Dass ausgerechnet am Weltfrauentag eine Band namens Zugezogen Maskulin nach Trier kommt, ist Zufall. Doch dass sie kommen, ist es definitiv nicht. ZM und Trier passen zusammen. Und das nicht nur wegen den zugezogenen Bewohner der von der Band oft zitierten „Studentenstadt“.
Trier.Vor 2 ½ Jahren gastierte Zugezogen Maskulin zuletzt in Trier. Damals noch im Großen Exil im Exhaus, als das Wort Brandschutz noch keine Sorgenfalten auf die Stirn trieb. Sie folgten ihrer Ankündigung wieder zu kommen, denn das Publikum war damals so ekstatisch, dass sogar die zwei Rapper selbst ihre Fans kaum bremsen konnten. Dieses Mal musste man in die Exrakete am Domfreihof ausweichen, was dem Enthusiasmus der Menge anscheinend keinen Abbruch tat.
Das wäre auch eine Überraschung gewesen. Denn grim104 und Testo wussten, wie sie Wirkung erzielen können. Wie beispielsweise das Ungeheuer mit den gelben Augen und den langen, spitzen, weißen Zähnen über Yeezy Christ Superstar sinnierte, wäre bei einem Actalike-Klaus-Kinski-Contest höchst erfolgsversprechend.
ZM verbindet etwas mit Trier, es wirkte nicht wie ein gewöhnlicher Tourstopp. Mit einer Portion Süffisanz wurde mehrfach das Label „Studentenstadt Trier“ bemüht, man sei ja schlau hier. Auch sonst werden immer wieder mal mehr, mal weniger versteckte Bezüge zur Stadt und ihren medialen Erwähnungen (Stichworte: „Karl Marx“ oder „444“) aufgegriffen. Grim erzählt, dass er hinter den Mauern von Trier sein Solowerk geschrieben hat, wovon er eine Hörprobe zum Besten gab. Angekündigt als poppig, schließlich müsse er ja seine Rechnungen zahlen, präsentiert er etwas derart Verstörendes, dass wir gar nicht erst versuchen, das irgendwie in Worte zu fassen. Es passte eben zum Wahlberliner mit niederländischen Wurzeln.
Das Zusammenspiel der Interpreten zu ihren Zuhörern gestaltete sich interessant: Auf die teils sonderbaren Ansagen der Rapformation, die den Raum für Interaktion hergaben, nahm die Crowd relativ wenig Bezug, vor allem zu Beginn. Umso mehr rastete die Leute – Alle gegen Alle – während der Lieder von der Absperrung bis zur Wand komplett aus, es schien als könne zeitgleich jeder die vollständigen Texte mitschreien. Je länger das Konzert ging, desto vermehrter kam es zu Reaktionen von vor der Bühne. Was zur heimlichen, nicht ganz ernstgemeinten Aussage: „Wir sollten vielleicht doch nicht so viel mit den Leuten reden“ hinauslief.
Die Mischung macht’s
Die Mischungen des Auftrittes und der Songauswahl stimmten. Die Balance zwischen Wir-reißen-die-Exrakete-ab und den feineren Töne gelang. Bemerkenswert auch die musikalischen Einlagen des DJs zwischendurch, wie er selber zur Violine griff. Und auch in den Texten fand man von plumpen, apokalyptischen, zerstörerischen Worten bis hin zu feingeistigen Gedanken, die man auch im Feuilleton vorfinden kann, die Bandbreite der Themen wieder.
Sympathisch, wie die Interpreten nicht einfach nur über die Welt mit ihren Menschen klagen, sondern wie sie sich auch selber aufs Korn nehmen. Man habe zur Promo mit bento und NEON gesprochen. Beim nächsten Mal würde der KiKA noch folgen. Zu diesem Geschäftsgebaren kann man stehen wie man will, der Kontakt zu den Anhängern schien nicht darunter zu leiden. Vor allem Testo suchte die Nähe, verschenkte Flaschenbier und stieß mit den Leuten an. Auch den Heiligen Gral, das Mikrofon, hielt er wiederkehrend den Textsicheren vor die Münder.
In diese wird dann auch noch aus goldenen Champagner-Maschinengewehren geschossen. Man habe ja schließlich ein Herz für die Leistungsträger der Gesellschaft. Nur blöd, dass sie ausgerechnet an diesem Abend ihre Gucci-Gürtel vergessen haben… Zugezogen Maskulin bleibt ein (in Trier) willkommener Gegenentwurf zur heutigen glänzenden deutschen HipHop-Welt.
Und wer weiß, vielleicht können sie in wenigen Jahren bei einer wiederholten Rückkehr ins Große Exil die neu geschaffenen Brandschutzauflagen überprüfen. Ihr traditionelles Abschlusslied „Alles brennt“ wäre dazu prädestiniert.
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