Von Florian Schlecht
Fehlende Fannähe, häufige Werbung und mutmaßlicher Einfluss von PR-Agenturen: In einer Bachelorarbeit kam Tilo Saurin zu kritischen Ergebnissen, wie deutsche Fußball-Nationalspieler die sozialen Netzwerke nutzen. Es gibt aber auch Ausnahmen, sagt der 26-Jährige. „Trotzdem werden die Profis von vielen Seiten reglementiert.“
Es war ein peinlicher Vertipper mit Folgen. „Mein Urlaub neigt sich dem Ende und ein neues Kapital meiner Karriere steht vor mir“, schrieb Mario Götze nach seinem Sommerurlaub fröhlich-verträumt auf seinem Twitter-Account. Der Irrtum, Kapital statt Kapitel geschrieben zu haben, ärgerte nach dem 37-Millionen-Euro-Wechsel des Nationalspielers von Borussia Dortmund zu Bayern München besonders die BVB-Fans – was für das Supertalent im Internet einen so genannten „Shitstorm“ mit wüsten Beschimpfungen zur Folge hatte. „Offenbar gehört Götze zu den Sportlern, die hin und wieder selbst mit dem Smartphone aktiv sind und einen Eintrag auf Facebook oder Twitter schreiben. In der Konsequenz findet man bei ihm halt häufiger Rechtschreibfehler“, sagt Tilo Saurin, der sich durchaus als Experte im Social-Media-Bereich bezeichnen darf.
Denn der 26-jährige Trierer hat im Rahmen seiner Bachelor-Arbeit in den Medienwissenschaften untersucht, wie deutsche Fußball-Nationalspieler die sozialen Netzwerke nutzen. Als Untersuchungszeitraum hat er sich die Fußball-Europameisterschaft in Polen und der Ukraine 2012 ausgesucht. Dabei stieß Saurin auf spannende Ergebnisse. „Was auffällt ist, dass eine große Fan-Nähe von den Fußballern suggeriert wird, diese aber eigentlich nicht vorhanden ist. Die Anhänger haben lediglich die Möglichkeit, die Einträge zu liken, indem sie auf „Gefällt mir“ klicken. Das war es aber auch schon an Teilhabe. Ich habe keinen Fall erlebt, in dem die Spieler gezielt auf Fragen in den Kommentaren antworten.“
Facebook steigert den Ruf als Werbeträger
Viel eher seien die Profile, mit denen sich Özil, Gomez und Co. im Internet darstellen, ein Weg der persönlichen Vermarktung. Überraschend ist es daher, dass Lars Bender und Miroslav Klose auf diese Plattformen verzichten. „Je beliebter der Fußballer bei den Fans ist, desto beliebter ist er auch als Werbeträger“, sagt Saurin. Als Beleg führt er das Beispiel von Lukas Podolski an. „Pepsi hat ihm unter anderem einen Werbevertrag gegeben, weil er einen hohen Bekanntheitsgrad bei Facebook genießt.“
Jeder sechste Beitrag, den der Student analysiert hat, enthielt gar Werbung. Häufig stören sich die Fans nicht daran, weil Spieler dies geschickt verschleiern können („Wenn Sami Khedira sich über seine neuen Schuhe freut, ist das zugleich seine Arbeitsausrüstung und damit nicht so auffällig“). Ist die kommerzielle Absicht hinter den Postings aber zu plump und offensichtlich, sorgt das häufig für Verärgerung. „Als Manuel Neuer während des Turniers gepostet hat, dass er gerade Bock auf Hamburger und Cola bei einem amerikanischen Fast-Food-Unternehmen hat, wurde das nicht akzeptiert. Das war unpassend, weil gerade EM war und man von Ausnahmesportlern nicht erwartet, sich so zu ernähren.“
Wie viel Einfluss haben PR-Agenturen?
Besonders interessant war für Saurin auch der Einfluss der PR hinter den Einträgen. Sind es in Wirklichkeit Agenturen, die hinter den Sätzen der Stars stehen? „Das ist nicht wirklich zu beantworten, weil meine Anfragen abgeblockt wurden.“ Trotzdem geht der Trierer davon aus, dass häufig eben nicht die Nationalspieler hinter den Aussagen stecken, die ihnen in den Netzwerken zugeschrieben werden. „Wenn ein Mesut Özil in vier verschiedenen Sprachen fehlerfrei schreibt und ansonsten vor den Kameras ein vollkommen introvertierter Typ ist, kann mir keiner erzählen, dass das alles von ihm ausgeht.“ Zugleich ist der Spielmacher, der zuletzt von Real Madrid zu Arsenal London gewechselt ist, bei Facebook mit inzwischen über elf Millionen Nutzern der beliebteste deutsche Kicker.
Alles, so glaubt Saurin, werde im Netz aber nicht gesteuert. „Ich denke schon, dass die Spieler ein Wörtchen mitreden können. Dennoch werden sie von vielen Seiten reglementiert“, räumt er ein. So hatte der Deutsche Fußball-Bund während der EM einen strengen Knigge für die Fußballer aufgestellt. Negative Kommentare gegenüber Schiedsrichtern, Gegnern, Kritik an Kollegen und Informationen über Aufstellungen waren verboten.
Doch auch ohne brisante Hintergründe: Die Einträge der Nationalspieler waren bei sportlichen Großereignissen heiß begehrt. Alleine Mario Gomez konnte durch seine Tore in der EM-Vorrunde über 300.000 Facebook-Anhänger hinzugewinnen. Mario Götze steigerte seine Zahlen ebenfalls, obwohl er verletzungsbedingt nur eine Reservistenrolle einnahm. Dafür war er aber immerhin der „Twitterkönig“ mit 20 Tweets vor André Schürrle. Und wer so fleißig schreibt, der hat eben auch mal einen peinlichen Vertipper drin.
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