Mann, wir Kreativen müssen uns schon mit so einigen Klischees und Vorurteilen rumschlagen. Von der Faulheit, die in der Fabel von der Ameise und der Grille schon in der Grundschule kolportiert wird bis hin zur vermeintlichen Exzentrik, die wir so an den Tag legen, wenn wir mit Zylinder und weißem Schal im Ritz Schampus bestellen, den wir uns gar nicht leisten können – Alles ist dabei. Und vieles davon ist falsch!
„Barfuss oder Lackschuh“ (Harald Juhnke)
Was sind wir nur für Hallodris! Wenn ich alleine dem glaube, was mir persönlich von administrativer Seite sowohl im beruflichen als auch im Privaten Umfeld schon an dummem Zeug entgegengehalten wurde – meist unter dem Deckmantel vermeintlicher Toleranz, wo sie gar nicht notwendig wäre – , da fällt mir vor Erschütterung der Kümmerling ins Frühstücksmüsli. „Sie wissen ja selbst, wie Künstler so sind, sie sind ja schließlich selbst einer“ – dazu ein joviales Augenzwinkern. Einen Scheiss weiss ich. Und einen Scheiss bin ich. Deine Mutter ist Künstler, du Otto. Die meisten Künstler, die ich kenne überleben nur in diesem Metier, weil sie überdurchschnittlich hart arbeiten, sehr gut organisiert sind und sich nicht klein kriegen lassen, gerade von den Repressalien der letzten Jahre. Weitaus mehr als ein durchschnittlicher Angestellter sind sie jeden Monat eigenverantwortlich, ihre Kohle zusammenzubekommen, und sie sind direkt von der Kundschaft abhängig; da steht kein Betrieb in der Mitte, der konjunkturschwache Zeiten abfängt. Dazu wird einem seitens derjenigen, die Interesse für Kunst und Kultur haben permanent vermittelt, man verrate ja den eigenen Idealismus, wenn man für das, was man tut, „dreisterweise“ Geld verlangt oder sich auf Projekte einlässt, die einen ernähren – obwohl sie nicht im Feuilleton oder der Indie Fachpresse gefeiert werden. Willkommen in der Realität, liebe Rollkragen.
„I want you to want me“ (Cheap Trick)
Ja, wir Künstler wollen anders sein als Ihr – und wir sind es auch. Aber bitte – nehmen Sie es nicht persönlich, den Sie sind nicht der Grund dafür. Wir sind oft sehr selbstkritisch (weit mehr, als es gut für uns wäre) und hinterfragen so ziemlich alles, und das so ziemlich immer. Wir wollen Ihnen gar nicht das Gefühl geben, wir seien was Besseres oder was Besonderes, sondern wir sind einfach anders. Ich für meinen Teil wäre oft sehr froh, es wäre nicht so – aber wer kann schon aus seiner Haut? Und es kommt noch härter: Wir wollen gerne Teil der Gemeinschaft sein. Wir sind keine misanthropischen Sonderlinge, wenn wir uns in Gesellschaft unwohl fühlen (und das tun wir sehr oft!), dann liegt es eher daran, dass wir das Gefühl haben, nicht willkommen zu sein, wo wir gerade sind. Akzeptieren Sie uns, wie wir sind und lassen Sie uns einfach eine weitere Farbe im großen Farbkasten sein, da ist auch Platz für alle drin. Ich selbst bin genau so gerne Künstler wie z.B. Dörfler und habe mein ganzes Leben zwischen irgendwelchen Stühlen zugebracht. Nie irgend wo zu 100% rein gepasst, aber dennoch meist willkommen. Die Mischung macht´s. Man wird da nicht blöder von, muss ich sagen . Und mittlerweile fühle ich mich zwischen den Stühlen am wohlsten. Je mehr wir anfangen, diejenigen willkommen zu heißen, die nicht zu 100% rein passen, desto schöner wird´s für alle. Dass das natürlich seine Grenzen hat, ist für mich selbstverständlich und bedarf keiner weiteren Diskussion.
„What do you do for money honey?“(AC/DC)
Und wieder mal liegt die Wahrheit irgend wo in der Mitte. Irgendwo zwischen Spitzweg´s „Der arme Poet“ und „Fuffis im Club“ von Sido. Irgendwo zwischen Gema Listen, Finanzamt und Mittwochs abends einen trinken, einfach, weil man Lust dazu hat. Ich bin sehr gespannt, wie sich das Dasein der Kunst und der Künstler in Zukunft entwickelt, denn trotz der ganzen bisherigen Litanei bin ich der Meinung, dass der professionelle Künstler – unabhängig von seinem Sektor – ein Dienstleister ist. Nein, er ist sogar mehr, nämlich Dienstleister, Unternehmer, Erfinder und auch ein wenig Handwerker, sowie Bürokraft. Wer nicht fähig oder bereit ist, das alles zu leisten, sollte seine Kunst lieber als Hobby betrachten. Man bedenke hier auch die Lücke im Gesundheitssystem: Machen Sie mal eine Kur oder Mutterschaftspause als Künstler*in, das ist ihr gutes Recht und wird auch finanziert, nur sind leider keine Jobs, Engagements oder eben Schüler mehr da, wenn Sie zurück kommen. Und das fängt niemand ab. Da heisst es: Stock zwischen die Zähne und drauf beißen, wenn´s weh tut. Manchmal wünsche ich mir, ich hätte mich für ein Dasein als Hobbymusiker entschieden, zum Beispiel, wenn ich an mein Konto denken muss, um einen Andrea Berg Song für mich erträglich zu performen. Meist bin ich – trotz stellenweiser völliger Ausgebranntheit – dennoch sehr froh über meine Berufswahl – und für diese Momente tu ich es eben. Und für Geld. Sorry noch mal dafür.
Ihr Senf hierzu interessiert mich natürlich sehr – also kommentieren Sie was das Senfglas hergibt! Mehr Senf von mir gibt es hier !
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