Ich bin gebürtiger Bayer. Allerdings kam ich schon so früh an die Obermosel, dass von der bayrischen Kultur nichts bei mir hängen blieb – bilde ich mir zumindest ein. Zumindest hab ich nicht angefangen, Cannabiskonsum zu verteufeln, während ich in albernen Kleidern hackenstramm auf einer Bierbank den Masskrug schwinge. “Mass halten” bekommt im Oktober irgendwie eine neue Doppeldeutigkeit. Und obwohl ich das Münchner Bier sehr schätze: Oktoberfeste sind für mich jetzt weniger der Rahmen, in dem ich es genießen kann.
Deftig
Ich geb ja zu: kulinarisch hat das alles seinen Reiz. Deftiges Essen geht gut mit Bier, vor allem im Herbst, gern auch nach einer Wanderung. Allerdings wird das auch der Hauptgrund für die Existenz des legendären “Kotzhügels” auf der Münchner Wies’n sein. Hier mischt sich die Deftigkeit dessen, was in zu großen Mengen zugeführt wird, mit dem plötzlichen Sauerstoff Kick zu einer hoch eruptiven Mischung. Die bahnt sich irgend wann ihren Weg! Wieso sind davon so viele immer noch überrascht? Oder wird es halt einfach in Kauf genommen?
Kräftig
Große Bewunderung geht raus an alle, die auf den Oktoberfesten im Service ihre Frau bzw. ihren Mann stehen. Maßkrüge sind schwer, der Parcours aus Betrunkenen ist schwierig, und mit Pech muss man verbal ein paar angespitzte Gamsbärte davon abhalten, es auszunutzen dass man selbst wegen 15 Maß, die man gerade trägt, keine Hand frei hat, um sich gegen als Geselligkeit getarntes Gegrabbel zu wehren. O’fasst is. Dabei im besten Fall charmant, im schlimmsten Fall nicht allzu agressiv zu bleiben ist eine Kunst, die ich echt bewundere.
Heftig
Ich will kurz mal an letzte Woche anknüpfen. Im letzten Senf schrieb ich noch davon, dass das Bedürfnis, mal wieder richtig steil zu gehen und zu eskalieren, sich meldet – vermutlich ein Zeichen der Midlife Crisis. Gerade frage ich mich, ob Oktoberfeste nicht das “Rock am Ring” der Mittvierziger sind? Sich komisch anziehen, möglichst mit Leder-Anteil, um dann völlig verloren zu gehen und nur durch dem Umstand, sich nicht erinnern zu können, zu wissen, dass es ein super Abend war – das klingt doch gar nicht so unsympathisch. So funktioniert Wacken ja auch. Was hält mich denn nur vom Oktoberfest feiern ab?
Die Musik
Ach stimmt, da war ja was. Irgend wie ist das “Prosit der Gemütlichkeit” dann doch das “Sex,Drugs and Rock’n Roll” der Ära Uschi Glas. Das moselanische Pendant wäre wohl “Wein, Weib und Gesang”. Muss man mögen. Letztlich ist es dann doch Geschmacksache. Ich tu mich nur schwer mit dem Umstand, dass man das zu einer Tradition erklärt.
Das Gefühl
Ich bin in den 80ern damit groß geworden, dass Bayern das erzkonservative Deutschland repräsentiert. Ob in Loriots “Jodeldiplom”, bei der “Polizeiinspektion 1” (,deren Hauptdarsteller Walter Sedlmaier alles andere als erzkonservativ war, wenn keiner hingeschaut hat,) oder selbst bei den “Weissblauen Geschichten” mit “Pumukl”-Sidekick Gustl Bayrhammer: der Süddeutsche war alles andere als hip. Wahrscheinlich auch irgendwie sympathisch und mit einem Augenzwinkern zu ertragen. Mittlerweile wird es halt abgekultet, muss wohl am Bier liegen. Spiessertum stellt sich betrunken gleich viel sympathischer dar. Warscheinlich würden 2 Mass , eine Haxn und eine Brezn mir den zynischen Arsch auch ganz schnell austreiben. Noch ne Mass mehr, und ich würde Aiwanger glauben, daß es sein Bruder war, und glauben, Söder sei nur ein netter Typ in nem lustigen Shrek-Outfit. Aber um welchen Preis?
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