Umeå/Schweden, Juni 2022 / Im Juni 2022 wurde mein erstes Marx-Buch „Wie der Wein Karl Marx zum Kommunisten machte“ mit dem Gourmand Award als weltbestes Buch in der Kategorie „Drinks History“ ausgezeichnet!
Das ist natürlich ein sehr freudiges Ereignis und zugleich eine große Ehre für mich. Bestätigung, dass ich dem richtigen Weg bin, war bislang vor allem der positive Zuspruch meiner Leserinnen und Leser sowie die guten Verkaufszahlen meines ersten Buches. Es ist zum „kleinen regionalen Bestseller“ und mittlerweile auch zum Longseller geworden. Abgesehen davon wurde es weit über unsere Region hinaus bekannt, durch Lesungen in Basel, Berlin, London, Bremen und vielen anderen Orten.
Die Presiverleihung in Schweden
Von Trier in die Welt könnte auch der Titel meiner Reise nach Schweden genannt werden. Hier kommt nun ein kurzer Bericht von meinen Erlebnissen bei der Preisverleihung in Umeå:
Vor einigen Jahren hat Edouard Cointreau, Gründer und Jury-Präsident der Gourmand Awards, Kontakt mit mir aufgenommen. Er interessierte sich besonders für mein mittlerweile ins Chinesische übersetzte Buch „Wie der Wein Karl Marx zum Kommunisten machte“. Dennoch war es eine große Überraschung, als er mir vor ein paar Monaten mitteilte, mein Buch sei für den Gourmand Award in der Kategorie „Drinks History“ nominiert worden. Zugleich lud er mich nach Umeå im Norden Schwedens zur Preisverleihung ein und forderte mich auf, dort einen Vortrag zu halten.
Die Nominierung allein wäre schon eine große Ehre gewesen, denn von etwa 100.000 Büchern pro Jahr, die weltweit zum Thema Essen und Trinken geschrieben werden, erhalten nur etwa 1500 eine Nominierung. 90% der nominierten Werke sind Kochbücher, etwa 10% Bücher über Wein und andere Getränke.
Wie der Wein Karl Marx zum Kommunisten machte
Tatsächlich habe ich mir keine großen Chancen ausgerechnet den Preis zu gewinnen, da die anderen acht in meiner Kategorie nominierten Bücher allesamt in renommierten Verlagen publiziert wurden: Oxford University Press, CNRS Paris (Centre national de la recherche scientifique), De Gruyter und Harvard University Press. Dennoch habe ich mich nach einiger Ermunterung durch Monsieur Cointreau tatsächlich entschieden, nach Schweden zu fahren und an der Zeremonie teilzunehmen.
Die Fahrt nach Umeå (sprich Ühmeoh) erwies sich als sehr kompliziert, weil ich zwei Mal umsteigen musste. Da jemand von der Gangway gefallen ist und der Rettungswagen kommen musste, habe ich meinen Anschlussflug in München verpasst. Ergebnis war eine Verspätung von 7,5 Stunden. Ich werde wohl so schnell nicht mehr über die Deutsche Bahn schimpfen.
Immerhin war es noch hell, als ich um 0.45 Uhr in meiner Unterkunft ankam – dem „Gamla Fängelset“, einem ehemaligen Gefängnis aus dem 19. Jahrhundert. Es heißt ja immer, zur Biographie eines echten Intellektuellen gehöre auch ein Gefängnisaufenthalt. Außerdem fand ich es passend für einen Autor, der über Marx schreibt. Er selbst hat übrigens nur eine einzige Nacht im Knast verbracht – in Brüssel –, ich jetzt immerhin schon drei Tage und vier Nächte. Allerdings hatte ich die Annehmlichkeit eines eigenen Schlüssels und zu Essen gab es zum Glück nicht nur Wasser und Brot.
Gourmand Award als weltbestes Buch in der Kategorie „Drinks History“
Die Veranstaltung rund um die Verleihung der Gourmand Awards dauerte insgesamt vier Tage und fühlte sich ein wenig an wie ein großes internationales Familientreffen. Es waren Teilnehmer aus mehr als 60 Nationen und allen fünf Kontinenten in Umeå. Viele der Autoren waren wie ich zum ersten Mal dabei, die Verleger kannten sich oft schon länger.
Schon die Buchtitel der Nominierten ließen erahnen, dass es hier um mehr als Essen und Trinken ging. Neben den Sterneköchen und Weinpäpsten gab es viele Autor:innen, deren Bücher höchst politisch sind. Die immer wieder thematisierte Frage war, wie wir eine immer größer werdende Weltbevölkerung ernähren und dabei zugleich unseren Planeten schonen können. Antworten darauf lieferten Studien zu den indigenen Völkern, deren Respekt vor der Mitwelt vorbildhaft für die westlichen Industrienationen werden könnte.
Die Leidtragenden des Klimawandels und die Verursacher sind in der Regel nicht identisch und gerade die Pazifikinseln drohen durch den Anstieg des Meeresspiegels von der Landkarte zu verschwinden. Vor diesem Hintergrund ist ein Kochbuch aus Tuvalu zu sehen, dem ersten überhaupt! Der höchste Punkt der Inselgruppe liegt nur fünf Meter über dem Meeresspiegel. Mit dem Kochbuch wollten die Autor:innen auf ihre Existenz und auf die Kultur ihres Landes aufmerksam machen. Besonders hervorzuheben ist, dass bei den Gourmand Awards nicht nur über die betroffenen Leute gesprochen wurde, sondern mit ihnen.
Nicht nur der Wein als Thema
Unausgesprochen stand immer die Frage im Raum, ob der Kapitalismus wirklich die letzte Antwort der Geschichte ist – und falls dem so wäre, was dies für den Fortbestand der Menschheit bedeuten könnte. Wo liegen die Grenzen des Wachstums, auch des Bevölkerungswachstums? Wie viele Menschen kann die Erde ertragen und ernähren?
Auch Covid spielte naturgemäß eine große Rolle und das am häufigsten vorkommende Wort in Kochbuchtiteln der beiden letzten Jahre lautete dementsprechend „zusammen“. In Marlena Spielers Buch „Tasteless“ geht es darum, was Menschen, die keinen Geruchs- und Geschmackssinn mehr haben, sonst noch alles verlieren. Mit Sinneseindrücken sind immer auch Erinnerungen an bestimmte Ereignisse, Orte und Menschen verbunden.
Daneben wurden auch die wirtschaftlichen Schwierigkeiten erörtert, in die gerade Regionen der Welt geraten sind, in denen es kein Geld für Coronahilfen gibt. Das Kochbuch „Our Bali – Your Bali“ des balinesischen Küchenchefs Dean Keddell hilft seinen Köch:innen, trotz Kurzarbeit und Entlassungen über die Runden zu kommen.
Weitere wichtige Themen waren Nachhaltigkeit und gesunde Lebensweise. Mittlerweile wissenschaftlich bestätigt ist die schon lange existierende Vermutung, dass fast alles, das gut für unseren Körper ist, auch gut sein wird für die Mitwelt. Den Begriff „Mitwelt“ verdanken wir übrigens ebenfalls den indigenen Völkern. Er bedeutet, dass wir ein Teil von allem sind, denn „Umwelt“, das sind ja immer nur die anderen.
Essentiell für den Fortbestand der Menschheit ist auch der Kampf gegen Lebensmittelverschwendung. Ihm wurde Rechnung getragen durch Buchtitel wie „Love your leftovers“, „The Zero Waste Chef“, „Edible Waste“ oder „Restlos Glücklich“.
Hinzu kommen naturgemäß Bücher über vegetarische und vegane Lebensweise, die unser Klima weit weniger belasten als Erzeugnisse der Fleisch“industrie“. Immerhin verursacht die Nahrungsmittelproduktion genau so viele Treibhausgase wie der Verkehrssektor. Für Leute, die partout nicht auf Fleisch verzichten können, gab es einen wunderbaren Vortrag über essbare Insekten von Linley Chiwona-Karltun aus Malawi. Unvergesslich ihre Beschreibung einer Flug-Termite, die auf ihrer Zungenspitze gelandet ist und absolut „delicious“ schmeckte.
Verschieden Zukunftsfragen
Der sozialen Komponente des Essens wurde Rechnung getragen durch zahlreiche Bücher und Fernseh-Kochshows mit einfachen und für alle leicht nachkochbaren Rezepte. Viele Sterneköch:innen haben festgestellt, dass fast nichts von dem, was sie im Fernsehen gezeigt haben, Eingang in die Küchen ihrer Zuschauer:innen gefunden hat. Deshalb ist „easy cooking“ zum echten Trend geworden. Überraschend war, dass einer der größten Verleger von Kochbüchern mittlerweile die Firma Vorwerk ist, Hersteller des „Thermomix“ – von mir gern angesehen als Kochtopf für Leute, die nicht kochen können.
Aber natürlich ging es in Umeå nicht nur darum, Vorträge zu halten und zu hören und Leute zu treffen. Auch wenn erfreulicherweise nie irgendein Konkurrenz-Gefühl aufkam, ging es letztendlich auch um den Gewinn der hochbegehrten Awards. Ich war in der Hinsicht komplett tiefen-entspannt, weil ich schon froh war, überhaupt dabei sein zu dürfen. Ursprünglich für die chinesische Version nominiert, konnte ich auf Grund der Corona-bedingten Widrigkeiten nur das deutsche Buch einreichen, das letztendlich auch bewertet wurde. Auf meinem Namensschild stand passenderweise „Jens Baumeister, Germany“, statt „China“. Ich wäre bei meinem nordischen Aussehen als Chinese wohl auch schwer vermittelbar gewesen.
Als Jury-Präsident Edouard Cointreau erzählte, dass immer die ersten vier Bücher einen Award erhalten und er die erkorenen Preisträger besonders gedrängt hat, nach Umeå zu kommen, sind meine Hoffnungen natürlich um 300% gestiegen. Dass ich aber den Preis als „No. 1 in the World“ gewonnen habe und aufs Podium gerufen wurde, war dann doch eine riesige Überraschung – vor allem in Anbetracht der enormen Konkurrenz. Meine Dankesrede war entsprechend kurz und knackig.
Der Vollständigkeit halber hier nun alle Preisträger:innen der Kategorie „Drinks History“:
1: Jens Baumeister (China/Deutschland): „How Wine made Karl Marx a Communist“
2: Serge Wolikoff, Olivier Jacquet und Jacques Gautier (Frankreich): „Quel avenir pour les Appellations d’Origine?“
3: Liz Sagues (Großbritannien): „Sussex by the Glass“
4: François Georgeon (Türkei/Frankreich): „Au Pays du Raki“
Zum Abschied habe ich Monsieur Cointreau gesagt, dass ich zu Anfang dachte, es gehe hier vor allem um Kochbücher. Doch tatsächlich gehe es um viel mehr als das. Seine Antwort lautete: „Ich sehe, Sie haben verstanden, warum wir das hier machen“. Mittlerweile haben 227 Staaten an dem Wettbewerb teilgenommen – mehr als an den Olympischen Spielen oder als die UN Mitglieder hat.
Ich habe viele Leute aus unterschiedlichsten Ländern getroffen und viele gute Gespräche geführt. Es war eine sehr interessante und inspirierende Erfahrung, von der ich sicherlich noch lange profitieren werde. Die Kommunikation verlief natürlich komplett auf Englisch. Immerhin habe ich trotzdem sechs (!) Worte schwedisch gelernt: Hej hej (hallo), hej då (tschüss), fika (Kaffeekränzchen), drag, tryck und tack (nicht die Neffen von Donald Duck, sondern Tür „ziehen“ bzw. „drücken“ und „bitte/danke“).
Pressemitteilung Jens Baumeister
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