Jeder kennt das angespannte Gefühl, wenn man gemütlich draußen grillen möchte, aber ungebetene Gäste auch am Essen interessiert sind. Bienen, Wespen, Hornissen, Hummeln – wer von denen nervt uns da eigentlich? Oder kann man sie über einen Kamm scheren? Auf keinen Fall, erzählte uns Dr. Nicole Hennecke, Imkerin aus Trier. Welche Unterschiede es gibt, bei welchen Arten man Vorsicht walten lassen sollte und warum man auch die lästigen Insekten nicht einfach töten sollte, hat sie 5VIER.de erzählt.
5VIER.de: Hallo Nicole, gleich mal Butter bei die Fische: Wie oft wurdest du schon von Wespen gestochen?
Nicole Hennecke: Einmal als Kind, sonst nie (lacht). Das war aber meine eigene Schuld. Von Honigbienen werde ich pro Saison durchschnittlich zwanzig Mal gestochen.
Das überrascht, das Image von Wespen ist ein anderes. Wenn du gestochen wirst, welche Hausmittel helfen dir am meisten? Es gibt ja ganz unterschiedliche Empfehlungen, die man so zu hören bekommt.
Ich nehme gerne eine ätherische Ölmischung aus Lavendel und Melisse, direkt auf den Stich. Wenn ich sowas nicht zur Hand habe, nutze ich eine aufgeschnittene Zwiebel. Oder Spitzwegerich.
Spitz was?
Spitzwegerich, das ist ein Kraut (lacht). Das wächst ganz häufig hier. Man muss die Leitungsbahnen der Blätter aufquetschen, dann kommt der Saft raus und man reibt das auf den Stich. Gerade bei Wanderungen ist das praktisch.
Welche Wespen fliegen da eigentlich?
Okay, damit ist das Wichtigste geklärt. Nun aber ganz seriös: Fast jeder Mensch hat schon Erfahrung mit Insekten gemacht, die einem beim Essen im Freien zu nahe kommen und sogar Angst einflößen können. Früher wurde da gern einfach die Fliegenklatsche eingesetzt, heute ist das Bewusstsein über die Wichtigkeit des Artenschutzes deutlich höher. Wie kriegt man es hin, die Tiere in Frieden zu lassen, sich aber gleichzeitig nicht belästigen lassen zu müssen?
Erstmal ist es nötig zu wissen, um welche Art es sich handelt. Viele sind völlig harmlos und lassen die Menschen in Ruhe. Auf den ersten Blick sieht man nur schwarz-gelb-geringelt, was ja auch eine Warnfarbe ist. Da ist erstmal Vorsicht geboten. Aber Wespe ist nicht gleich Wespe. Man muss erstmal gucken, haben sie ein Nest, wo liegt es und wie lange nisten sie sich ein. Die allerfrühesten Völker bauen ab April, eher Mai oder Juni. Spätestens im November sind sie wieder weg und die Nester zerfallen. Aber die überwiegende Mehrheit, ca. 700 Arten in Deutschland, leben einzeln.
Es fällt schon nicht ganz leicht, Wespen, Bienen, Hornissen und Hummeln auseinander zu halten. Hunderte Unterarten erst recht nicht. Was kann man machen, um rauszukriegen, welche Art in meinem Garten oder Rollo lebt?
Eine gute Anlaufstelle ist zum Beispiel der NABU (Naturschutzbund Deutschland, A. d. R.). Man kann sich auch bei der Kommunalverwaltung melden, aber da findet man vielleicht nicht direkt die konkreten Ansprechpartner. Der NABU hat eine Liste, wer helfen kann. Das können Firmen sein, aber auch Privatpersonen wie Imker*innen, die die Fortbildung zur Wespen- und Hornissenberatung absolviert haben.
Viele Insekten sind völlig harmlos
Vermutlich melden sich viele, die die Insekten einfach los werden wollen. Du sagtest aber, dass viele Arten harmlos sind. Welche sind das? Und welche sind aggressiver?
Es gibt keine einzige Art, die Menschen anfällt. Feldwespen und hellnistende Wespen interessieren sich nicht für die Menschen, auch nicht für deren Essen. Die interessieren sich nur für ihr Nest. Da müsste man sich fast schon auf sie setzen, dass sie zustechen. Diese Nester finden sich oft in Carports oder am Dachüberstand. Die werden oft hand- oder fußballgroß.
Das sind also nicht die, die uns beim Grillen nerven?! Welche Arten kommen überhaupt am häufigsten bei uns vor?
Am häufigsten sind die dunkelnistenden Wespen vertreten. Dazu gehören die Gemeine und die Deutsche Wespe. Deren Namen sind allerdings nicht ganz passend, sie erwecken einen falschen Eindruck. Die dunkelnistenden Wespen brauchen entsprechende Orte, die in der Natur gar nicht mehr so häufig vorkommen. Daher findet man sie häufig zum Beispiel in Rollladenkästen. Wenn man die Rollläden dann betätigt, gerät das Volk natürlich in Aufruhr, und das direkt vor unserer Nase. Außerdem sind die Völker recht groß, was dadurch als Problem wahrgenommen wird.
Subjektiv werden wohl viele Menschen glauben, dass ausschließlich dunkelnistende Wespen in ihrer Nachbarschaft wohnen…
(lacht) Ja, der Ruf ist ruiniert. Die dunkelnistenden Wespen essen sehr gerne Fleisch und gehören zu denen, die bis im November aktiv sind. Ähnlich wie bei Honigbienen kommt eine zum Auskundschaften und bringt dann weitere mit. Das Phänomen gibt es auch beim Zwetschgenkuchen. Das Eiweiß brauchen sie zur Brut, den Zucker für sich selbst. Diverse Mittel, die die Wespen abschrecken sollen, sind völlig wirkungslos. Zum Glück essen sie aber keinen ganzen Kuchen und kein ganzes Steak. Daher kann es helfen, ein kleines Stück entfernt vom Tisch hinzustellen. Eventuell können auch Sprühflaschen mit Wasser abschrecken, weil sie dann denken, dass es regnet.
Kontakt über den NABU
Okay, nun wollen sich die Meisten wohl nicht damit zufriedengeben, die Wespen jedes Mal wegzutricksen und melden sich dann beim NABU. Was passiert dann?
Entweder geben sie ihnen direkt meine Kontaktdaten oder sie melden sich bei mir und ich mich dann bei den Betroffenen. Ganz praktisch ist es, wenn sich jemand direkt bei mir meldet, Bilder anzuhängen. Das könnte die Besichtigung vor Ort ersparen. Ich komme aber auch gerne vorbei, um ein Bild zu erhalten, wie das Umfeld der Tiere ist. Dann kann man besser entscheiden, ob man Nester hängen lässt oder ob eine Umsiedlung stattfinden soll.
Wenn man sich jetzt vorstellt, dass jeder einzelne Haushalt beim NABU oder bei der Verwaltung anruft – das ist doch bestimmt nicht umsetzbar?!
Flächen für die Umsiedlungen gibt es ausreichend, in Wäldern zum Beispiel. Aber es stimmt, das Verhältnis von der Häufigkeit der Fälle zu Menschen, die das auch umsetzen können, ist nicht wirklich ausgewogen. Die wenigsten Imker*innen haben die schon genannte Fortbildung gemacht. Der nächste Kollege lebt in Kastel-Staadt.
Aber Insekten stehen doch unter Schutz. Müsste der Staat da nicht eingreifen, damit unfreiwillige Bienenhalter nicht den einfachen Weg gehen und die Nester zum Beispiel einfach anzünden, um sie loszuwerden?
Ich kann jetzt nur über den NABU sprechen. Deswegen wurde die angesprochene Liste erstellt, um auch Firmen aufzuführen, bei denen Mitarbeiter*innen diese Fortbildung zu Wespen- und Hornissenbeauftragten gemacht haben. Bei Schädlingsbekämpfungsfirmen beispielsweise. Davon gibt es meines Wissens nach vier auf der Liste.
Auch Schädlingsbekämpfer können gut mit Wespen umgehen
Ach, Schädlingsbekämpfung heißt gar nicht automatisch Gifteinsatz und Unschädlichmachung?
Nein, da war ich während der Fortbildung auch froh, als ich Mitarbeiter*innen solcher Firmen kennengelernt habe. Die kümmern sich darum und machen nicht einfach die Sprühflaschen auf und spritzen los. Da möchte ich übrigens auch unbedingt von abraten, solche Sachen einfach irgendwo zu kaufen und zu nutzen. Das ist tatsächlich Gift und die nötige Schutzausrichtung kauft man in der Regel nicht mit.
Vielleicht erklärst du noch kurz, wie die Gesetzeslage in diesem Bereich aussieht.
Wespen, Bienen und so weiter sind allgemein geschützt, das ist der Grundstatus. Die einheimische Hornisse ist sogar streng geschützt, da der Bestand so gering ist. Das wird im Bundesartenschutzgesetz aufgeführt. Wer Hornissen ohne Genehmigung und Grund umbringt, kann ein Bußgeld bis zu 50.000 Euro bekommen. Zum Glück gehen die Bestände wieder langsam hoch.
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