Der Basketballstandort Trier hat den Plan, die Identifikation mit der Region ganz oben auf der Prioritätenliste zu führen. Das bedeutet, auf die regionalen Kräfte zu vertrauen – wie Kilian Dietz. Er personifiziert Leidenschaft, Stärke und Verbundenheit wie kein anderer. Seit der Gründung der Gladiators Trier gehört er zum Verein wie die Vereinsfarben Grün und Weiß. 5vier.de sprach mit ihm darüber, wie es dazu kam, was Physis für ihn bedeutet und was lange währende Verletzungen mit einem machen.
Wenn du eine Bilanz des Kalenderjahres 2018 ziehen würdest, wie sähe die aus?
Definitiv positiv. Für mich persönlich: Ich wurde Anfang des Jahres am Knie operiert. Es verging eine lange Zeit, in der ich aufgrund meiner Verletzung leider nicht mitwirken konnte. Es ist nicht einfach, den Jungs während der Rückrunde und den Playoffs zuzuschauen. Das hat das Saisonende für mich sehr emotional gemacht. Es fällt einem viel Druck von der Seele, wenn du die Aussicht hast, in der nächsten Saison wieder eingreifen zu können.

Die Vorbereitung hinterließ zunächst gemischte Gefühle. Du hast lange nicht gespielt, der Headcoach (Christian Held, ehemals Co-Trainer, Anm. d. R.) ist neu, du weißt nicht hundertprozentig, ob die neuen Systeme zu dir passen. Hast du dich im Sommer genügend vorbereitet? Das war aufregend und ich wurde nicht enttäuscht. Ich war fit und hab mich gut gefühlt. Die ersten Spiele wurde ich zunächst noch geschont, aber dann ging es endlich los. Da war eine Menge Aufregung – richtige Aufregung (lacht). Meine ersten Minuten waren nicht die besten (lacht).
Dafür war der Saisonstart insgesamt hervorragend. Wieder ein Teil auf dem Feld zu sein und nicht nur von außen anfeuern zu müssen – in den ersten drei bis vier Wochen war ich wahrscheinlich der glücklichste Mensch der ganzen Liga (grinst). Dann kamen wir ein bisschen ins Strudeln, hatten mit Jermaine Bucknor, Johannes Joos und Till Gloger Verletzungspech. Auch Stefan Ilzhöfer und Thomas Grün kamen erst später dazu. Da haben wir etwas die Richtung verloren.
Kilian Dietz kehrt zurück
Das will ich aber nicht unbedingt negativ betrachten. Ich finde, dass man solche Erfahrung relativ früh in der Saison erleben sollte. Wir hatten auch in den letzten Jahren Startprobleme, hatten dann aber Siegesserien in der Rückrunde. Das schweißt als Team unglaublich zusammen.
Gehen wir nochmal zum Anfang, deiner Verletzung. Du hast monatelang gefehlt. Wie ging es dir während dieser Zeit?
Am Anfang war es extrem schwierig für mich, damit klar zu kommen, nicht zu trainieren. Was viele nicht wissen: Selbst wenn wir verletzt sind, sind wir jeden Tag in der Halle. Du bist immer „nur“ Zuschauer. Ich habe mich richtig schlecht gefühlt in der Rolle. Es hat lange gedauert, bis ich das akzeptieren konnte. Zunächst habe ich es versucht, mit mir alleine auszumachen. Ich war viel allein, hatte keine Lust unter Leute zu gehen.
Aber die Jungs, die Trainer und alle anderen im Verein haben es nach vielen Gesprächen geschafft, mir klar zu machen, dass es so nicht weitergeht. Ich habe dann eine gute Balance zwischen Trainingshalle, Fitnessstudio und Physiotherapie-Praxis gefunden, sodass ich ganz gut ausgelastet war und gar nicht mehr die Zeit hatte, darüber groß nachzudenken.
Stichwort Training: Du bist bekannt für deine physische Präsenz. Was tust du dafür?
Die Jungs ziehen mich immer mit dem Wort „Trainingsweltmeister“ auf. Eigentlich bin ich immer der Erste, der in der Halle ist, und einer der Letzten, der geht. Wir haben mindestens zweimal die Woche Krafttraining, da bin ich meistens eine Stunde früher da. Oder ich setze mich vor dem regulären Training eine Stunde aufs Fahrrad.
Nicht mehr der Jüngste
Ich habe in der Zeit der Verletzung viel über meinen Körper gelernt. Als ich jung war, habe ich manche Dinge nicht so ernst genommen. Ernährung, Dehnen, Regeneration – der Körper regulierte das irgendwie schon. Mir ist im vergangenen Jahr aufgefallen, wie viel Schlechtes ich damit meinem Körper angetan habe. Jetzt, mit 28 Jahren, braucht der Körper mehr Zeit, sich zu erholen. Dann nimmt man sich mehr Zeit zum Aufwärmen, dehnt sich etwas länger, eist seine Knie. Für mich ist das jetzt Standard geworden. Ich will mir später nicht vorwerfen, nicht alles gegeben zu haben, um die bestmögliche Leistung abzurufen.

Wir durften schon mal miterleben, wie es bei euch im Training abgeht. Gerade die Big Men gehen da nicht zimperlich miteinander um. Wie gelingt da die Balance, dem Mitspieler alles abzuverlangen, aber trotzdem ein gutes Verhältnis zu bewahren?
Till und ich scherzen immer darüber, dass wir uns im Training gegenseitig kaputt machen (lacht). Wir sitzen in der Kabine nebeneinander und werfen nach dem Training noch zusammen. Wir sind einfach Freunde. Es ist selbstverständlich, dass man sich nichts schenkt. Aber da ist nie eine böse Absicht dahinter. Man will einfach bis ans Limit gehen.
Du bist von Beginn an ein Gladiator und warst auch vorher schon im Bundesligakader der TBB. Wann hast du den Entschluss gefasst, dass du mit Basketball deinen Lebensunterhalt bestreiten möchtest?
(Überlegt) Ich habe eigentlich nie so richtig diesen Entschluss gefasst. Den Schritt in den Profibasketball bin ich eigentlich gestolpert. Einen Tag nachdem ich das Abitur bestanden habe, hat Henrik Rödl bei mir angerufen. Ich kannte die Nummer gar nicht, ich wollte schon wegdrücken. Es war ungefähr 9:30 Uhr, für einen Abiturienten mitten in der Nacht (lacht). Er wollte sich später mit mir treffen. Als wir uns dann trafen, sagte er mir: „Ich hätte dich gerne ab morgen im Training.“
Zum Profi gestolpert
Da dachte ich erstmal ungläubig „Oookay…?“. Habe ich überhaupt das Niveau dazu? Der kleine Junge aus Bernkastel, der ein bisschen NBBL (höchste Jugendliga) und Regionalliga gespielt hat, soll auf einmal bei den Profis mittrainieren? Nach ein paar Wochen sagte Henrik dann, dass er mich auch die nächste Saison dabeihaben wolle. Er wollte mir nichts versprechen, aber ich hatte ehrlich gesagt auch keine Erwartungen. Aber die Erfahrung wollte ich unbedingt machen. Das Jahr war wunderbar.
Dann kam die finanzielle Pleite. Es war noch nicht klar, wie es weitergeht, ob es eine Bundesligamannschaft geben soll. Dann gab es ein Try-Out-Training. Ein Trainer war noch nicht verkündet. Ich wurde nur dazu eingeladen, damit genügend Spieler anwesend sind, um überhaupt erst ordentlich trainieren zu können. Das Ende vom Lied war: Außer mir wurde keiner verpflichtet.

Was hat sich bei dir dadurch im Leben verändert?
Eigentlich hat sich mein Leben komplett verändert. Du hast nicht mehr 3-4 x die Woche den Basketball in der Hand, sondern zweimal am Tag. Der ganze Tagesablauf muss sich darauf aufbauen. Ich musste aufhören im Weingut zu arbeiten. Das erste Jahr bin ich noch gependelt. Jeden Tag 200 Kilometer, da habe ich mich gefragt, warum ich täglich zwei Stunden meines Lebens verschenke. Dann bin ich nach Trier gezogen.
Musstest du denn auch noch weitere Entbehrungen in Kauf nehmen? In dem Alter möchte man ja vielleicht auch mal am Wochenende um die Häuser ziehen.
Ja, ab und an um die Häuser zu ziehen war damals eher drin als heute. Mittlerweile bin ich da sehr strikt. Zwei Tage vorm Spiel bin ich schon in einer Art Tunnel, da geh ich selten noch vor die Tür. Und einen Tag davor würde ich mich nicht mal mit meiner Freundin treffen, wenn ich eine hätte (lacht). Da setze ich heute andere Prioritäten.
Mit Maik Zirbes groß geworden
Bei einem ehemaligen Mitspieler von dir hat sich ebenfalls das Leben stark verändert. Mit Maik Zirbes hast du in jungen Jahren zusammengespielt. Habt ihr noch Kontakt?
Momentan eigentlich gar nicht. Wir haben uns über die Sommer manchmal gesehen und teilweise miteinander trainiert. Wir hatten gute Zeiten zusammen. Ich glaube, er ist bei Roter Stern Belgrad perfekt aufgehoben.
Hättest du ihm früher schon so eine Karriere zugetraut?
Ich habe ja schon in der U14 mit ihm zusammengespielt. Das ist lange her (lacht). Damals hatten wir keine Ahnung von dem Geschäft. Wir wollten in die Regionalliga, um das Bestmögliche aus uns rauszuholen. Oberliga wäre auch schon gut gewesen. Jetzt spielt er in der Euroleague (höchste europäische Liga), war bei Maccabi Tel Aviv, Bayern München, Bamberg, wurde zweimal Deutscher Meister, hat in Serbien alles gewonnen. Vor seiner Leistung habe ich viel Respekt.
Zuvor haben wir uns mit Kilian Dietz über die aktuelle Situation der RÖMERSTROM Gladiators unterhalten, was ihr hier nochmal nachlesen könnt. Wer sich den Center live ansehen möchte, hat am Samstag, 5. Januar um 18 Uhr die Möglichkeit dazu. Da gastiert das Top-Team der Hamburg Towers in der Arena Trier.
Zurück zur Startseite geht’s hier – 5vier.de
Wir suchen Praktikanten (m/w/d) und Redakteure (m/w/d).
Melde dich einfach unter [email protected].
Denn: Motivation ist wichtiger als Erfahrung!
Schreibe einen Kommentar