Kawai Chung studiert Sinologie, Japanologie und Klassisches Chinesisch im Studiengang Magister und verbringt ein Auslandsjahr in China. In ihrem Blog berichtet sie von den Besonderheiten eines fernen Landes – vom Mysterium Geschirrtrockner bis hin zur passenden Bettwäsche gehen die Uhren auf einem anderen Kontinent einfach anders. Im zweiteiligen 5vier-Interview spricht sie über ihre Erfahrungen in Triers Partnerstadt Xiamen.
5vier: Hallo Kawai, vielen Dank, dass Du Dich zu diesem Interview bereiterklärt hast. Fangen wir doch mal mit den Grundlagen an: Du befindest Dich momentan in der Stadt Xiamen – wie spricht man den Namen eigentlich aus?
Chung: Das X wie das Ch von CHina; ausser man ist Schwabe. Chia-men, letzte Silbe unbetont. Meine Freunde in Deutschland sagen alle Ksiamen, mit sehr harten X.
5vier: Du bist mit Deinem Freund zusammen nach China aufgebrochen – mittlerweile seid ihr ja sogar verlobt. Wann habt ihr Deutschland hinter euch gelassen?
Chung: Wir sind – einerseits aus meiner Sehnsucht heraus, andererseits zur Akklimatisierung von Nils – Anfang September zunächst in Hong Kong gelandet und haben dort eine Woche verbracht, bevor wir mit dem Nachtbus nach Xiamen gefahren sind. Hong Kong war eine gute Idee, damit sich Nils an die Hitze und vor allem an das Essen und die Menschen gewöhnen konnte. Wir bleiben bis Mitte August in China und dann geht es leider/endlich heimwärts!
5vier: Und wie haut das nach acht Monaten mit der Sprache hin? Klappt’s gut? Oder doch eher nicht?
Chung: Ein Dozent hatte uns gewarnt, dass wir die ersten sechs Monate viel und schnell lernen werden, danach würden unsere Aufnahmekapazitäten sinken. Leider hat er – zumindest was mich anging – recht gehabt. Als ich das gemerkt habe, habe ich mich schleunigst wieder auf den Hosenboden gesetzt und mir nochmal genau überlegt, welches Chinesisch-Level ich anstreben will und wieviel ich dafür noch tun muss.
5vier: Irgendwelche Tipps für den ultimativen Lernerfolg?
Chung: Es ist einfach Chinesisch zu lernen, wenn man den Umgang mit Chinesen nicht scheut – also keine Angst vor der rumbrüllenden Marktfrau oder neugierigen Kindern – auch wenn sie mir gegenüber nicht besonders neugierig sind.
Auch eine Möglichkeit: Man findet Sachen, die einen interessieren. Ich mag fernsehen, lesen und internetten (auch wenn vor allen das chinesische Staatsfernsehen ein ganz anderes Kaliber ist) und koche gerne. Also: Fernseher an, ein bisschen auf chinesischen Internetseiten surfen und Kochbücher kaufen. Oder mit besagter brüllender Marktfrau mal Rezepte austauschen!
5vier: Wie sieht Dein Unialltag aus? Und wie steht es mit der Welt jenseits der Unimauern? Wie lebt ihr so?
Chung: Eigentlich sehr unspektakulär. Ich stehe auf, werfe eine Münze („Deutsches oder chinesisches Frühstück?“), lese eMails, internette und bereite mich für die Uni vor. Da ich schon ein gewisses Sprachniveau erreicht habe, habe ich nicht so viel Unterricht wie die anderen, meine Kurse liegen eher mittags. Danach setze ich mich oft noch ganz dekadent in ein westliches Café, trinke einen Grüntee mit Zitrone und vertreibe mir die Zeit, bis Nils frei hat. Meistens stehen sehr alltägliche Sachen an: Haushalt, Hausaufgaben, Kochen und Einkaufen gehen. Wenn die Zeit (und das Portemonnaie) es erlauben, gehe ich gerne mit ein paar Freunden bummeln und shoppen. Und irgendein Restaurant ausprobieren. (Zum Beispiel das „Modern Toilet“: Ein Restaurant, das wie ein Badezimmer aussieht und in dem man die Speisen aus kleinen Toiletten, Pissoirs etc. serviert bekommt.)
Da Xiamen ca. zwei Millionen Einwohner verschiedenster Herkünfte, sozialen Standes und Einkommens hat, gibt es hier unglaublich viel zu entdecken. Manchmal fahren wir einfach irgendwo hin („Wir steigen jetzt hier in den Bus und fahren bis zur Endhaltestelle!“ Alle:“Juhuuu!“) und schauen uns die Gegend an.
Am Wochenende steigt entweder die ein oder andere WG-Party oder wir gehen zuerst in eine Kneipe und anschließend in einen Club. Das ist auch relativ einfach, da wir außerhalb des Campus wohnen und uns daher nicht an Regeln der Ordnung und der Sittsamkeit halten müssen, die da wären: Kein Besuch nach 23:00 Uhr. Kein Lärm nach 23:00 Uhr, etc.
5vier: Schnellfrage: Wann hast Du Dich zum ersten mal so richtig weit weg von Trier gefühlt?
Chung: Als wir aus Höflichkeit zu einem Geburtstag eingeladen worden sind; die Stimmung war alles andere als bombastisch. Ich habe daran gedacht wieviel mehr Spaß und Wahnwitz ich hätte, wenn das ein Geburtstag von einem meiner Freunde wäre. Ich lag mit den Leuten nicht auf einer Wellenlänge, wurde aber, da wir zu „den Deutschen“ gehören, eingeladen. Spaß ist anders.
5vier: „Ich geh nach China!“ – Wie kommt man auf die Idee?
Chung: Indem man Sinologie studiert! Nein, mal im Ernst: Ich bin nach China gegangen, weil mich in den Veranstaltungen keiner mehr ernstgenommen hat; die meisten waren zwar bereits in China, aber meine Sprachkenntnisse waren im Vergleich zu einigen Leuten bei weitem besser. Ich habe mich anfangs geweigert das Auslandsjahr zu machen, erstens weil ich zu feige war mich zu bewerben, zweitens weil ich nicht einsah, trotz besserer Sprachkenntnisse ein Jahr länger zu studieren.
Mir ist aber dann aufgefallen, wie oft in allen Medien, die im Zusammenhang mit Job und Karriere aus dem Uni-Alltag berichten, betont wurde, wie wichtig doch ein Auslandsjahr sei. Meine wachsende Zukunfstangst wurde auch noch von einigen Kommilitonen geschürt: „Du kriegst keinen Job später, du wirst nicht mal zum Vorstellungsgespräch eingeladen!“ „Ohne Auslandserfahrung geht doch gar nichts!“ etc. Mir persönlich kam das Auslandsjahr, das von vielen als Urlaub, freies Jahr oder Selbstfindungstrip angepriesen wurde, mehr vor wie eine lästige Pflicht, vor der es kein Entkommen gab.
Also beschloss ich, mir wenigstens eine hübsche Stadt zu suchen. Und Nils mitzunehmen.
5vier: Da können wir ja nächstes mal einhaken. Vorerst danke für Deine Zeit!
Den zweiten Teil des Interviews gibt es am Donnerstag, den 9. Juli 2011 bei 5vier.de.
matthias meint
„Das X wie das Ch von CHina;“
So klar ist das nun auch wieder nicht 😀