Von Florian Schlecht
Fast zwei Jahrzehnte lang lieferten sich der FSV Salmrohr und Eintracht Trier ein Kopf-an-Kopf-Duell um die Vorherrschaft in der Fußball-Region. Vor dem Pokalfinale befragte 5vier einige Zeitzeugen zu legendären Derby-Erfahrungen, einer umstrittenen Entscheidung am „Grünen Tisch“, einer morschen Tribüne und das Verhältnis der Spieler zueinander.
Einige Zeit hat Peter Rauen schon auf der Aschebahn im Salmtalstadion gestanden, da zündet er sich eine Zigarette an. Er hat sich warm geredet, denkt an die alten Zeiten zurück und hat einige Geschichten im Kopf, die zu einer Interviewreihe in der „11 Freunde“ anregen würden. Eine witzige Story erzählt Rauen, der von 1971 bis 1999 Präsident des FSV Salmrohr war, folgendermaßen: „In der 2. Bundesliga haben wir damals gegen Fortuna Köln gespielt, als bei uns die Haupttribüne eingeweiht wurde.“ Zu dem bedeutenden Tag in der Vereinsgeschichte spielte eine Blaskapelle, es war als feierlicher Akt gedacht. Ein wenig Trompete hier, ein bisschen Posaune da, dann Fußball. „Nur der Blaskapellmeister stand mit dem Rücken zum Spielfeld und war so engagiert, dass er einfach nicht aufhörte zu dirigieren.“ So traf Salmrohr zum 1:0, 2:0, 3:0 und 4:0. Und im Hintergrunde spielte ohne Unterbrechung die Blaskapelle. Rauen lacht laut. „Fortuna Köln hat Protest gegen die Spielwertung eingelegt, weil sie sich angeblich nicht konzentrieren konnten.“ Der DFB zeigte aber keine Gnade. „Der Einspruch wurde abgelehnt“, sagt er und stößt den Rauch aus.
An die Derbys zwischen dem FSV Salmrohr und Eintracht Trier, wo Rauen ebenfalls von 1999 bis 2001 den Vorsitz inne hatte, denkt der 68-Jährige gerne zurück. In der Oberliga Südwest lieferten sich die Rivalen aus dem Dorf und der Stadt in den achtziger und neunziger Jahren heiße Duelle um die Vormachtstellung in der Fußball-Region – und nicht selten um den Aufstieg. „Ich habe die Erinnerung an tolle Spiele, viel Dramatik, volle Stadion und echte Highlights“, so Rauen. „Von den elf Spielern aus Salmrohr kamen neun aus Salmrohr, Wittlich und Umgebung. Von den elf Spielern aus Trier kamen neun aus Trier“, sagt SVE-Vorstandsmitglied Ernst Wilhelmi. „Damals kamen bis zu 10.000 Zuschauer in die Stadien. Vier Wochen vorher standen schon Berichte in der Presse, das gesamte Umfeld hat darauf hingefiebert.“ Rudi Thömmes stimmt zu. „Das waren Spiele, bei denen du den Ball nicht ins Aus schießen durftest, wenn jemand verletzt am Boden lag. Da war immer ein gewisser Hass da. Auf der einen Seite der kleine Dorfklub, der guten, attraktiven Fußball gespielt hat. Und 30 Kilometer entfernt die Stadt Trier, von der man das eher erwarten konnte.“
Protest am „Grünen Tisch“ und eine knackende Tribüne
Unfair, so betont Friedhelm Rach vom FSV Salmrohr, seien die Auseinandersetzungen nie gewesen. „Wir haben uns auf dem Platz hitzig bekämpft. Nach dem Spiel war aber sofort alles vergessen. Meistens haben wir hinterher ein Bier zusammen getrunken.“ So war das Verhältnis untereinander vertrauter, obwohl die Rivalität damals größer war. „Mit Alfons Jochem, der bei Trier spielte, habe ich bei der Rheinland-Auswahl ein Zimmer geteilt.“
Geschichten gibt es viele aus der Zeit zu erzählen. Rach denkt gerne an die Saison 1985/86 zurück, in der Wormatia Worms Meister in der Oberliga Südwest wurde. Salmrohr wurde Zweiter, Trier Dritter mit gleicher Punktzahl und Tordifferenz – aber einem weniger geschossenen Törchen, das Folgen hatte. „Worms hat bei dem Lizenzantrag einen Formfehler begangen. So sind wir nachgerückt in der Aufstiegsrunde.“ Trier protestierte noch am „Grünen Tisch“ gegen den letzten Spieltag, an dem Salmrohr mit 6:1 in Dudweiler gewann und das eigene 3:0 in Eisbachtal nicht ausreichte. „Die Eintracht wollte, dass ihr Spiel wiederholt wird, weil Eisbachtal seinen Masseur zum Dank eingewechselt hat. Der war aber nicht spielberechtigt“, schmunzelt Rach. Der Einspruch wurde abgewiesen. Und Salmrohr schaffte gegen Ulm, Offenbach und 1860 München den Sprung in die 2. Bundesliga.
Rudi Thömmes hat auch Anekdoten aus der Zeit im Kopf. Der heutige Co-Trainer lief auch schon für den FSV Salmrohr auf, obwohl er in Trier geboren wurde, in der Jugend für die Eintracht auflief und bereits mit 17 Stammspieler im Oberliga-Team war. Nach einem Intermezzo in Darmstadt wollte er dann in die alte Heimat zurück. „Mein erster Ansprechpartner war Eintracht Trier“, erinnert er sich. „Aber mir wurde damals ein so lächerliches Angebot vorgelegt, dass ich dachte, sie wollen mich nicht.“ Da er heimatverbunden war, ging Thömmes zum Nachbarn, ehe er später in Trier noch zum Pokal- und Aufstiegsheld avancierte.
Mit einem Grinsen denkt „Ruuudi“ an das Derby 1992 zurück, das Trier in Salmrohr durch zwei Tore von Markus Osthoff mit 2:1 gewann. 7.500 Zuschauer waren damals im Stadion. Zu viel für die Haupttribüne, auf der einst die Blaskapelle ihr 90-Minuten-Konzert gegen Fortuna Köln zelebrierte. „Plötzlich knackte es – und die Tribüne wurde geräumt“, lacht Thömmes. Ein Konstruktionsfehler war schuld, der erst mit fünf Jahren Verspätung auffiel. Schrauben ploppten fast wie Sektkorken aus dem Gebilde. „Dabei stand die Tribüne schon seit 1987 und war fachlich geprüft“, erzählt Rauen. Die Mängel wurden nach dem Derby behoben.
Wenn der ehemalige Bundestagsabgeordnete von spektakulären Derbys spricht, darf für ihn der Mai 1998 nicht fehlen. Beide Vereine bündelten da mit einer Kooperation die Kräfte. „Wir haben unsere besten Spieler alle freiwillig nach Trier abgegeben. Trotzdem hat Salmrohr am letzten Spieltag mit 3:2 im Moselstadion gewonnen und den Klassenerhalt geschafft, weil Frank Wagner drei Tore geschossen hat.“
Warum die Derbys ein Stück ihres Charakters verloren haben
Der Vergangenheit trauert Rauen etwas hinterher. „Für Amateurmannschaften gibt es ja gar keine Refinanzierungsmöglichkeiten mehr in den Zeiten, in denen der Spitzenfußball komplett vermarktet wird. Es dreht sich ja alles nur noch um die Bundesliga. Was da läuft ist ein Skandal“, echauffiert er sich und benennt die großen Probleme der „Verwässerung“ des unterklassigen Fußballs.
„Früher gab es noch Zeiten, die frei gehalten wurden für Amateurvereine. Nun laufen am Wochenende zu nahezu allen Uhrzeiten Spiele im Fernsehen, was Zuschauer kostet. Das Bosman-Urteil, nach dem die Spieler nach Ablauf ihrer Verträge ablösefrei wechseln konnten, hat den Vereinen ebenfalls geschadet. Früher hatten wir höhere Einnahmen durch Transfers als Ausgaben. Nun können Jugendspieler einfach wechseln, wenn sie ein Angebot haben. Und man bekommt keinen Cent mehr für sie, obwohl sie lange bei ihren Heimatvereinen ausgebildet wurden.“
So traten Entwicklungen ein, die viele Derbys ein Stück ihres Charakters kosten. Viele Spieler werden von Beratern umgarnt und verlassen ihre Heimatvereine früh, wenn das Geld und der Ruhm locken. Von Jahr zu Jahr erhalten Mannschaften ein ganz neues Gesicht.
Ein Trost: Seine Geschichten schreiben die Spiele auch in der Neuzeit des Fußballs. So wie beim 5:2-Sieg von Eintracht Trier im letzten Aufeinandertreffen in Salmrohr. Roland Seitz erfuhr damals hautnah, dass die prickelnde Atmosphäre auch die Spieler nicht kalt lässt. Weil kein Ersatztorwart mitgefahren war, gab er Schlussmann Felix Hörrlein aus Sorge vor einem Platzverweis die Anweisung, auf keinen Fall das Tor zu verlassen. Es dauerte aber nur wenige Minuten, bis der Keeper dieser Anordnung trotzte, mit einer Kamikaze-Aktion aus dem Kasten rannte und den Blutdruck seines Trainers in die Höhe schnellen ließ. Auch wenn es gemein gegenüber Hörrlein ist: Für die Derby-Legenden wäre ein Platzverweis für den Torwart Gesprächsstoff für die folgenden Generationen gewesen. Denn der erste Kandidat für den Platz zwischen den Pfosten hieß Michael Dingels…
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+++Pokal in Kürze+++
Zum Rheinlandpokal-Finale gibt es bislang einen Vorbericht mit Trainer-Stimmen und Hintergründen sowie eine Story mit den Ex-Trierern Johannes Kühne, Gustav Schulz und Alexander Adrian.
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