Von Florian Schlecht (Text) und Anna Lena Grasmück (Fotos)
Euphorie bei den Fans von Eintracht Trier: Nach dem 2:1-Sieg beim SSV Ulm und der Tabellenführung in der Regionalliga Südwest wurden die sozialen Netzwerke von Jubelmeldungen überflutet. Die Spieler stimmten dagegen nicht in den Jubelchor ein. Sie bewerteten ihre Leistung selbstkritisch, obwohl sie den Ausfall von drei Leistungsträgern kompensieren konnten. Die erste Aufgabe als Spitzenreiter hat es gleich in sich: Am Samstag wartet das Gipfeltreffen bei der Reserve des FSV Mainz 05.
In dem überschaubaren Presseraum waren die Rufe aus der Fankurve noch eine halbe Stunde nach dem Abpfiff deutlich zu vernehmen. Als Paul Sauter und Roland Seitz am Mikrofon den 2:1-Sieg von Eintracht Trier beim SSV Ulm 1846 analysierten, sich die umstehenden Mitarbeiter rührig um die Bleche mit Marmorkuchen kümmerten, da gaben die Anhänger draußen lautstark den Ton an. Durch das offene Fenster waren die Gesänge nicht zu überhören: „Spitzenreiter, Spitzenreiter, hey, hey“, war der Jubelchor, der in Ulm erklang und der sein Echo am Samstag auch in den sozialen Netzwerken fand.
Alleine bei Facebook wurde von Fans eine solche Vielzahl an euphorischen Meldungen und abfotografierten Tabellen gepostet, um ein Buch damit füllen zu können. „Wir sind alle sehr glücklich, nach zwölf Spieltagen oben zu stehen. Das ist eine angenehme und schöne Situation“, brachte Seitz die Stimmungslage auf den Punkt, die nach dem Sieg und der Tabellenführung in der Regionalliga Südwest entstand. Zugleich ruderte der Trainer zurück. „Von dem Platz können wir uns nichts kaufen.“
Erstaunlich war es schon, dass besonders seine Mannschaft nach dem Sprung an die Spitze so abgebrüht reagierte. Fast wie ein strenger Vater, der seinen Sohn nach einer Eins im Mathetest nicht übereilt lobt, aus Angst, dieser könnte einen ungesunden Höhenflug bekommen. Eintracht Trier, der Tabellenführer mit der Matthias-Sammer-Mentalität. Denn wie der Sportdirektor des FC Bayern, so verbieten sich auch die Spieler von der Mosel ultimative Lobhudeleien – und sparen nicht mit Selbstkritik.
Platz eins? „Das bedeutet gar nichts“, antwortete Alon Abelski wie aus der Pistole geschossen. „Erst in der Rückrunde werden wir sehen, ob der Weg wirklich dorthin geht, wo wir momentan stehen. Dann wissen wir erst, wie wir aus den Startlöchern kommen, auf unnötige Punktverluste reagieren und ob wir verletzungsfrei durch die Runde gehen.“
Die Spieler kritisieren, der Trainer lobt
Mehr Lust am Reden entwickelten die Spieler, wenn es um Schwachstellen der Leistung in Ulm ging. „Einfache Bälle kamen oft nicht an, wir haben unsere Konter nicht zu 100 Prozent ausgespielt“, krittelte Abelski. „Bis auf die ersten 20 Minuten war es das schwächste Saisonspiel von uns“, legte Fabian Zittlau nach.
Die Schlussphase, in der Trier trotz des Blitzstarts mit der schnellen 2:0-Führung durch Marco Quotschalla und Sylvano Comvalius noch ins Straucheln geriet, hatte die Mannschaft nicht unberührt gelassen. Die Tatsache, fußballerisch harmlosen Ulmern ins Spiel zurückgeholfen zu haben, wird sicher Bestandteil der internen Nachbetrachtung der 90 Minuten sein. Wobei der Trainer bei seiner Spielbewertung optimistisch gestimmt war. „Alle Spieler haben gekämpft und Gas gegeben. Ich möchte nicht über das Negative sprechen“, meinte Seitz, wohlwissend, dass durchaus auch Ansätze einer Spitzenmannschaft erkennbar waren.
So wie die Anfangsphase, in der seine Spieler laut SSV-Trainer Paul Sauter „ein Feuerwerk entbrannten, dem wir nichts entgegen zu setzen hatten“. Oder die Erkenntnis, Ausfälle abfedern zu können. Mit Michael Dingels, Matthias Cuntz und Steven Kröner brachen in Ulm gleich drei Leistungsträger aus der Defensive weg. Torge Hollmann, Christopher Spang und Fahrudin Kuduzovic sprangen erfolgreich in die Bresche. „Uns fehlte eine Achse, die einen großen Anteil daran hat, dass wir in vielen Spielen zu Null gespielt haben. Von daher ziehe ich den Hut davor, wie wir in der ersten halben Stunde aufgetreten sind“, so Seitz.
Als Tabellenführer zum Spitzenspiel
Erstmals seit dem 3:1-Sieg bei Fortuna Köln am 4. September 2011 ist Trier so an der Tabellenspitze angekommen. Mit Alon Abelski, Michael Dingels, Torge Hollmann, Fabian Zittlau, Fahrudin Kuduzovic und Andreas Lengsfeld stehen 769 Tage später nur noch sechs Spieler aus der Zeit unter Vertrag. Den großen Unterschied zur Vergangenheit sieht Abelski allerdings in der Harmonie. „Damals hatten wir auch starke Einzelspieler, haben aber als Mannschaft auf dem Platz nicht so funktioniert. Jetzt weiß jeder, wo der andere hinläuft, wo der entscheidende Pass hingehen muss.“
Die erste Aufgabe, die auf den neuen Ligaprimus wartet, könnte nicht härter sein. Das Auswärtsspiel beim unmittelbaren Verfolger Mainz II (Samstag, 14 Uhr) ist das Aufeinandertreffen mit der stärksten Offensive um den 14-Tore-Mann Petar Sliskovic im Angriff. „Für uns ist das ein Bonusspiel, wir können uns mit den Besten der Liga messen“, freut sich Fabian Zittlau, der die Momentaufnahme der Tabellenführung unbedingt verteidigen will. „Wenn es uns gelingt, die Mainzer Offensive auszuschalten, haben wir aber auch da eine Chance.“
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+++Eintracht in Kürze+++
Comvalius mit Knieproblemen, Touré unglücklich – Sylvano Comvalius wurde nach 65 Minuten vorsichtshalber ausgewechselt. „Er hat seit zwei Wochen Probleme in der Kniekehle und war froh, dass er raus konnte“, sagte Trainer Seitz über den Niederländer, dem in Ulm sein sechster Saisontreffer gelang. Moussa Touré, der ins Spiel kam, machte an seiner alten Wirkungsstätte hingegen einen unglücklichen Eindruck.
Konrad mit Saisonpremiere – Ebenfalls ins Spiel kam nach einer guten Stunde Thomas Konrad, der seine Saisonpremiere auf einer ungewohnten Position feierte. Im defensiven Mittelfeld sollte der etatmäßige Innenverteidiger für Stabilität sorgen, da Ulm über das Zentrum immer stärker wurde. Ausgewechselt wurde Lars Bender, dem Seitz zwar „eine mannschaftsdienliche Leistung“ attestierte, der aber in der Offensive „wenige Akzente“ setzen konnte.
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sve-torsten meint
Ich finde es bemerkenswert, dass die Mannschaft trotz des Sieges und der Tabellenführung auf dem Boden bleibt und Fehler klar anspricht. Das beweist, dass in dieser Truppe ein besonderer Geist steckt und sich auf den momentanen tollen Erfolgen nicht ausgeruht wird.
Weiter so, Jungs! Ihr seid auf einem echt guten Weg!