Einer der Gründe, warum die Ultras so oft in den Medien und der Kritik stehen, liegt in ihrem Verhalten gegenüber dem eigenen, heiß geliebten Verein, sowie der verhassten Polizei und dem verhassten Deutschen Fußball-Bund. Obwohl die Basen der Beziehungen vollkommen unterschiedlich sind, eint sie zumeist die Kompromisslosigkeit gegenüber der anderen Partei. Woher das kommt und warum das so ist, haben wir zu ergründen versucht.
Trier. „Polizei? Haben wir auch schon Erfahrungen mit gemacht…“ sagt Eddy von INSANE ULTRA (IU) vielsagend, als wir ihn und seine Kollegen Johnny und Gil auf das Thema ansprechen. „Nur Schlechte“, ergänzt Letzterer, „Gespräche führen wir mit denen nicht.“
Gespräche zwischen Ultras und Polizei – ja oder nein?
Stimmt nicht so ganz, Kontakte zu Szenekundigen Beamten (SKB’s) und mindestens ein Aufeinandertreffen von IU mit dem ehemaligen Leiter der Polizeiinspektion Trier, Edmondo Steri, in den ehemaligen Räumlichkeiten des Fanprojekt Trier (FP) in der Metternichstraße sind dokumentiert. Vor gut zehn Jahren ging es um die rund 20 Stadionverbote, die die Polizei nach einem Vorfall bei der Partie gegen Worms dem Verein empfohlen hatte auszusprechen. Grund war der Vorwurf des Landfriedensbruchs und versuchter gewalttätiger Auseinandersetzung, weswegen letzten Endes sechs junge Erwachsene eine Verwarnung samt Geldstrafe erhielten, einer ging in den Jugendarrest. Die Entwicklung des Falls wurde regelmäßig durch die örtliche Presse dokumentiert. Die Gespräche zwischen den Ultras und der Polizei im FP verliefen indes ruhig, eine nachhaltige Annäherung fand jedoch nicht statt.
„Die machen ihren Job, wir machen unseren. Das wird niemals friedlich nebeneinander herlaufen können“, sagt Eddy. Gil fügt hinzu: „Machen wir uns nix vor, die Polizei versucht Ultras zu bekämpfen, egal welche Angebote sie machen. In der Emotion überschreiten wir auch mal Grenzen, daher gehören Konfrontationen dazu.“ Ob man sich das Leben nicht leichter machen würde, wenn man sich Gesprächen öffnet, wird mit einem eindeutigen wie -silbigen „Nein!“ beantwortet. „Sie werden uns niemals gut finden, da erwarten wir auch keine Angebote. Kritisch aufarbeiten tun wir intern, wenn jemand was Dummes gemacht hat. Aber wir ticken als Ultras eben auf eine bestimmte Art und Weise, das werden die immer kacke finden. Und in der Vergangenheit haben wir zu viele schlechte Erfahrungen gemacht, da fehlt jede Vertrauensbasis für Gespräche.“
Eine Pauschalaussage, die Polizeidirektor Dietmar Braun und seine Kollegen Stefan Charles (SKB) und Siegrid Herz von der Polizei Trier, so nicht unterschreiben. Braun: „Grundsätzlich muss man die Phänomene, mit denen man es zu tun hat, verstehen lernen. Wir beschäftigen uns mit der Subkultur der Ultras, der Historie, was ihnen wichtig ist und was sie ausmacht.“ Herz ergänzt: „Wir gehen ja auch ins Stadion. Die Stimmung, die sie machen, ist sehr positiv. Wie jeder andere merken auch wir die Unterschiede, wenn sie einen Stimmungsboykott machen. Aber natürlich sind wir nicht einverstanden, wenn Gesetze überschritten werden.“
Strenge vs. Verhältnismäßigkeit
Die Polizei hat die Aufgabe, Kriminalität vorzubeugen, Straftaten zu bekämpfen und zu ermitteln. Jedoch muss sie auch eine Verhältnismäßigkeit an den Tag legen, ansonsten bestehen die Risiken, Konfrontationen zur Eskalation zu bringen und eine (bürokratische) Aufarbeitung herbeizuführen, die den schon ohnehin überlasteten Staatsapparat zusätzlich belastet. Deeskalation fordert zum Beispiel das Fan-Bündnis Pro Fans.
Muss man als Polizei auch mal ein Auge zudrücken? Und wie geht man in der Praxis damit um, wenn Hektik und Aggressionen im Spiel sind?
„Das ist schwierig, ich möchte ein Beispiel nennen. Der Verein hat einmal Hausverbote aufgehoben, um nochmal ins Gespräch zu kommen und einen Neuanfang einzuleiten. Was ist dann passiert? Beim ersten Spiel danach kam es erneut zu Straftaten. Da kann man dann kein Auge mehr zudrücken“, so Braun. Bedeutet das also, das man sich an den Status Quo gewöhnen muss, dass es von Eskalation zu Eskalation kommen wird?
Dem widerspricht Herz: „Nein, es gibt auch positive Entwicklungen. Vor einigen Jahren gab es beispielsweise noch permanente Blocksperren bei ‚Rot-Spielen‘ (als besonders gefährlich eingestufte Aufeinandertreffen zweier Vereine, A. d. R.), da wurden die Ultras nach Spielende im Block festgehalten. Nach Gesprächen mit dem Fanprojekt gab es Zugeständnisse, sodass das aufgehoben wurde, so lange das funktioniert. Seitdem gab es sie nicht mehr.“
Nicht nur Ultras haben Probleme mit der Polizei
Dennoch gibt es zahlreiche Punkte, an denen tatsächlich Kompromisse unmöglich scheinen, die nicht nur Ultras betreffen. Einer dieser Punkte ist die Datei „Gewalttäter Sport“, die auch einen Trierer Fußball-Fan – kein Ultra und nicht gewaltbereit – zu spüren bekommen hat. Ohne es zu erfahren, wurde er in die Datei aufgenommen und konnte so nicht zur Weltmeisterschaft 2018 reisen. Grund war eine Ermittlung wegen Landfriedensbruch, die aber zurecht eingestellt wurde.
Die Polizei empfindet die Berichterstattung darüber als verzerrt: „Man muss immer beide Seiten hören. Man kommt nicht in die Datei, wenn nichts gegen sie vorliegt. Es müssen umfangreiche Erkenntnisse vorliegen, bevor jemand aufgenommen wird. Das wird hieb- und stichfest geprüft, es gibt strenge Anforderungen. Wir nutzen sie nach klaren Richtlinien, da sie zur Gefahrenabwehr dient.“ Über die Jahre gibt es mehrere Beispiele, die die Praxis anders erscheinen lassen.
Die Vermittlung zwischen den zwei Fronten Polizei und INSANE ULTRA ist eine der originären Aufgaben des Fanprojekts Trier. Doch so klar dieser Auftrag ist, so schwer ist es ihn umzusetzen. Thomas Endres, ehemaliger Leiter, und Lukas Keuser, aktueller Leiter vom FP, werfen einen Blick auf diese Arbeit: „Ja, das kann zermürbend sein, wenn man zum Beispiel Partei für eine Seite ergreift, die gar nicht anwesend ist. Aber das ist nun mal das ‚täglich Brot‘ eines Sozialarbeiters. Das gibt es woanders aber genauso. Frag mal einen Brandschutzbeauftragten, der nach zig Jahren die immer gleichen Aussagen tätigen muss. Damit muss man einfach klarkommen, dass es nicht immer so läuft, wie man sich das erhofft. Mal läuft es besser, mal schlechter. Aber der Spaß überwiegt deutlich dem Zermürben.“
Verein und Ultras nicht immer auf einer Wellenlänge
Eine andere Herausforderung des FP’s ist die Vermittlung zwischen Ultras und Verein. Eigentlich eine Beziehung, die doch unkompliziert sein sollte, teilt man doch vermeintlich die gleichen Ziele. In der Realität sieht das leider anders aus. INSANE ULTRA forderte immer wieder personelle Konsequenzen beim SV Eintracht-Trier 05, zumeist im Vorstand oder in der Geschäftsstelle. Im zweiten Teil unserer Reihe zitierten wir Eddy, dass der Verein ganz viel Ärger und Frustration bedeute. An den ehrenamtlichen Arbeitsgruppen möchten sie nicht partizipieren, man sei lieber der Sand im Getriebe.
Roman Gottschalk, Vorstand des SV Eintracht-Trier 05, hätte ein Engagement gut gefunden: „Wir freuen uns über jeden, der da mitmacht. Wir haben die Struktur ja nicht umsonst ins Leben gerufen, wir wollen die Ideen der Fans zu hören bekommen. Wir können zwar natürlich nicht jeden Vorschlag umsetzen, weil sie einfach nicht alle machbar sind. Aber das wird dann erklärt, was die Kommunikation sehr stark verbessert. An dieser Stelle auch nochmal ein riesiges Danke an alle, die sich einbringen.“
Das möchte IU nicht: „Die kritische Distanz sollte immer gewahrt bleiben. Wenn du zu sehr involviert bist, geht das verloren“, sagt Gil. „Wir haben auch so genügend Einflussmöglichkeiten.“ Generell sehen sie sich im Vergleich von vor zehn Jahren als konstruktiver an: „Wir legen mittlerweile mehr Wert darauf, dass beide Seiten etwas von Gesprächen haben. Ergebnisse sollen sachorientiert sein. Das wäre früher so noch nicht möglich gewesen, da wollten wir unseren Kopf unbedingt immer durchsetzen. Aber es gibt natürlich rote Linien, über die wir bis heute nicht diskutieren.“
So sehr sich die Ultras um das Wohlergehen des Vereins kümmern, so häufig haben sie personelle Veränderungen gefordert. „Vorstand raus“ und ähnliche Spruchbänder waren zwischenzeitlich obligatorisch. Mit der Zeit hat sich das Verhältnis jedoch entspannt. Zur großen Jubiläumsfeier letztes Jahr waren auch Vorstandsmitglieder eingeladen, die gerne kamen. Trotz Liga 5 steht man sportlich gut da, auch strukturell scheint sich Einiges gut zu entwickeln, weshalb das verbesserte Verhältnis wohl noch etwas andauern wird. Wie nachhaltig das ist, wird die Zeit zeigen.
Der DFB als Hassobjekt
Mit dem Deutschen Fußball-Bund liegen Ultras hingegen durchgehend im Clinch. Manche reden gar von Krieg. In einem Interview sagte Fan-Forscher Dr. Gabriel Duttler: „Die Fans werfen den Verbänden vor, dass die ökonomischen Aspekte höhere Priorität genießen als die Tradition und die Fankultur. […] Die 90 Minuten am Wochenende sind für manche Menschen das Highlight, auf das sie die ganze Woche hinarbeiten. Das ist ein zentraler Lebensinhalt. Deshalb kämpfen sie gegen jede Bedrohung ihrer Fankultur an. Das ist eine Art Überlebenskampf, der teilweise in Gewalt umschlägt.“
Als es beim Thema Pyrotechnik Gespräche zwischen Fanverbänden und dem DFB gab, die eine Annäherung beider Seiten möglich machte, trennten sich schlagartig die Wege vom damaligen Sicherheitsbeauftragten Helmut Spahn und dem DFB. Damit verhärteten sich die Fronten wieder. Kritiker werfen dem Fußball-Bund vor, den Sport nur noch als Produkt vermarkten zu wollen, um die Einnahmen weiter zu maximieren. Verteidiger halten dagegen, dass die Entwicklung des Fußballs zum offenen, friedvollen, familienfreundlichen Sport genau die richtige ist. Da passen vermummte, martialische Zuschauer auf den Rängen nicht.
Die Verhältnisse zwischen den oft konfrontativen Seiten sind von vielen Dingen abhängig, die hier nicht alle aufgezählt werden können. Bei den vielen Einzelpunkten können die Entwicklungen kurz- wie langfristig in alle Richtungen gehen. Ob sich langfristig Entspannung oder Verhärtung durchsetzt (oder je nach Thema beides nebenher), darf mit Spannung weiter beobachtet werden.
Das war der dritte von vier Teilen des Ultra-Reports. Im ersten Text ging es um die Ultrabewegung im Allgemeinen, der zweite Bericht hatte den Blick direkt auf die Trierer Szene. Das Image und die Darstellung der Ultras sowie der Einsatz von Pyrotechnik sind die Themen, die im letzten Teil des Ultra-Reports am 31. Oktober aufgegriffen werden. Bleibt am Ball!
Zurück zur Startseite geht’s hier – 5vier.de
Wir suchen Prakikanten (m/w/d) und Redakteure (m/w/d).
Melde dich einfach unter [email protected].
Motivation ist wichtiger als Erfahrung!
Kommentar verfassen