Was ist das nur für eine Straße? Die Karl-Marx-Straße. Für mich wohl die seltsamste Straße in Trier. Meines Erachtens gibt es wohl kaum einen Ort in Trier, der solch eine Vielfalt und Eigenarten aufzeigt.
Trier. Gehen wir von der Innenstadt die lange Straße Richtung Mosel. Ich weiß natürlich, dass die Brückenstraße eigentlich nicht wirklich dazu zählt, aber irgendwie gehören die beiden doch zusammen.
- Station: Die Trinkerinsel
Es beginnt mit einem Supermarkt, vor dem von morgens bis abends eine Gruppe Männer (plus/minus zwei Frauen) rumlungert und ein Bier nach dem anderen trinkt. Zieht man also an dieser Kreuzung vorbei, kommt einem nicht selten der Geruch von abgestandenem Gerstensaft entgegen. Ich weiß noch, wie ich als Kind dort einmal mit Freunden in den Bus in Richtung Schule eingestiegen bin. Wir entdeckten ein Pärchen das einen „Liebesakt“ am hellichten Tag vollzog, während die anderen Trinker daneben standen. Dabei hielten sie in der Hand eine Flasche Bier. Wir haben damals beschämt weggeguckt, aber uns war natürlich schon klar, dass es nicht in Ordnung ist. Noch heute gehe ich oft an der Ecke vorbei und bekomme Gelegentlich irgendwelche Kommentare zugerufen, wie so ziemlich jeder Passant, der den Trinkern bei ihrem Gelage einen Blick schenkt. Ich weiß nicht ob es dieselben Leute sind, aber rein vom Geruch und der Kleidung her, unterscheiden sie sich nicht stark voneinander. Seitdem ich in dieser Umgebung wohne, muss ich aus Arbeitsgründen oft an der Insel vorbei und konnte schon drei Schlägereien mit Polizeieinsatz beobachten. Das passierte innerhalb von drei Monaten. Ich frage mich oft, warum hier von der Stadt aus nichts unternommen wird. Zumal die Karl-Marx-Straße wegen dem Karl Marx Haus und dem Weg zur Römerbrücke ein Touristenmagnet ist.
- Station: Die asiatische Barriere
Klar, das Karl Marx Haus ist gerade bei unseren asiatischen Touristen sehr beliebt, wie man schon an dem chinesischen Schild am Eingang erkennen kann. Das sich unsere Gäste vor dem Gebäude ablichten lassen ist verständlich, aber das man deswegen mitten auf der Straße steht ist nicht okay. Besonders wenn man bedenkt, dass es sich oft um eine Touristengruppe von zwanzig bis dreißig Leuten handelt. In der Straße darf man dreißig fahren (auch wenn hier der ein oder andere gerne mal mit gefühlten 70 durchheizt). Ja, ich musste auch schon einige Male abrupt bremsen, da ich sonst eine Gruppe von Touristen in Bowlingkegel verwandelt hätte. Vielleicht wäre ein Warnhinweis sinnvoll. Nicht nur für die asiatischen Gäste, was das Fotoschießen betrifft, sondern auch die Geschwindigkeitsbegrenzung. Eine gefährliche Ecke für Fußgänger.
- Station: Obskur bis künstlerisch
Hat man erst mal die asiatische Barriere überwunden, gelangt man zu einigen lustigen Geschäften und Ateliers. Von einer alternativen Buchhandlung, über einen Esoterikladen, bis hin zu Künstlerateliers. Schnell bekommt man den Eindruck, dass hier ein Alternativviertel entsteht. Auch der große Waschsalon mit den Gestalten hinter dem Schaufenster die gierig auf ihre gereinigte Wäsche warten, während die Maschinen laut rotieren, unterstreicht die bunte Mischung an Geschäften. In dem Künstleratelier stehen derzeit Penisse in Bronzeoptik aus, die eigentlich ganz gut zu dem passen was einen am Ende der Karl-Marx-Straße erwartet.
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Fotos: Raphael Wlotzki // Aufnahmeort: Karl-Marx-Straße
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