Sportpsychologie ist mittlerweile bekannt und akzeptiert, gerade auf den hochklassigen Ebenen. Je weiter man ligaabwärts schaut, desto weniger bedeutend wird das Thema, auch aus Kostengründen. Der SV Eintracht-Trier 05 bildet dabei eine Ausnahme. Wir haben uns mit Laura Schmidt getroffen, die vor einigen Monaten genau dafür angesprochen wurde.
5vier.de: Guten Tag, Frau Schmidt. Vor einigen Wochen erzählte uns Eintracht-Spieler Jan Brandscheid, dass der Verein mit einer Sportpsychologin arbeitet. Zudem kam das Thema wegen des traurigen Jubiläums von Robert Enkes Suizid für kurze Zeit wieder in die Medien. Können Sie uns zum Einstieg erklären, was genau Sportpsychologie bedeutet?
Laura Schmidt: Das ist die klassische Frage, mit der man ein ganzes Fass öffnet. Es ist eine Grätsche zwischen Leistungsoptimierung und der Gesundheit der Spieler. Das Thema Depression in Verbindung mit Leistungsdruck sind die typischen Assoziationen. Das kann hinderlich sein.
Es ist eine der Aufgaben der Sportpsychologie, präventiv herauszufinden, ob Belastungsgrenzen erreicht werden. Das ist aber nur ein Teil der ganzen Aktivität, weil es doch im Leistungskontext um Optimierung geht. Das Spektrum reicht von kognitiver Leistungsdiagnostik bis hin zu klassischen Aspekten des mentalen Trainings wie Zielsetzung, Selbstgespräche und Wettkampfvorbereitung. Darüber hinaus arbeiten wir auch in der Prozessoptimierung und analysieren Entscheidungsabläufe.
Es ist also deutlich umfassender, als die bloße psychologische Betreuung von Spielern, die womöglich Hilfe benötigen. Ist das denn nicht auch ein Spannungsfeld, zwischen Leistungsoptimierung und der Gesundheit beziehungsweise dem Schutz von Spielern?
Es kann natürlich passieren, dass es persönliche Spannungen gibt, die mit einfließen. Der erste Fokus liegt dennoch darauf zu sagen, dass es in der Regel nicht möglich ist über eine ganze Saison sein Potential abzurufen. Jeder Spieler, der nicht regelmäßig die Champions League gewonnen hat, hat das Potential, sich neuen mentalen Herausforderungen zu stellen.
Sportpsychologie ein Spannungsfeld?
Es muss gar kein Spannungsfeld geben. Es kann einfach sein, dass ein Entwicklungsziel formuliert wird und man mit psychologischen Methoden darauf hinarbeiten kann.
Haben Sie eine eigene Praxis?
Nein, ich habe keine Praxis. Es gibt Kollegen, die eine haben oder in einem Praxisverbund arbeiten. Das macht Sinn, wenn man mehrere Klienten hat, damit man sich untereinander austauschen kann. Aber es gibt auch viele, die alleine arbeiten oder die Festangestellte eines Vereins sind, zum Beispiel im Nachwuchsleistungsbereich.
Wie ist es bei Ihnen und seit wann sind Sie für die Eintracht aktiv?
Angefangen habe ich im Mai 2019. Im Prinzip arbeite ich hier im Nebenjob. Ich bin dabei mein Masterstudium hier in Trier zu beenden. Diese Ecke ist ein wenig ein Niemandsland in Sachen Sportpsychologie, wie mir berichtet wurde. Ich selber komme aus Köln, da gibt es dank der Sporthochschule ein viel größeres Netzwerk an Sportdienstleistungen. Dort habe ich studiert und vorher die Zusatzausbildung Sport gemacht.Währenddessen habe ich schon erste Erfahrungen gesammelt. Darunter gehört ein Praktikum im Nachwuchsleistungszentrum bei Bayer 04 Leverkusen. Es ergab sich nachEnde des Praktikums durch Kontakte zwischen den Vereinen, dass ich jetzt hier angefangen habe.
Es ist allerdings ein Einzelfall, dass ein Fünfligist sich mit dem Thema Sportpsychologie beschäftigt. Das kommt dank der Visionäre im Verein. Natürlich ist das aber in den Punkten Zeit oder Ressourcen nicht auf den Ebenen wie bei einem Erstligisten.
Laura Schmidt ist mehrere Tage vor Ort
Wenn Sie sagen, dass Sie wegen des Studiums in Trier arbeiten, ist es wohl unwahrscheinlich, dass Sie langfristig hierbleiben.
Ja, leider. Privat ist mein Lebensmittelpunkt mittlerweile in Frankreich, deswegen bin ich auch nicht ganz so präsent, wie ich das manchmal gern sein würde, gerade außerhalb der Semesterzeit. Nach dem Ende meines Studiums würde ich mir gerne in Frankreich etwas aufbauen. Das wird wahrscheinlich in Richtung Forschung, kombiniert mit angewandter Sportpsychologie, gehen. Ich kann mir aber gut vorstellen, weiter auf Impulsbasis für ein, zwei Zeiträume hierherzukommen. Gerade in der Vorbereitung ist sowas hilfreich.
Wie groß ist denn der Umfang Ihrer aktuellen Tätigkeit bei Eintracht-Trier?
In der Regel bin ich drei Tage die Woche in Trier, davon einen Abend fix im Verein. Da biete ich Gespräche an und versuche das Training zu begleiten. Dadurch kann ich Präsenz zeigen und Beobachtungen machen, was wiederrum Themen aufzeigen kann, die ich aufgreife. In den Wochen die ich weniger anwesend bin, berate ich auch immer wieder telefonisch.
Wissen Sie, ob Sie die erste Angestellte sind, die sportpsychologisch im Verein arbeitet?
Soweit ich weiß, ja. Es gab eine Fitnesstrainerin, die auch achtsamkeitsbezogene Elemente mit einbezogen hat, etwa Entspannungsreisen. Das ist auch ein Teil der Sportpsychologie, weil Regeneration und Entspannung wichtige Aspekte sind, um Leistung abrufen zu können. Aber vollumfänglich bin ich die Erste. Allerdings heißt das nicht, dass die Spieler unerfahren sind. Sie kommen aus unterschiedlichen Bereichen, da hat der ein oder andere in Vereinen Erfahrungen sammeln können.
Für die Jugend reicht der Umfang noch nicht
Ist das von Vorteil, wenn es diese Vorerfahrungen schon gibt?
Das kann vorteilhaft sein. Die Sportpsychologie ist immer noch vorurteilsbelastet. Entsprechend haben diese Spieler eine geringere Scheu, sich dem zu stellen. Wobei das nicht das einzige Kriterium ist.
Sind Sie ausschließlich für die 1. Mannschaft aktiv oder auch zum Beispiel für Jugendspieler?
Hier bin ich nicht an anderer Stelle aktiv. Es wäre durchaus denkbar, wenn der Rahmen größer wäre. Aber das würde meine persönliche Situation aktuell gar nicht zu lassen. Wir haben jetzt eine gute Ebene gefunden. Es gab schon die Überlegung, dass ich flächendeckender zumindest zur Verfügung stehe, fürs Erste haben wir das aber noch nicht umgesetzt.
Wie sehen denn konkrete Methoden aus, die Sie einsetzen? Und wer macht den ersten Schritt, ein Spieler oder Sie?
Grundsätzlich ist zu sagen, dass das von Verein zu Verein ganz unterschiedlich ist. Die Sportpsychologie kann in vielfacher Art und Weise angewandt werden. Wenn der sportliche Aspekt mehr herausgehoben werden würde, könnte man sich mit den Trainern absprechen und gezielte Übungen mit sportpsychologischen Elementen im Training auf dem Platz einbauen. Das passiert hier nicht. Ich bin eher „extern“, mit regelmäßigen Einzelgesprächen, also Individual-Coaching.
Was wir abgesprochen haben, ist, dass es zwei Mal in der Saison eine Gesprächsrunde für alle gibt, damit auf jeden Fall ein Kontakt entstanden ist. Je nachdem wie die Gespräche verlaufen und die Spieler Interesse haben, folgen dann die Einzelgespräche. Das ist je nach Bedarf. Allgemein lässt sich sagen, dass das immer noch nicht so gängig im Fußball ist. In der 5. Liga ist es was Besonderes. Meine Rolle ist es, immer wieder Angebote zu machen, die auch gerne genutzt werden. Manchmal kam es aber auch durch Eigeninitiative, das ist unterschiedlich.
Sportpsychologie hat eine Sonderrolle
Ich habe hier einen Fokus gesetzt, die Visualisierung und Vorstellungskraft. Bekanntermaßen aktiviert man dadurch ähnliche Areale im Gehirn, sodass das ein Übungsfaktor wird. Das ist eine zusätzliche Möglichkeit, trotz hoher Trainingsbelastung mental zu arbeiten, da keine Erschöpfung entsteht. Das ist eine allgemeine Kompetenz, die jeder Sportler braucht. Das ist das einzige, wo ich auch Gruppenübungen durchführe. Es werden zum Beispiel Spielsituationen visualisiert. Wenn jemand unzufrieden mit einer Situation war, kann man detailliert die Situation auflösen. Welche Muskeln sich wann bewegen, wann war der Ballkontakt, und so weiter. Das findet immer im Gesprächsraum statt.
Zur Vervollständigung möchte ich noch ergänzen, dass es Fragebögen gibt, die Spieler in einigen Vereinen regelmäßig ausfüllen. Zum Beispiel zur Belastung. Am Ende des Tages bleibt das ein subjektiv beantwortetes Instrument, um präventiv zu sehen, ob jemand an seine Grenzen stößt.
Wenn Sie im täglichen Training nicht involviert sind, wie ist dann der Austausch mit dem Trainerteam?
Der ist gut. Natürlich ist es als Sportpsychologin eine Sonderrolle. Da die Gespräche mit den Spielern unter vier Augen stattfinden, fließt das nicht in den Austausch mit den Trainern ein. Es ist wichtig, dass die Spieler erkennen, dass das gewahrt wird.
Das Feedback der Trainer ist mir wichtig.
Laura Schmidt, Sportpsychologin
Ich bin jetzt nicht die Fachexpertin für Fußball, auch wenn ich selber früher mal gespielt habe. Daher ist mir das Feedback der Trainer auch wichtig, wie sie die Situation sehen. Das kann dann auch in meine Arbeit fließen.
Geschieht das zwischen Tür und Angel oder gibt es da feste Gesprächstermine?
Sowohl als auch. Manchmal nimmt man sich Zeit für Telefonate, manchmal spricht man zwischen Tür und Angel.
Sensibilisierung für Sportpsychologie steigt
Wenn ich mir jetzt vorstelle, ein Spieler kommt beispielsweise im Moment mit dem Druck nicht klar, möchte aber nicht, dass das mannschaftsintern publik wird. Wie kann der davor geschützt werden?
Heutzutage ist die Hürde dank der kommunikativen Mittel gering, mich unabhängig vom Platz zu erreichen. Glücklicherweise gehen aber viele sehr offen damit um, dass wir im Gespräch sind. Das kommt dadurch, dass die Hürde überwunden ist, nur Gespräche zu führen, wenn Probleme da sind. Wenn dann jemand persönliche Probleme hat, ist es für andere nicht ersichtlich, dass das der Grund für das Einzelgespräch ist.
Sportpsychologie wird für Außenstehende häufig immer noch mit Depression oder anderen Erkrankungen verbunden. Sie sagten bereits, dass das Feld weit darüber hinaus geht. Wie bewerten Sie die Entwicklung der öffentlichen Wahrnehmung des Fachs?
Es geht definitiv in die richtige Richtung, sonst würde der Sektor auch nicht immer mehr von den Verbänden anerkannt werden. Im Individualsport ist es offensichtlich, dass zum Beispiel Tennis oder Golf mental fordernd sind. Im Teamsport ist die Entwicklung spannend. Da ist es etwas schwerer, weil Spieler sich im Mannschaftsgefüge verstecken können und sich nicht so oft hinterfragen, wie ein Individualsportler. Deswegen geht man da ganz anders ran, um Kontakt aufzubauen.
Es ist immer die Frage der Mittel, die eingesetzt werden können. Gerade in den höheren Klassen zweifelt kaum jemand daran, dass Sportpsychologie hilfreich sein kann. Woran noch gearbeitet werden kann, ist die Klärung, in welchen Bereichen genau ein Sportpsychologe eingesetzt werden soll.
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