Hinter Eintracht Trier liegt ein ereignisreiches Jahr, auf das 5vier in drei Teilen zurückblickt. Der erste Part beschäftigt sich mit der Rückrunde 2010/11 und einem Pokal-Erfolg, der sich in den nächsten Kalendermonaten noch als ganz wichtig erweisen kann.
Ein ereignisreiches Jahr 2011 liegt hinter Eintracht Trier, aber eins der Kontinuität, in dem die Unwetter der Kalendermonate zuvor vom Himmel über dem Moselstadion verdrängt wurden. Was waren das für Schlagzeilen, die der Verein 2010 schrieb. Trainer Mario Basler wurde unmittelbar nach der 0:3-Heimpleite gegen Fortuna Düsseldorf II entlassen, danach übernahm Nachwuchskoordinator Reinhold Breu die Mannschaft, ohne das Ruder im Abstiegskampf rumreißen zu können. Auch Roland Seitz konnte in den letzten Spielen nicht mehr retten, was nur noch durch die Lizenzentzüge von Waldhof Mannheim, dem Bonner SC und Rot-Weiss Essen zu verhindern war. Er übernahm eine Elf, die hoffnungslos verloren war. Trier stand in der Regionalliga auf dem 18. Platz, es war das schonungslose Ergebnis eines katastrophalen Jahres, in dem Eigenschaften wie Teamgeist, Disziplin und Klasse zu häufig auf der Strecke blieben.
Der Absturz in die Oberliga war greifend nah, das Navigationssystem für die Auswärtsfahrten schien nur wenige Jahre nach den Jahren in der 2. Bundesliga mit Köln und Frankfurt auf bislang unbekannte Ziele wie Waldalgesheim und Gonsenheim umgepolt werden zu müssen. Doch am „Grünen Tisch“ wurde Trier zu seinem Glück gezwungen – und durfte in der Regionalliga erneut neu aufbauen. Seitz, der akribische Oberpfälzer, baute mit viel Geduld eine Einheit zusammen, die wieder Begeisterung für die Eintracht weckte, die ein erfrischendes „Wir-Gefühl“ nach den Ruinen des sportlichen Abstiegs schuf. Und die für ungewohnte Bodenständigkeit steht.
Der Schwung wurde mit in das Jahr 2011 getragen, in dem die Moselstädter sogar auf den Aufstieg in die 3. Liga hoffen durften. Am Ende sprinteten sie als Vizemeister hinter Preußen Münster erhobenen Hauptes über die Ziellinie, gewannen den Rheinlandpokal gegen Koblenz, spielen nach einem personellen Umbruch im Sommer erneut um den Aufstieg mit und feierten gegen den FC St. Pauli und den Hamburger SV die fast traditionellen Festtage im DFB-Pokal. Ein Mann der ersten Stunde war Thomas Kraus: „Wenn ich überlege, wie wir hier beim Trainingsauftakt 2010 mit ganz wenigen Leuten standen und wo das hinführte, ist das phänomenal.“
So ist es an der Zeit, auf ein Jahr zurückzublicken, in dem Eintracht Trier sich anschickt, auf die größeren Bühnen des Fußballs zurückzukehren. 5vier macht das in drei Teilen bis Neujahr – heute soll an die Rückrunde der Saison 2010/11 mit dem wichtigen Gewinn des Rheinlandpokals erinnert werden. Im zweiten Teil, der am 30. Dezember erscheint, wird auf den Verlauf der Hinrunde und die DFB-Pokalspiele eingegangen. Abschließen folgt das Resümee mit den wichtigsten Statistiken des Jahres wie den erfolgreichsten Torschützen, den Dauerbrennern und den Zuschauern im Moselstadion. Dieses erscheint an Silvester.
Weichenstellung und Aufstiegshoffnungen

Ein Stück Sicherheit: Trainer Roland Seitz verlängerte im Januar seinen Vertrag bis 2012. Foto: Anna Lena Grasmück
Das Jahr 2011 begann für Eintracht Trier mit einer wichtigen Weichenstellung. Trainer Roland Seitz verlängerte unmittelbar nach dem Trainingsauftakt seinen Vertrag. Erst sechs Monate war es her, dass der Verein in den sportlichen Trümmern lag, die der Oberpfälzer sorgfältig beseitigte und sich an sein eigenes Werk mit dem Aufbau einer neuen Mannschaft begab. Für Trier war die gesicherte Zukunft mit dem Fußballlehrer auch ein Stück Sicherheit, was nach den Turbulenzen in der Basler-Ära ein neues Gefühl war. Die sportliche Ausgangsposition vor der Rückrunde war verheißungsvoll. Im Konzert mit Preußen Münster, Mönchengladbach II, Lotte und Kaiserslautern II rechnete sich Eintracht Trier Chancen auf den großen Coup mit dem Sprung in die 3. Liga aus. Dafür wurde der Kader im Januar verstärkt.

Fahrudin Kuduzovic steht für bedingungslosen Einsatz. Im Januar wechselte er nach Trier. Foto: Anna Lena Grasmück
Fahrudin Kuduzovic kam als wuchtiger Mittelfeld-Bulle vom irischen Premier-League-Klub FC Dundalk, Ahmet Kulabas wechselte vom FC Heidenheim an die Mosel und verdrängte Nico Patschinski im Angriff, der seinen Kontrakt wenig später auflöste. Jeremy Karikari sollte das defensive Zentrum verstärken. Das neue Trio sollte sich mit Blick auf die laufende Saison ebenfalls als guter Griff beweisen – Kuduzovic ist der Elfmeter-König der Liga, Kulabas der torgefährlichste Trierer des Jahres, Karikari der Stratege vor der Abwehr.
Sorgen bereitete Seitz hingegen die kurze Vorbereitungszeit von nur drei Wochen. „Die Einheiten sind dicht gefüllt, das zehrt an den Kräften und strapaziert die Spieler arg“, klagte er beinahe prophetisch. Denn der Liga-Auftakt ging mit dem 0:1 gegen Kaiserslautern II in die Hose. Marcel Correira, mittlerweile bei Eintracht Braunschweig unter Vertrag, setzte in der 23. Minute einen Kopfball zum ersten Tor des Jahres im Moselstadion in die Maschen. Es war ein denkbar unglücklicher Start.
Doch das verzerrte Programm mit Nachholspielen gab Trier die Möglichkeit, es im heimischen Wohnzimmer besser zu machen. Das 1:0 gegen den SC Verl war der erste Pflichtspielsieg 2011, Thomas Kraus traf nach 72 Minuten und rutschte auf den Knien glücklich über den Rasen. Das war die Grundlage, um Tabellenführer Preußen Münster zu einem echten Spitzenspiel zu empfangen. 2735 Zuschauer zog es ins Moselstadion, als der hochgewettete Aufstiegsfavorit zu Gast war. Dominique Ndjeng brachte die Preußen nach 13 Minuten in Führung, Kapitän Josef Cinar ließ sich im Tor-Duell der Innenverteidiger nicht lumpen und traf zum 1:1.
Vorentscheidend für den Titelkampf war für die Eintracht möglicherweise die 1:3-Niederlage bei Fortuna Düsseldorf II eine Woche später am Flinger Broich. Als Seitz den Spielberichtsbogen sah, wallte wohl innerlich sein Blut. Fünf Profis aus der 2. Bundesliga bot die abstiegsgefährdete Fortuna-Reserve auf, und die sorgten mit Toren von Michael Gaus und Marco Christ in den 90 Minuten für den Unterschied, ebenso wie der frühe Platzverweis für Cinar. Danach startete Trier eine Serie, weil Kuduzovic immer dominanter wurde und Kulabas prächtig mit Lukas Mössner im Angriff harmonierte. Beim 3:1-Erfolg in Wuppertal traf „Kula“ im Doppelpack, Mössner gelang das Kunststück beim 2:0-Sieg gegen Dortmund II. In Mainz (2:0) legte der Österreicher noch einen Treffer nach. Das Spiel in der Karnevalsstadt war ansonsten von Pauken und Trompeten begleitet. 05-Kapitän Marco Rose beschwerte sich nach dem Elfmeter zum 0:1 so heftig beim Schiedsrichter, dass er vom Platz flog, Trainer Martin Schmidt legte in der aufgeheizten Pressekonferenz nach. „Uns ist Ungerechtigkeit widerfahren und ich hoffe nicht, dass so etwas eventuell mit dem Aufstieg belohnt wird.“ Monate später suchte der Schweizer die Versöhnung. „So böse bin ich gar nicht.“
Die Eintracht nahm es locker. Sie war ganz dicht im Titelrennen – und verlor in den folgenden Wochen den Anschluss. Während die Seitz-Elf vier Spiele am Stück ohne Sieg blieb, startete Preußen Münster 335 Kilometer weiter im Norden mit dem 3:0-Erfolg gegen Schalke II einen Lauf von acht Erfolgen am Stück, der am 31. Spieltag mit der Meisterschaft gekrönt wurde. Trier verpasste hingegen wichtige Zähler. Beim 1:1 gegen Lotte trieb Gästetorwart Bastian Görrissen die über 3200 Fans schier zur Verzweiflung, bei Schalke II (2:2) wurde Lukas Mössner mit einer vergebenen Chance zum tragischen Helden, ein 0:0 gegen Bochum II und ein 0:2 in Wiedenbrück legten die Träume zu den Akten. Doch gelaufen war die Saison für die Eintracht noch lange nicht…
Der Gewinn des Rheinlandpokals
Die Enttäuschung über den verpassten Aufstieg wurde schnell verdaut. Die Ziele wurden neu ausgeschrieben – der Rheinlandpokal sollte gewonnen werden. Doch im Finale wartete mit Regionalligist TuS Koblenz ein dicker Brocken im Rennen um die 100.000 Euro Antrittsprämie im DFB-Pokal. Das beflügelte die Eintracht scheinbar auch der Liga mit vier Siegen in Folge. Bei den Derby-Erfolgen bei Homburg (3:0) und gegen Elversberg (2:0) blühte auch Standardkünstler Alban Meha wieder auf. Kurz vor dem Pokal-Gipfel gegen Koblenz bot Trainer Seitz beim 2:2 gegen Köln II die zweite Garnitur auf, während die Fans ein Transparent aufhängten, an das sich Thomas Kraus gerne erinnert. „Mittwoch gilt’s. Gewinnt ihr, tragen wir euch auf Händen“, bekommt der Mittelfeldspieler „heute noch Gänsehaut“.
Für Trier war es das erste Wiedersehen mit Koblenz seit der 0:3-Heimpleite am 28. August 2005, der wie ein Stachel für die Eintracht-Fans war, die zuvor noch die 100-Jahre-Choreographie zum Vereinsgeburtstag im Stadion zelebrierten. Der 25. Mai 2011 versöhnte aber für die erlittene Pleite. 4700 Zuschauer waren im Stadion beim größten Erfolg des Jahres, den Fahrudin Kuduzovic per Kopfball (36.) einleitete und Lukas Mössner vollendete (68.). Die Spieler lagen sich in den Armen, hoben den Pokal in die Höhe, Sektflaschen sprudelten, die Fans waren aus dem Häuschen, die anschließende Party gilt in Mannschaftskreisen als „legendär“. Thomas Drescher sprach von einem Gefühl wie „nach einem Champions-League-Sieg“. Im VIP-Zelt gab es eine Polonaise, im LaOla wurde bis in die Nacht gesungen. „Das war geil, mehr ging nicht“, lacht Kraus. „Die Mannschaft hat immer Charakter gezeigt, wenn sie gefragt war. Und wir wollten die Saison einfach erfolgreich abschließen.“ Auch für die personellen Planungen spielte der Pokal-Triumph gegen den späteren Zwangsabsteiger aus Koblenz keine unwesentliche Rolle, weiß Kraus. Die zusätzlichen Gewinne aus dem DFB-Pokal ermöglichten es, mit Leistungsträgern wie Ahmet Kulabas und Cataldo Cozza zu verlängern. „Vielleicht hätte es ansonsten einen kompletten Neuanfang gegeben.“

Kapitän Josef Cinar (hier mit Stadionsprecher Martin Köbler) verließ Eintracht Trier schweren Herzens. Foto: Anna Lena Grasmück
Wichtige Kräfte wie Alban Meha, Josef Cinar und Lukas Mössner waren hingegen nicht zu halten. Meha nutzte eindrucksvoll die Chance in Paderborn. Der Freistoß-Experte darf gar vom Aufstieg in die Bundesliga träumen, seine alten Kollegen drücken ihm bei den Sky-Übertragungen die Daumen. Kapitän Cinar, ein Sinnbild für Identifikation, der nach dem sportlichen Abstieg in die Oberliga seinen Vertrag in Trier als echtes Zeichen verlängerte, wollte es nach 96 Spielen für die Eintracht in der 3. Liga in Burghausen wissen. Auch der bodenständige Innenverteidiger hat sich einen Stammplatz erarbeitet. Mössner zog es zu seiner Familie nach Österreich zurück. „Der Pokal-Sieg hat möglicherweise für den Luxus gesorgt, in der Sommerpause doch noch den einen oder anderen Mann verpflichten zu können“, war Hollmann daher ganz erleichert. Insoweit ist der Sieg im Rheinlandpokal vielleicht auch ein Mosaiksteinchen für das Titelrennen 2011/12 gewesen.
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