkeit von der zu erwartenden Anzahl an Versammlungsteilnehmenden erforderlich. Im Vorfeld wurden viele verschiedene Optionen von Versammlungsflächen geprüft. Ergebnis: Für die angemeldeten Teilnehmendenzahlen gab es keinen anderen, stadtnahen Versammlungsort, der groß genug gewesen wäre. Die Aufzugstrecke in Euren stand daher in unmittelbarem örtlichen Zusammenhang mit der Versammlungsfläche.
Wenn es die Gegendemonstrationen nicht gäbe, dann bräuchte man ja nicht so ein großes Polizeiaufgebot. Kann man die Gegendemonstrationen nicht verbieten? Oder die irgendwo ganz anders hinschicken?
Das Versammlungsrecht ist ein Grundrecht. Über Zeit, Ort und Art der Demonstration entscheidet zunächst die Veranstalterin oder der Veranstalter. Dies gilt auch für die genannten „Gegendemonstrationen“. Das Versammlungsrecht schützt nicht generell vor Missfallensbekundungen und störenden Geräuschen durch Gegendemonstrationen. Eine Gegendemonstration muss daher grundsätzlich in Hör- und Sichtweite zur Ausgangskundgebung stattfinden können, damit deren Teilnehmende die Möglichkeit haben, beachtet zu werden. Ist das nicht gewährleistet, käme dies de facto einem Verbot der Gegendemonstration gleich.
Ordnungsamt und Polizei müssen die Versammlungen, den ordnungsgemäßen Ablauf und die Einhaltung der Auflagen grundsätzlich immer überwachen. Es geht auch darum, dass sich Teilnehmende verschiedener, „konkurrierender“ Versammlungen an die Regeln halten. Auch Verkehrssicherungs- und Lenkungsmaßnahmen bei Aufzügen gehören zu den regelmäßigen Aufgaben der Polizei. Je größer die Versammlungen sind, je konträrer und emotionaler sich die Teilnehmenden mehrerer Versammlungen gegenüberstehen, umso größer wird regelmäßig auch der Polizeieinsatz sein.
PM – Stadt Trier
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