Das Interview führte Florian Schlecht
Nach 15 Spieltagen belegt Eintracht Trier einen Relegationsplatz zur 3. Liga. Im Interview mit 5vier spricht Vorstandsmitglied Ernst Wilhelmi über die Gründe des sportlichen Erfolges, die Entwicklung von Trainer Roland Seitz, das Vorgehen bei der Vertragsverlängerung und darüber, ob Tribünen aus dem Mainzer Bruchwegstadion interessant für das Moselstadion werden könnten.
5vier: Nach 15 Spielen steht Eintracht Trier auf dem zweiten Platz in der Regionalliga Südwest. Wie fällt Ihr Zwischenfazit der Saison aus?
Ernst Wilhelmi: Sehr positiv. Wir haben uns vor der Saison erhofft, im oberen Drittel mitzuspielen. Dass wir zum jetzigen Zeitpunkt so erfolgreich sind, überrascht uns selbst ein bisschen und macht uns stolz.
5vier: Die Ergebnisse der Mannschaft sind so konstant wie seit zwei Jahren nicht mehr. Was ist der Grund dafür?
Wilhelmi: Wir haben immer darauf hingewiesen, dass wir Kontinuität im Verein schaffen wollen. Das ist uns gelungen. Roland Seitz ist seit 2010 unser Coach. Und auch, was das Team betrifft, sind wir einen großen Schritt weiter. Nach der Winterpause der letzten Saison war es unser Bestreben, die Verträge der Stammkräfte zu verlängern, sofern es uns finanziell möglich war. 14 Spieler konnten wir so mitnehmen, und wir haben noch adäquate Verstärkungen für die Abgänge gefunden, die wir nach reiflicher Überlegung nicht halten konnten.
5vier: Im März stand nach der 0:3-Heimpleite gegen den SC Idar Oberstein Trainer Roland Seitz im Kreuzfeuer der Kritik. Überrascht es Sie, wie ihm im vergangenen halben Jahr die sportliche Wende gelungen ist?
Wilhelmi: Eins muss ich klar sagen: Bei uns im Vorstand stand Roland Seitz nicht im Kreuzfeuer der Kritik, sondern eher bei Teilen der Fans und der Öffentlichkeit. Vom Verein hat er ganz im Gegenteil immer das volle Vertrauen genossen. Dass er aus der Situation gestärkt rausgegangen ist, erkennt man in dieser Saison daran, welchen Spaß die Mannschaft momentan bereitet, wie sie Fußball spielt und wie das anhand der Zuschauerzahlen honoriert wird. Bei uns sieht man, dass sich Kontinuität auf Dauer auszahlt. Den eingeschlagenen Weg werden wir weitergehen. Davon werden wir uns auch nicht abbringen lassen, falls die Stimmung nach zwei, drei Niederlagen mal wieder kippen sollte.
5vier: Hat auch der Trainer Lehren aus der März-Krise gezogen?
Wilhelmi: Natürlich ist auch ein Trainer wie Roland Seitz mit seinen 49 Jahren noch in einem Lebensalter, in dem man aus gewissen Dingen positiv wie negativ lernt. Das gilt auch für uns im Vorstand. Ich sehe heute auch viele Sachen anders als vor siebeneinhalb Jahren, als ich mein Amt übernommen habe. Stillstand ist Rückschritt – und darf in keiner Position vom Verein passieren, vom Physio angefangen bis hin zum Trainer. Ansonsten hast du ein Problem.
5vier: Wo sehen Sie die größten Veränderungen bei Roland Seitz seit der Phase im Frühjahr?
Wilhelmi: Ich denke, dass Roland manche Dinge hinterfragt hat, was generell sein Fußballspiel ist. Vom System hat sich mit dem 4-2-3-1 nichts verändert, es ist aber offensiver ausgelegt, was natürlich auch an den Spielern liegt. Wenn die einzelnen Achsen in der Mannschaft den Antrieb nach vorne haben, ist es logisch, dass das von außen betrachtet so zu erkennen ist. Auch im Umgang mit den Spielern ist er lockerer und entspannter geworden. Das überträgt sich auf die Mannschaft. Wobei eine gewisse Anspannung natürlich immer bleiben wird. Wir spielen ja kein Kasperletheater, sondern Regionalliga-Fußball.
5vier: Der Vertrag von Roland Seitz läuft zum Saisonende aus. Wird der Vertrag verlängert?
Wilhelmi: Die Frage ist legitim, aber zu früh gestellt. Roland Seitz und ich haben schon darüber gesprochen. Wir sind uns aber einig, dass das Augenmerk momentan auf der Mannschaft und ihrem Erfolg liegen sollte – und nicht auf Trainer-Diskussionen.
5vier: Matthias Cuntz und Marco Quotschalla sind zumindest für das Heimspiel gegen den FC Homburg gesperrt. Haben Sie Angst davor, dass die Mannschaft durch das Fehlen der Leistungsträger um die Früchte ihrer Arbeit gebracht wird?
Wilhelmi: Ganz im Gegenteil. Ich bin davon überzeugt, dass die Jungs, die hinten anstehen, auf ihre Chance gewartet haben und sie nutzen werden. Natürlich tun mir die Sperren leid für beide Spieler. Gerade bei Matthias Cuntz habe ich mir die Fernsehbilder mehrfach durchgesehen. Er hat den Ball ganz sicher nicht mit der Hand gespielt. Aber am Beispiel von Leverkusens Phantomtor in Hoffenheim sieht man, wie der DFB Tatsachenentscheidungen behandelt und wie wenig man da machen kann. Da war es auch für die gesamte Fußball-Bevölkerung unverständlich, dass es kein Wiederholungsspiel gab.
5vier: Sechs Fanbusse sind zum Auswärtsspiel nach Offenbach gefahren, im Heimspiel gegen Homburg könnte die 3.000-Zuschauer-Marke geknackt werden. Wie bewerten Sie diese Entwicklung?
Wilhelmi: Es macht uns stolz, dass Eintracht Trier über die Stadtgrenzen hinaus wieder in aller Munde ist. Ich wohne seit 30 Jahren in Schweich und werde auf der Straße momentan von jedem auf den Verein angesprochen. Wir haben immer gesagt, dass es hier ein großes Potenzial an Fans und Zuschauern gibt, die nach dem Erfolg lechzen. Das Pokalspiel gegen den 1. FC Köln war innerhalb von ein, zwei Wochen wieder ausverkauft. Natürlich wünschen wir uns, dass die Geschichte nun so weitergeht.
5vier: Ein Neuzugang soll noch für die offensive Außenbahn kommen. Wann?
Wilhelmi: Durch den Weggang von Moussa Touré ist noch einmal ein Gehalt freigeworden, zumal er seinen Vertrag zum Nulltarif aufgelöst hat. Wir halten Ausschau, wollen die Position aber mit Qualität und nicht mit Quantität besetzen. In der Liga sind es nur noch vier Spiele bis zur Winterpause. Ich denke, dass erst danach jemand zu uns stößt, der uns helfen kann. Momentan werden uns ausschließlich arbeitslose Spieler angeboten, die seit Mai nicht mehr gespielt und wahrscheinlich in keiner Mannschaft mittrainiert haben.
5vier: Einige Fans befürchten wieder einen schlechten Start aus der Winterpause. Abhilfe könnte da ein Trainingslager in südlichen Gefilden schaffen. Gibt es im Winter eines?
Wilhelmi: Das wird kurzfristig entschieden.
5vier: Falls am Ende eine Relegationsplatz zur 3. Liga belegt werden sollte, warten noch zwei Aufstiegsspiele. Wie groß ist Ihre Hoffnung, dass die umstrittene Regionalliga-Reform in einigen Jahren wieder überarbeitet wird?
Wilhelmi: Ich hoffe, dass es nicht in ein paar Jahren so weit ist, sondern am liebsten sofort. In Deutschland und wahrscheinlich auf der ganzen Welt gibt es das nur ein Mal, dass der Meister nicht aufsteigt. Das ist ein unhaltbarer Zustand. Die Vereine in der Regionalliga müssen ein großes finanzielles Risiko in Verbindung mit einem hohen organisatorischen Aufwand eingehen. Am Ende entscheiden dann zwei Spiele mit Pokal-Charakter darüber, wer aufsteigt. Da sind Glück und Pech doch Tür und Tor geöffnet. Für mich ist das eine Riesensauerei.
5vier: Der Jugend-Etat wurde vor der Saison um 40.000 Euro gekürzt. Bedeutet das in den kommenden Jahren weniger Talente aus dem eigenen Nachwuchs in der ersten Mannschaft?
Wilhelmi: Die Etatkürzung ist aufgrund des finanziellen Drucks erfolgt, hat aber nichts mit der Qualität der Ausbildung zu tun, die gleichbleibend ist. Michael Dingels, Christoph Anton und Christopher Spang haben aus der eigenen Jugend den Sprung in die erste Mannschaft geschafft. Das ist ein Erfolg. Eins ist leider auch klar: Hast du in der Jugend ein überdurchschnittliches Talent, hast du kaum eine Chance, weil überall Spione von Bundesligisten rumrennen. Wenn die Jungs, wie bei uns oft geschehen, von Mainz, Schalke, Nürnberg oder Köln Angebote kriegen, sind sie weg. Die Jungs top auszubilden und hochzubringen, die bei uns geblieben sind, ist aber auch weiter unser Ziel.
5vier: Bis Ende des Jahres sollen im alten Mainzer Bruchwegstadion zwei Tribünen abgebaut werden. Wären diese nicht schön im Moselstadion aufgehoben?
Wilhelmi: Es gab von unserer Seite schon vor ein paar Jahren Bestrebungen in Mainz nachzufragen, als die Coface-Arena für die Bundesligamannschaft gebaut wurde. Damals sollte das Bruchwegstadion aber so bleiben wie es ist. Die Frage ist nun berechtigt. Aber es ist eine, die die Stadt Trier beantworten muss.
5vier: Vielen Dank für das Gespräch!
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