Mal wieder grüble ich über meinen Job: Musiklehrer. Ich unterrichte Gitarre und das seit ich 15 bin. Mal mehr mal weniger, professionell ging das gleich nach der Zivildienst zeit los, fast 25 Jahre ist das jetzt her. Ich unterrichtete in Kinder- und Jugend- und Wohnzimmern, in Klassenräumen, Musikschulen und ein ganzes Zeitchen sogar in einem alten Tresorraum im Keller eines Musikgeschäfts in Trier. Und gerade in diesen Zeiten in denen es den Künstlern und der Veranstaltungsbranche durch reihenweise abgesagte Events so dreckig geht wie noch nie (während überbezahlte Fussballer und deren Fans sich fleissig um den Virentausch kümmern) muss ich an diesen Job in diesem Tresorraum denken. Weshalb? Nun er war sicher.
Vollmundige Versprechungen
Um das richtig einzuordnen muss ich mal ein paar Worte zum beruflichen Umfeld der meisten Musiklehrer los werden. Die meisten von uns werden irgendwann an einer Musikschule angestellt sein. Die Musikschulen versprechen meist vollmundig die soziale Absicherung bei gleichzeitiger Möglichkeit seine Kunst beruflich ausüben zu können. Soweit die Theorie.
In der Praxis sieht es meist so aus dass die Musiker für einen (meist) recht spärlichen Stundenlohn (trotz meist ansehnlicher Gebühren für die Schüler) in relativ schäbigen Räumen möglichst einem Schüler nach dem anderen die gleichen Basics beibringen müssen- eine nervenaufreibend langweilige Akkordarbeit. Diese hat wenig damit zu tun junge Talente zu inspirieren wie Meister Yoda den jungen Padavan. Dazu kommt dass viele von uns ausschliesslich das Instrument studiert haben und dem pädagogischen Teil der Aufgabe nur bedingt gewachsen sind, hier hilft meist die Berufserfahrung. –
Ja, nicht jeder von uns ist ein pädagogisches Naturtalent. Oft lässt sich das vergleichen mit jemandem der einem Fremdsprachler seine Muttersprache beizubringen versucht. Ist doch alles ganz einfach und normal für uns, wir können es ja schon.
Das finanzielle Auskommen abhängig von den Launen der Halbwüchsigen
Der interessanteste Part (neben dem oft geringen Anteil an Gebühren der dann wirklich an den Lehrer fließt) ist aber der Umstand dass alle mir derzeit bekannten Schulen den Lehrer gemessen an der Zahl seiner Schüler vergüten und das ohne einen Puffer der über eine 2-3monatige Kündigungsfrist für den Schüler hinausgeht.
Das bedeutet: Das komplette Risiko liegt auf den Schultern des Lehrers. Die Schule nimmt sich lediglich Prozente. Normalerweise werden nur die Verwaltungskräfte zu einem monatlichen Festlohn eingestellt. Das bedeutet also im Klartext: sobald ein Schüler bei seinem Lehrer aufhört und es keinen neuen Schüler gibt wird sich spätestens 12 Wochen später die Zahl seiner Wochenstunden um diese Unterrichtseinheit verkürzen. Das bedeutet nicht nur weniger Lohn sondern auch in der Summe weniger Rente – und das meist bei gleichbleibender Zahl Stunden die der Lehrer in der Schule anwesend ist (wenn die Schule es nicht hinbekommt die Schüler so neu zu arrangieren dass der Lehrer entsprechen früher gehen oder später kommen kann). Man könnte ein wenig polemisch sagen dass unser finanzielles Auskommen in der Hand der Launen einer Hand voll Zwölfjähriger liegt.
Der Pimp
Die Schule versteht sich lediglich als Makler der gegen eine Provision den Unterricht vermittelt – quasi eine Art Lehrerpimp (ja ich weiss…). Musikschulen weigern sich die Lehrer zu einer festen Stundenzahl einzustellen und selbst das Risiko zu tragen dass die Lehrer in diesen Stunden auch voll beschäftigt sind. Sie sind also der einzige Wirtschaftszweig der seine tatsächliche Kundenlage eins zu eins auf die Mitarbeiter umlegt.
Man stelle sich das mal in einem Handwerksbetrieb vor in dem die Gesellen nur dann bezahlt werden wenn der Chef einen guten Kunden an Land hat, ansonsten werden sie für die Zeit in der das nicht der Fall ist ohne Lohn nach Hause geschickt. Undenkbar. Für (die meisten von) uns leider Realität und bitter wenn man bedenkt dass viele Schulen natürlich auch eine entsprechende Ausbildung, am liebsten ein Studium verlangen.
Dazu kommt der Faktor dass wenn man mit Musikunterricht ein vernünftiges Auskommen haben möchte man doch sehr viele Wochenstunden abreissen muss. Da ist nix mehr mit „Die Kunst beruflich ausleben“, vor allem weil es natürlich regelmäßig zu Terminproblemen zwischen Musikern und Musikschulen kommt. Wenn z.B. der Musiker künstlerische Angebote annehmen möchte , z.B. eine Tour in einer Schulwoche dann ist der Konflikt schon vorprogrammiert. Zwar brüstet sich jede Schule gerne mit den künstlerischen Verdiensten der Lehrer, dennoch ist sie selten bereit diese zB. durch unbezahlten Urlaub und eine Vertretungskraft wirklich zu fördern – auch im eigenen Interesse. Wichtiger ist dass der Lehrer Stunden abreisst. Auch irgend wie verständlich – bedingt.
Der Tresorjob
Mein anfangs erwähnter Tresor-Job war da anders und ich bin auch im Nachhinein sehr dankbar dafür: Man gab mir eine fest bezahlte Stundenzahl und es war egal ob es Schüler für diese Zeit gab oder nicht. Mir wurden Tätigkeiten gezeigt die ich erledigen konnte wenn ich keine Schüler hatte – so konnte ich langfristig mit meinem Gehalt planen.
Mein Appell geht an die Musikschulen: gebt den Lehrern Festverträge und die Möglichkeit in unterrichtsfreien Stunden zu arbeiten, z.B. Videolessons und Tutorials zu produzieren (für den Zeitpunkt wenn mal wieder ne Pandemie durch´s Land rollt), die Instrumente zu warten oder Verwaltungsaufgaben zu erledigen. Baut die Netze für Online Unterricht weiter aus so dass Schüler nicht zwingend in die Schule kommen müssen. Und werdet transparent bezüglich der Aufteilung der gezahlten Gebühren.
Und liebe Musiklehrer : Denkt auch mal über die Selbständigkeit nach. Eine Rente als jahrzehntelanger Selbständiger nimmt sich fast nix mehr zur Rente einer durch Unterrichtslücken von Vollzeit auf Teilzeit reduzierten angestellten Lehrkraft. Oder kommt der Schule entgegen indem Ihr Bereitschaft zeigt auch andere Tätigkeiten als das reine Unterrichten Eures Instruments auszuüben. Informiert Euch! Oder heiratet halt reich.
Liebe Eltern: Ihr schaut auf Fairtrade- und ähnliche Zertifikate bei den Produkten des täglichen Lebens. Achtet doch mal darauf wie die Musiklehrer in der Musikschule eures Vertrauens behandelt werden – und fragt nach. Nur zufriedene Lehrer sind gute Lehrer. Dazu gehört eine vernünftige Vergütung der Leistung incl. Urlaub (auch bei Privatunterricht), immerhin geht es (meistens) um studierte Fachkräfte.
Euer Senf hierzu interessiert mich natürlichsehr – also kommentiert was das Senfglas hergibt! Mehr Senf von mir gibt es hier!
Und wenn Ihr dann noch hungrig seid:
Mehr Sempf und weitere Themen von Johannes‘ bekommt ihr in seinem Podcast „Discöföx“, in dem er zusammen mit Philipp Godart das Weltgeschehen kommentiert. „Schier sein Podcast“ ist schier gut. Weitere Infos findet ihr zudem auf den Websites der Boys:
Jöhännes www.johanneschier.de
Philipps: www.philippgodart.de
StaubigerDavid meint
Aufschlussreicher Artikel! Danke für die Einblicke, kann deinen Frust gut nachvollziehen! Deine Veränderungsvorschläge würden einen guten Refrain abgeben… oder so