Ein sichtlich verkaterter Mittfünfziger mit Bluthochdruck kommt mir auf einem Schotterweg entgegen – Ich bin mir sicher, er heisst Dieter oder Horst, und ich bin mir sicher, er singt beim Grölen des Liedes „Oh, du schöner Westerwald“ nach dem 5. Glas Bier immer noch laut zum Amusement seiner Freunde das Wort „Eukalyptusbonbon“. Unterm Arm trägt er eine Rolle Toilettenpapier, ein Handtuch und eine Zahnbürste , am Leib ein altes Deutschland-WM Trikot. Seine Crocs-Mauken kriegt er kaum hoch, denn er hat die achte Morgenzigarette noch nicht drin. Ich muss wohl auf einem Campingplatz sein.
Haushalt als Hobby
Ich war lange nicht mehr auf einem Campingplatz, und meine Erinnerungen sind recht verschwommen, weswegen ich meinen Campingtrip auch mit gemischten Gefühlen begonnen hatte. Kaum kommt man durch die Schranke, vorbei am Fenster, durch das einem morgens die (natürlich) vorbestellten Brötchen in die mitgebrachten Tüten gekippt werden, hat man zuerst einmal das Gefühl, man sei durch den Kleiderschrank nach Narnia gekommen. Sofort weht ein anderer Wind. Ob es gut ist, weiß man noch nicht so genau. Aber es ist anders. Was machen die Leute hier so, wenn sie sich nicht betrinken? Ich finde es schnell heraus: Haushalt. Entweder wird aufgeräumt, gekocht, oder eben gespült. Natürlich am gemeinschaftlichen Spülplatz, unweit von den gemeinschaftlichen sanitären Anlagen. Will man das wirklich? In der Theorie klingt es schrecklich – aber schon oft hat die Praxis die Theorie zu Grabe getragen, also mal schauen.
Kinkerlitzchen als Hauptprobleme
Auf jeden Fall umgibt mich Ruhe und Ordnung – und ich meine das nicht unbedingt nur sarkastisch. Es hat schon sein Positives, wenn man sich um nix weiter scheren muss, als darum, ob man gerade aufs Klo muss, oder wann man spült bzw. was man kocht. Dazu ein Hauch von Daydrinking – irgendwo ist es schließlich immer 5 Uhr. Was sich erst wie Lethargie anfühlt, stellt sich später als Entspannung heraus. Narnia fängt an, mir zu gefallen, irgendwie scheint mein Alltag es nicht durch den Schrank geschafft zu haben.
Bevormundung als Sicherheitsnetz
Der Betreiber des Platzes scheint sich da gut auszukennen – denn dieser geistige Dämmerzustand (, ich glaube, die Luxemburger nennen es „latzig“) sorgt auf Dauer für Notstrom im Oberstübchen. Schilder und Hinweise helfen da dem Zombie in Adiletten schnell auf die Sprünge : „Bitte Toilettenbürste benutzen“ – tut das nicht weh? Naja… Jedenfalls fühlt man sich als Neuankömmling völlig entmündigt, lernt, wie lange man duschen darf, was in welchen Mülleimer gehört und zu welchen Zeiten man sein Handy auf stumm stellen soll. Egal, dann muss man nicht darüber nachdenken, was der eigene Moralkompass zu melden hat.
Flaggen als Reviermarkierung
Natürlich gibt es auch überall diejenigen, die es etwas weiter treiben, für manche zu weit. Ob Bierkistenhochstapler oder laubbläsernde Dauercamper – es wird schon auch für etwas Aufregung gesorgt, so geht einem bei dem ganzen Nichtstun auch nicht der Puls auf Null. Am lustigsten finde ich eigentlich die rechtskonservativen Dauercamper, die erst nach dem 4. Kümmerling so richtig den Nazi rauslassen, aber dennoch jedes Jahr ihre Gebühr zahlen, um Teil eines kommunistischen Kollektivs mit gemeinsamen Wasch- und Spülplätzen zu sein. Irgendwie paradox, dennoch lustig anzusehen, genau, wie der Wald an Flaggen, den Dauercamper aufstellen. Keine Parzelle ohne ihr eigenes Königswappen. Muss man mögen.
Ich als Camper?
Die Frage ist jetzt natürlich, ob es mir gefallen hat, und ich muss leider gestehen: Ja! Irgendwo zwischen Dieters Crocs-Mauken, der Klorolle unterm Arm und dem Dämmersuff am Spätnachmittag fand ich für ein paar Tage einen Frieden, den ich schon sehr lange nicht mehr hatte. Warum? Keine Ahnung. Ich geh mir morgen Crocs kaufen.
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